Elias Canetti - Der andere Prozeß. Kafkas Briefe an Felice

  • Der Autor: Elias Canetti
    Titel: Der andere Prozeß. Kafkas Briefe an Felice, erschien erstmals 1969
    Seiten: 112 Seiten, in zwei etwa gleich großen Teilen
    Verlag: Carl Hanser
    ISBN: 9783446140042


    Der Autor:
    Elias Canetti (geboren 1905 in Russe, Bulgarien, und gestorben am 14. Aug 1994 in Zürich) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, der zudem 1981 den Literaturnobelpreis erhalten hat. Er entstammt einer wohlhabenden, jüdischstämmigen Kaufmannsfamilie und musste in seiner Kindheit und Jugend häufig umziehen (Bulgarien, Wien, Berlin, Frankfurt, London). Seine schriftstellerische Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich: so hat er den Roman „Die Blendung“ geschrieben, Dramen verfasst, eine mehrbändige Autobiographie, sowie Aufzeichnungen und Studien (bspw Masse und Macht) veröffentlicht. Canetti starb 1994 in Zürich. Seinen Nachlass hat er der Zentralbibliothek in Zürich vermacht, darunter seine 20.000 Bände fassende Bibliothek. Seine Tagebücher und private Briefkorrespondenz sind bis 2024 gesperrt und erst danach für die Forschung zugänglich.


    Inhalt (Klappentext):
    Elias Canettis bewegender Essay über das leidvolle Verhältnis Franz Kafkas zu Felice Bauer, die "Geschichte eines fünfjährigen Sich-Entziehens", steht in der großen Tradition der physiognomischen Versuche. Ausgehend von dem Briefwechsel zwischen Kafka und Felice untersucht Canetti Schritt für Schritt das tragische Scheitern dieser Beziehung, die mit einer widersinnigen Verlobung und deren Auflösung durch eine Art Familiengericht endete.


    Meinung:
    1967 erschienen die Briefe Franz Kafkas an Felice Bauer. Von ihrer ersten Begegnung am 13. August 1912 bei Max Brod über fünf Jahre hinweg bis zu Kafkas Ausbruch der Tuberkulose hatten die beiden einen regen Briefwechsel. Elias Canetti hat die Briefe gelesen und daraufhin den vorliegenden Essay geschrieben.
    Sicherlich muss man eine ordentliche Portion Interesse an Franz Kafka mitbringen, um diesen Bericht über Kafkas Beziehung zu Felice Bauer und die Parallele zum Entstehungsprozess von Kafkas Geschichten zu lesen. Canetti analysiert anhand von Zitaten aus den Briefen, weist auf die Motive und «Machtverhältnisse» in dieser ungewöhnlichen Beziehung hin, vergleicht Situationen aus Kafkas zur gleichen Zeit entstandenen Werken mit den Dialogen, die dieser mit Felice und deren Freundin Grete Bloch schrieb, er zeigt die «produktiven Phasen» und die Ambivalenz in Kafkas Beziehung und in seiner generellen Lebenssituation.
    So sehr ich auch Elias Canetti schätze, seine Texte sind keine unterhaltsamen Pageturner. Man muss sich Zeit nehmen, Interesse mitbringen und die gleichen Situationen in immer wieder anderen Perspektiven betrachten wollen. Die Briefe Kafkas muss man nicht bereits gelesen haben, aber seine Romanfragmente und Kurzgeschichten zu kennen, hilft bei der Lektüre dieses Aufsatzes immens. Wer allerdings vorgewarnt ist und sich darauf einlassen möchte, der findet hier eine gehaltvolle Analyse, nicht nur zur Person Kafkas, dessen Beziehung zu Felice Bauer und der Parallele zu seinen Werken (insbesondere «Der Prozess»), sondern auch zu damaligen (Liebes-)Beziehungen allgemein.
    Persönlich war ich allerdings von Kafkas ständiger weinerlichen Klage, seinen Gefühlsschwankungen, seinem geringen Selbstbewusstsein und seiner Eifersucht anderen Schriftstellern gegenüber genervt. Keine Ahnung, wie Felice das aushalten konnte. Es war interessant, aber die Briefe selbst als auch eine Biographie Kafkas werde ich sicherlich nicht mehr lesen wollen.

  • Kafkas Briefe habe ich vor zig Jahren gelesen, Canettis Buch kenne ich (noch) nicht, obwohl ich es hier kurz erwähnt habe. Vermutlich hatte ich das Zitat damals in einem meiner x Bücher über Kafka oder den Interpretationen seiner Werke gefunden. :-?


    Ich freue mich immer, wenn Kafka hier im Forum erwähnt wird, egal in welchem Zusammenhang. Danke, @Nungesser. :lol:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank für diese echt interessante Vorstellung!


    Ich schliesse mich auch Marie an: ich höre stets auf, falls ich was über Kafka lese. Es gibt wohl nicht sehr viele Schriftsteller, die noch mehr an Sekundärliteratur bewirkt haben...


    Ja, ich las verschiedene Briefkorrespondenzen von Kafka (es gibt da ja auch noch die Milena zB). Und auch wenn Du, Nungesser, sehr recht hast, dass manches Selbsterniedrigende oder Weinerliche dabei sein mag, so erhellen diese Briefe ungemein das Verständnis der Werke, finde ich. Natürlich würde ich ebenfalls eher als Lektüre einschätzen nachdem man das Werk von Kafka gut kennengelernt hat.