Christoph Poschenrieder - Mauersegler

  • Klappentext:
    Fünf Männer gründen eine Alten-WG in einer Villa am See. Zusammen wollen sie die verbleibenden Jahre verbringen, zusammen noch einmal das Leben genießen. Für den letzten – selbstbestimmten – Schritt zählen sie auf die Hilfe der Mitbewohner. Denn es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie und mit wem man alt wird.


    Meine Meinung:
    Fünf Freunde reloaded - eigentlich gehörte noch ein sechster Junge zur Clique: Martin, der bei einem Unfall starb. Seither treffen sich die Freunde jedes Jahr an seinem Todestag. An einem dieser Abende kommen sie auf die Idee ihre letzten Lebensjahre gemeinsam zu verbringen, denn in der Kindheit waren Wilhelm, Heinrich, Ernst, Siegried und Carl unzertrennlich. Die Jungs wuchsen zu erfolgreichen Männern heran - sie wurden Jurist, Nudelhersteller, Softwareentwickler, Theaterregisseur und Journalist. Verliebt, verheiratet, geschieden. Sie haben alles durch, "nur" noch den allseits bekannten Lebensabend vor sich. Wieso also nicht zusammen ziehen? Gesagt, getan.
    Zuerst fühlen sich die aktiven Senioren fast ein wenig wie kleine Jungs, die sturmfrei haben. Doch dann tauchen die ersten Gesundheitsprobleme auf. Wilhelm sitzt bald schon im Rollstuhl, und das Leben wird für alle um einiges komplizierter. Trotz Bedenken beschliessen sie, sich gegenseitig zu helfen, wenn einer von ihnen nicht mehr leben mag. Daraufhin tüftelt Ernst ein Todesengelprogramm aus.


    Von diesem Todesengelprogramm wäre Margrit aus den "drei alten Damen" von Minna Lindgren begeistert gewesen. Und auch sonst hätte den drei Damen das Leben in der Herren-WG sehr gut gefallen. Leider ist solch ein Leben nur mit viel Geld machbar, und genau das ist der Haken an diesem Roman. Aber es ist der einzige Haken.


    Oberflächlich heiter und oft mit schwarzem Humor versehen, wird das Zusammenleben mit all seinen Höhen und Tiefen beschrieben.
    Dennoch hört man ernste Töne heraus: Darf ich überhaupt? Soll ich wirklich? Nachvollziehbare Zweifel, besonders im Zusammenhang mit selbstbestimmtem Sterben, werden erörtert.
    In einer humorvollen Leichtigkeit entwickelt der Autor dann eine Lösung, ein Resümee, wie es sein könnte, wenn wir den Zenit unserer Zeit überschreiten. Toll erzählt!


    Mein erster Poschenrieder, aber nicht mein letzter.


    Fazit:
    Fünf Freunde reloaded - ein heiterer, ideenreicher und dennoch nachdenklicher Roman über Männer, die ihren Lebensabend mit allem Pro und Contra zusammen verbringen.
    4 Punkte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Original : Deutsch, 2015


    Ich schliesse mich weitestgehend den Äußerungen von talisha an. Ob es allerdings einen « einzigen Haken » gibt, oder nicht eingebaut einige andere Stolpersteine ? Ist es allein ein Roman über « das Ende » und dem hier genannten Todesengelprojekt als installiertes Programm, einander bei Hinübergang auf Wunsch zu helfen ? Wenn ja, so versteckt sich hinter dem Galgenhumor und den nur scheinbar klaren An- und Aussagen doch tiefergehende Fragen. Diese Verbindung von Flaksigkeit und Tiefe gefällt mir. Ob ich mit eventuellen « Fehlschlüssen » ganz einverstanden bin sei dahingestellt : sprachlich ist das Buch echt auf gutem Niveau und bescherte mir eine Autorenentdeckung. Philosophisch verankern könnte man den herrschenden Geist wohl bei Schopenhauer, der öfter zitiert wird. Für Poschenrieder sicherlich eine Bezugsfigur, die er auch im Roman « Die Welt ist im Kopf » hervorholt.


    Aber es geht wohl nicht nur um das Ende : der sechste im Bunde, der jung verstorbene Martin, ist präsent und prägt so oder so wohl auch das Miteinander der Kumpanen. Die allerdings schon reichlich privilegiert dastehen : das auf einem Haufen ? Alles zufällige Freunde ? Nun ja. Ich-Erzähler dieser 51 Kapitelchen (es folgt ein kurzer abschliessender Anhang) ist einer der Fünfe, Schreiberling Carl. Die erzählte Zeit geht – von der Rückerinnerung an den jungen Martin mal abgesehen – grob gesehen von der letzten Legislaturperiode Kohls bis weit in die Merkeljahre hinein. Verorten kann man den Roman, bzw die Alten-WG, am Ufer des Starnberger Sees.


    Auch von mir eine Leseempfehlung an die « üblichen Verdächtigen »...


    « The proof of the pudding is in the eating. »


    AUTOR:
    Christoph Poschenrieder (* 1964 bei Boston) ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Heute lebt er in München. Poschenrieder studierte an der jesuitischen Hochschule für Philosophie München und besuchte die Journalistenschule an der Columbia University, New York. Seit 1993 arbeitet er als freier Journalist und Autor von Dokumentarfilmen.