Claire Fuller - Eine englische Ehe/Swimming Lessons

  • Gil Coleman, Schriftsteller und leidenschaftlicher Büchersammler (fast könnte man schon Bücher-Messie sagen), stöbert gerade wieder einmal in der örtlichen Buchhandlung, als er glaubt, er habe gerade Ingrid vorbeigehen sehen. Ingrid, seine Frau, die seit zwanzig Jahren verschollen ist, die ihn damals mit den zwei Töchtern alleine zurückließ, deren Verbleib nie geklärt werden konnte. Außer sich verlässt er den Laden, um die Frau zu suchen, doch er stürzt und verletzt sich schwer; die Frau ist weg.


    Weil er wegen der Unfallfolgen vorerst nicht alleine leben kann, reisen seine Töchter auf die Insel, und es kommt, wie es kommen muss, die alten Konflikte und unverarbeiteten Probleme brechen sich neue Bahn.


    In Briefen, die Ingrid kurz vor ihrem Verschwinden an Gil geschrieben und in diversen Büchern versteckt hat, wird parallel dazu die Vorgeschichte deutlich: Mitte der 70er Jahre kommt die Norwegerin Ingrid zum Studium nach England und verwickelt sich in eine Affäre mit Gil, ihrem Professor, eine stürmische Angelegenheit mit vielen Aufs und Abs.


    Als Ingrid ungeplant schwanger wird, heiraten die beiden und ziehen in ein Häuschen auf einer Insel im Süden, einen zum Wohnhaus umgebauten früheren Badepavillon. Nach der Geburt ist Ingrid mit dem Baby mehr oder weniger auf sich gestellt, Gil zieht sich in sein "Schreibzimmer" in einem Nebengebäude zurück und beteiligt sich kaum am gemeinsamen Leben.


    Das geht in den darauffolgenden Jahren so weiter, und Ingrid fragt sich immer öfter, ob das jetzt alles war - Kinder, Alltag, nicht mal ein abgeschlossenes Studium und nur wenig Anerkennung von ihrem Mann. Trost findet sie nur beim Schwimmen im Meer, und selbst das nimmt ihr Gil manchmal krumm, während er sich nach wie vor ins Schreiben und in seine Bücher flüchtet.


    Das Buch beginnt vielversprechend mit dem Satz "Gil Coleman blickte aus dem Fenster der Buchhandlung im ersten Stock und sah seine tote Frau unten auf dem Gehweg", der die Neugier weckt und Appetit auf eine ungewöhnliche Familiengeschichte macht. Auch der Aufbau des Buches, in dem sich die auktorial erzählte Gegenwartshandlung mit Ingrids Briefen, in denen sie ihre eigene Geschichte schildert, abwechseln, ist geschickt gewählt. Bei den Colemans wirkt sich die Vergangenheit besonders stark in die Gegenwart hinein aus.


    Mit den Personen warmzuwerden fällt allerdings recht schwer. Insbesondere Flora, die jüngere Tochter, aber auch Ingrid und Gil sind spröde und schwer fassbar, ihre Beziehung zu anderen sind nicht ohne Gefühle und Leidenschaften, aber durch die Bank verkorkst und manchmal sogar regelrecht ungesund. Selbst die Anfänge von Gils und Ingrids Studentin-Professor-Affäre kommen seltsam freudlos und humorlos daher, und Ingrids weiteres Leben ist auch weitgehend trostlos, sie verliert sich selbst, während sie auf der Insel quasi festsitzt und von ihren Mutterpflichten und düsteren Gedanken erdrückt wird.


    Die Figuren erscheinen oft überspannt, tun Dinge, die kaum nachzuvollziehen und spürbar auf "Merkwürdigkeit" hin konstruiert sind: Flora malt ihrem Freund mit Edding ein Skelett auf die Haut, das er tagelng nicht abwäscht; Ingrid versteckt ihre Briefe in Büchern, statt sie Gil zu geben; Flora läuft ständig in einem alten Ballkleid herum, das mal ihrer Mutter gehört hat ... Für mich war das zuviel des Guten bzw. Seltsamen und dem Gesamteindruck des Buches ziemlich abträglich.


    Bei aller Kritik hat mich das Buch aber trotzdem bei der Stange gehalten, weil ich wissen wollte, was wirklich mit Ingrid passiert ist und weil es in beiden Handlungssträngen einige überraschende Wendungen gab. Am Ende war ich dann auch halbwegs versöhnt.


    Eine Extra-Erwähnung verdient das schlicht-schöne Cover und das in hübschem Wellenmuster gehaltene Vorsatzblatt.


    Die Übersetzung hingegen hat mich oft geärgert, hier wurde viel zu viel wörtlich übersetzt, im Deutschen unübliche Begriffe verwendet (es heißt Fruchtblase, nicht Fruchtwasserblase) oder ganz falsch übersetzt. Und kein Mensch sagt in einem alltäglichen Familiengespräch "Mobiltelefon" :roll: Ich habe mich immer wieder gefragt, ob mir das Buch im Original nicht vielleicht um einiges besser gefallen hätte, wenn mir nicht ständig solche sperrigen Stellen das Lesen verleidet hätten.

  • "Eine englische Ehe" ist die Geschichte einer Frau, die sich in jungen Jahren in ihren Literaturprofessor verliebt. Schon in der Anfangszeit ist das unglückliche Ende vorhersehbar. Gil verhält sich wenig gentlemanlike, was Ingrid auch bewusst ist. Sich selbst möchte sie beweisen, dass sie ihn halten kann...und ihn dann im passenden Moment abservieren. Doch sie bleibt bei ihm und als sie schwanger wird, ist an ein Ende der Beziehung nicht mehr zu denken. Ingrid lebt kein glückliches Leben. Sie schafft es nicht eine Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen und verhält sich so, wie es von einer liebenden Mutter erwartet wird. Nicht aus Instinkt, sondern aus Pflichtgefühl und um die Erwartungen zu erfüllen. Dass ihr Mann sie mehrfach betrügt und mit ihren Problemen alleine lässt, verschlimmert die Situation zudem. Dann verschwindet sie spurlos.


    Zwölf Jahre später glaubt Gil seine Frau gesehen zu haben. Die Töchter Flora und Nan gehen unterschiedlich mit der Situation um. Während Nan, die Ältere, nicht an das Hirngespinst des Vaters glaubt, beginnt Flora zu hoffen, dass ihre Mutter wirklich wieder auftauchen könnte.


    Die Geschichte ist in zwei Teile, welche sich regelmäßig abwechseln, aufgeteilt. Das Heute, das größtenteils aus Floras Sicht beschrieben wird und vor allem die Probleme von Flora und Nan behandelt: Bindungsangst, die unterdrückte Sehnsucht nach der Mutter, das Zweifeln am Vater. Ingrids Geschichte wird von Ingrid selbst in Briefform erzählt. Kurz vor ihrem Verschwinden schrieb sie Briefe an ihren Mann, welche sie in dessen zahlreichen Büchern versteckte. Die Briefe beginnen mit der Zeit des Kennenlernens und gehen bis zu ihrem Verschwinden. Hierdurch erfahren wir ihre Geschichte. Beschrieben wird eine zunächst hoffnungsvolle, später hoffnungslose Frau, die zahlreichen Demütigungen ausgesetzt war.


    Der Schreibstil der Autorin ist mitreißend und angenehm zu lesen. Die Geschichte selbst zog mich schnell in ihren Bann und ich war gespannt, mehr von der Verschwundenen zu erfahren. War sie wirklich wieder aufgetaucht? Oder ist ihr Wiederauftauchen das Hirngesprinst eines trauernden und bereuenden Mannes? Vor allem die Perspektivenwechsel erhielten die Spannung aufrecht. Die Briefform aus Ingrids Perspektive hat mir hierbei besonders gefallen.


    Fazit: Eine mitreißende Geschichte einer unglücklichen Frau und einer Ehe, die vermutlich keinem der beiden Partner gut getan hat. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, auch weil es mich ein wenig an Meg Wolitzers "Die Ehefrau" erinnerte.

  • Ich gehe selten auf Cover oder den Titel eines Buchs ein, aber hier sind sie der Grund, warum ich das Buch gekauft habe. Für mich zeigt das Cover Ingrid an dem einzigen Platz, an dem sie sich wohl fühlte. Den deutschen Titel kann ich nicht nachvollziehen. Soll er eine typisch englische Ehe andeuten? Das hoffe ich nicht. Denn auch wenn sie einen Ehemann und Töchter hatte, war Ingrid in dieser Ehe allein. Gil wollte sie haben und nachdem er bekommen hat, was er wollte, hat er sie gefühlt wie eine Trophäe ins Regal gestellt und sich nicht mehr um sie gekümmert.


    Ich weiß nicht, was ich von dem Buch erwartet habe, aber das sicher nicht. Nicht die Geschichte einer Frau, die heiratet, ohne wirklich zu wissen, ob sie ihren Partner liebt und die nicht weiß, wie es für sie weitergehen soll. Auch nicht die Geschichte von Schwestern, die in dieser Umgebung aufwachsen. Was das mit ihnen gemacht hat, kann man in ihrem Umgang miteinander sehen.


    Ich fand Ingrids Geschichte schwierig zu lesen, aber ich glaube auch nicht, dass sie unrealistisch ist. Wer weiß, was sich hinter einer scheinbar perfekten Fassade verbirgt? Dass sie die Briefe schreibt, kann ich gut nachvollziehen, denn mit Gil zu reden ist ihr nicht möglich gewesen. Sie in Büchern zu verstecken, damit er sie später findet, kommt mir dagegen ein bisschen wie nachzutreten vor und so schätze ich Ingrid nicht ein.

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