Martin Walser wird heute 90 - Eure (Lese-) erfahrungen mit ihm?

  • Ihr habt es vielleicht heute auch im Radio gehört, dass Martin Walser seinen 90. Geburtstag feiert. Immer mal wieder ist er als Person (man denke an die umstrittene Rede in der Paulskirche 1998) und sind auch seine Werke in aller Munde.


    Mich würde interessieren, wie Eure Erfahrungen mit ihm sind? Habt ihr etwas von Walser gelesen? Wie gefiel es Euch? Oder habt ihr ihn schon im Fernsehen, gar in natura erlebt, ein Interview mit ihm gelesen und welchen Eindruck hat dies bei Euch hinterlassen?


    Ich selbst habe zwei Bücher von ihm im Regal, "Ehen in Phillipsburg", was ich vor Jahren gelesen habe und ganz okay fand und "Ein fliehendes Pferd", was ich vor ca. einem halben Jahr gekauft habe und dem ich fünf Sterne gebe. In der Schule stand Walser bei uns nicht auf dem Lehrplan.


    Gibt es noch ein Buch, das empfehlenswert wäre? Heute sagte der Sprecher im Radio, sein großes Thema sei einfach die männliche Impotenz. Das lasse ich mal so im Raum stehen.

  • Ich bin Martin Walser vor ein paar Jahren hier im BT begegnet und als Goethe-Liebhaberin, musste ich dieses Buch sofort kaufen und lesen und habe es nicht bereut.
    Aber das war es dann auch wirklich schon an Erfahrung. Ich habe ihn im TV noch nicht gesehen oder anderes von ihm gehört.

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Danke @Tanni. Ich habe die Rezi gerade durchgelesen. Im Anschluss daran gab es ja eine interessante Diskussion. U.a. ging es darum, ob dies "Altmännerphantasien" seien, also genau das, was auch der Moderator Walser "vorwirft".
    Jemand schrieb auch, seine vorangegangenen Werke seien eher "peinlich" gewesen.
    Das Buch hat meine Mutter im Regal stehen, ich werde es mir auf jeden Fall ausleihen.

  • Zu Walser habe ich ein man kann schon sagen "gespaltenes Verhälnis", einige Werke las ich mit Begeisterung andere waren doch recht "abgefahren wie z.B. "Muttersohn" , und man muss Walser schon gut kennen um dieses Buch von ihm lesen zu können.


    Das von @Tanni erwähnte und im BT doch sehr unterschiedlich besproche Buch "Ein liebender Mann" gehört bei mir zu den Büchern von Martin Walser welches ich sehr mag. Es ist ein schöner Roman, diese Liebesgeschichte des 73-jährigen Goethe zu Ulrike von Levetzow, die gut ein halbes Jahrhundert jünger war, frei von jeglicher Peinlichkeiten welche ansonst in Romanen gerne passiert wenn von der Liebe zwischen Personen mit sehr grossem Altersunterschied die Rede ist.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Auch davon gibt es ja eine interessante Rezi, prima. Bei dem Inhalt fragt man sich willkürlich, welche autobiographischen Aspekte dort wohl eine Rolle spielen bzw. was er für ein Verhältnis zu seiner Mutter und zu Frauen hat.
    Jetzt war ich gerade im Antiquariat meines Vertrauens und dort gab es relativ häufig "Ein springender Brunnen", ich hab ein Exemplar gekauft und bin gespannt.

  • "Ein fliehendes Pferd" habe ich richtig gern gelesen und sein erster Roman "Ehen in Philippsburg" hatte mich gefreut. Leider gilt Walser inzwischen als Heiliger und so widerspricht man ihm nicht mehr, die Zahl der nicht so gelungenen Bücher wächst. Im "Einhorn" habe ich beispielsweise mehr oder minder seine sexuellen Erinnerungen gelesen, die er sich als bettlägeriger Patient selbst erzählt - selten so gelangweilt.
    Durchaus intellektuell war sein Essayband "Ich vertraue. querfeldein". Aber es ist nun Tendenz nur noch zu intellektuellen Büchern, die durchaus geistige Schärfe haben, sie sind eine Spielwiese für den Autoren, leider aber kein guter Roman.


    Würde mich mehr interessieren als alle Hudelei des Feuilletons. Würde ihn fragen wollen: Kannst du das noch - einen völlig unverquasten Roman schreiben?

  • Im "Einhorn" habe ich beispielsweise mehr oder minder seine sexuellen Erinnerungen gelesen, die er sich als bettlägeriger Patient selbst erzählt - selten so gelangweilt.

    So etwas finde ich extrem gruselig. Nicht das Berichten über sexuelle Erfahrungen oder Bettlägerigkeit als solches, sondern das ewige Kreisen um die eigene (verlorene) Potenz. Das gibt es ja immer wieder in der Belletristik, "Abspann" von Steve Tesich war da mein bisheriges Highlight mit umgekehrtem Vorzeichen. Beim "fliehenden Pferd" ist das zwar auch Thema, aber dort wird das "Problem" auf die Schippe genommen und das richtig gekonnt.


    @Ligatur: Welches Buch von ihm außer dem Pferd und den Ehen in Ph. fandest Du noch lesenswert?

  • Schade habe ich verpasst, im SWR war am 18. März 2017 Martin Walser das Thema mit dem Film Das Einhorn
    und anschliessend "Unterwegs mit Martin Walser".
    Ich weiss nicht ob man dies im Internet noch ansehen kann. Ich kenne weder das Buch noch den Film, kann mir also absolut kein Urteil darüber bilden, hätte mich jedoch interessiert wie diese Vorlage verfilmt worden ist, besonders nach den Anmerkungen von @Ligatur
    Soviel ich jedoch weiss ist das Buch "Das Einhorn" Teil einer Trilogie, nehme darum an dass man diese komplett lesen sollte, ansonst passiert genau das :-k

    Im "Einhorn" habe ich beispielsweise mehr oder minder seine sexuellen Erinnerungen gelesen, die er sich als bettlägeriger Patient selbst erzählt - selten so gelangweilt.

    Heute sagte der Sprecher im Radio, sein großes Thema sei einfach die männliche Impotenz. Das lasse ich mal so im Raum stehen.

    Ich glaube nicht das dies,die männliche Potenz im Vordergrund steht, es ist die Liebe (ganz sicher gehört die Sexualität dazu) welche Walser immer noch sehr beschäftigt. Das verbindet er mit dem Leben, die Liebe. Schon immer ein Thema in seinen Büchern, wie auch der Glaube, damit hat er sich seit jeher befasst.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ich habe heute morgen in unserer Tageszeitung einen Artikel über ihn anlässlich seines Geburtstags gelesen und zu meinem Mann gesagt, dass wir noch kein einziges seiner Bücher gelesen haben.
    Ok, mein Mann liest in der Regel eh nur Krimis, aber ich sollte diese Bildungslücke vielleicht einmal füllen :-? .


    Nur, wenn ich eure Beiträge so lese, fürchte ich, dass mir keins gefallen wird.
    Ich hab mir jetzt mal Ein liebender Mann auf die Wunschliste gesetzt, damit ich es präsent habe, sollte ich mich entschließen, mir einen "Walser" zu Gemüte zu führen.

  • Ich glaube nicht das dies,die männliche Potenz im Vordergrund steht, es ist die Liebe (ganz sicher gehört die Sexualität dazu) welche Walser immer noch sehr beschäftigt. Das verbindet er mit dem Leben, die Liebe. Schon immer ein Thema in seinen Büchern, wie auch der Glaube, damit hat er sich seit jeher befasst.

    Das ist natürlich eine ganz andere Deutung, guter Einwand, serjena.
    Die Reportage über ihn ist in der Mediathek vorhanden, die schaue ich mir auf jeden Fall an. Link


    @Smoke: Unsere Parallelklasse las im 10. Schuljahr "Ein fliehendes Pferd" und den meisten gefiel es sehr gut, was man ja nicht immer von Schullektüre behaupten kann.

  • Ich hab mir jetzt mal Ein liebender Mann auf die Wunschliste gesetzt

    Mir hat es gut gefallen. Wenn man sich in die Welt Goethes hineinversetzen mag, ist das keine schlechte Wahl für den Anfang.
    Und auch "Der Lebenslauf der Liebe" ist empfehlenswert. Mit "Ehen in Philippsburg" konnte ich hingegen gar nichts anfangen. Aber das ist ja bei anderen Schriftstellern auch so, dass einem nicht alles gefällt.

  • Danke @Sylli: Da es hier keine Rezi zu dem Buch gibt, habe ich gerade bei amaz. gespickt.
    Was für eine schräge Geschichte. Und im Gegensatz zu "Ein liebender Mann" (Goethe 67, die Dame 19) hat die Protagonistin Susi Gern hier einen 38 Jahre jüngeren Liebhaber aus Marokko.
    Nun wollte ich unbedingt wissen, ob es die Susi wirklich gab und bin auf dieses Zeit-Interview gestoßen:
    Ich war Walsers Susi. DAS ist allerdings mindestens genauso schräg.
    Aber ich mag schräge Sachen.

  • und bin auf dieses Zeit-Interview gestoßen:

    Danke, ist interessant.
    "Schräge" Geschichten mag ich nur dann, wenn sie gut erzählt sind. Darin ist der Martin Walser allerdings meist große Klasse. :wink:

  • Ich bin bekennender Walser-Fan. Vor ein paar Jahren habe ich ihn bei einer Lesung aus "Das dreizehnte Kapitel erlebt. Wer sich dafür interessiert, kann den Bericht hier nachlesen.


    Von meinen 17 Walser-Romanen im Regal habe ich 8 gelesen und sie recht unterschiedlich bewertet. "Tod eines Kritikers" war in meinen Augen nur eine kleinliche Abrechnung mit Marcel Reich-Ranicki, der kurz zuvor einen seiner Romane verrissen hatte; so etwas hätte ein Literat von Walsers Format eigentlich nicht nötig.
    "Mein Jenseits" und natürlich "Ein fliehendes Pferd" mochte ich sehr gern.


    Vor allem imponiert mir seine Art, präzise mit der Sprache umzugehen. Zusammen mit Günter Grass und Siegfried Lenz gehört Walser für mich zu den großen zeitgenössischen deutschen Autoren.

    1. Verlag: Berlin University Press ein Imprint von Verlagshaus Römerweg


    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich bin bekennender Walser-Fan. Vor ein paar Jahren habe ich ihn bei einer Lesung aus "Das dreizehnte Kapitel erlebt. Wer sich dafür interessiert, kann den Bericht hier nachlesen.


    Von meinen 17 Walser-Romanen im Regal habe ich 8 gelesen und sie recht unterschiedlich bewertet. "Tod eines Kritikers" war in meinen Augen nur eine kleinliche Abrechnung mit Marcel Reich-Ranicki, der kurz zuvor einen seiner Romane verrissen hatte; so etwas hätte ein Literat von Walsers Format eigentlich nicht nötig.
    "Mein Jenseits" und natürlich "Ein fliehendes Pferd" mochte ich sehr

    Tatsächlich jemand unter uns, der ihn persönlich erlebt hat. Ein sehr interessanter Bericht.


    Die Inhaltsangabe von "Mein Jenseits" ist jetzt die erste, die ich lese, in der der Glaube vordergründig eine Rolle spielt. Auch hier die Protagonistin 18 Jahre älter als ihr Ehemann. Altersunterschiede in der Liebe kommen bei ihm recht häufig vor, wie mir scheint.


    @Marie: Weisst Du noch, welches Buch es war, das M. R.-R. so zerrissen hatte?

  • Weisst Du noch, welches Buch es war, das M. R.-R. so zerrissen hatte?

    Erinnern kann ich mich nicht mehr, aber ich habe ein bisschen herumgeforscht und bin auf diesen kurzen Artikel gestoßen, nach dem es dieses Buch gewesen sein muss. Ich kenne es noch nicht.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Auch im Hamburger Abendblatt lässt sich eine Kritik von Marcel-Reich-Ranicki nachlesen. Das war lange Zeit eine sehr unschöne Angelegenheit zwischen diesen beiden Personen.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter