Robert Harris - Konklave / Conclave

  • Worum es geht
    Der Papst ist unerwartet verstorben, und auch diesmal setzt sich wenige Wochen nach seinem Tod die jahrhundertealte „Heilige Maschinerie“ in Gang.
    118 Kardinäle aus aller Herren Länder ziehen sich unter Leitung des Dekans, Kardinal Lomeli, in die Sixtinische Kapelle zurück. Hier wollen sie unter Michelangelos grandiosem Jüngsten Gericht, inspiriert vom Heiligen Geist und abgeschlossen von allen weltlichen Einflüssen, einen der ihren zum neuen Stellvertreter Christi auf Erden ernennen.
    Doch nicht alle Kirchenmänner sind aufrechte Streiter um das schwierige Amt. Während den einen Hoffnungsträger moralische Verfehlungen disqualifizieren, versucht ein anderer mit unlauteren Methoden die Wahl zu manipulieren.
    Konfliktpotential gibt es aber nicht nur innerhalb des Konklaves, auch außerhalb der vatikanischen Mauern scheint die Welt zunehmend aus den Fugen zu geraten.


    Wie es mir gefallen hat
    Der Einstieg in den Roman ist mit dem plötzlichen Tod des Papstes ja noch recht unspektakulär, aber bereits vor dem Beginn der Wahl gewinnt die Handlung an Dynamik, und entführt den Leser in eine ganz eigene und geheimnisvolle Welt.
    In erste Aufregung wird der Dekan durch die Nachricht versetzt, dass einer der am Konklave teilnehmenden Kardinäle noch kurz vor dem Tod des Papstes aller Ämter enthoben worden wäre. Und auch ein völlig unbekannter Amtskollege, der aus Bagdad eintreffende Kardinal Benitez, sorgt für einige Verwirrung.
    Interessant und sehr lebendig schildert der Autor die enge Welt zwischen der Casa Santa Marta, dem Quartier der Gottesdiener während des Konklaves, und der Sixtinischen Kapelle, ihrem Wahlort. Hier müssen sie ohne Kontakt zur Außenwelt ausharren, bis sie einen aus ihrer Mitte auf den Stuhl des Petri erhoben haben. Robert Harris beschreibt die zähe Langsamkeit des Wahlvorganges sehr eindringlich, das Schwören der Eidformel jedes Einzelnen, das Auszählen der Stimmen, die Nennung der Namen, das Auffädeln und anschließende Verbrennen der Wahlzettel, das wiederholte Aufsteigen des schwarzen Rauches. Im Laufe der Zeit beginnen sich jedoch Favoriten herauszukristallisieren und damit ändert sich auch die Atmosphäre. Knisternde Spannung wird spürbar, Empfehlungen werden abgegeben, Hoffnungen geschürt und Zweifel verbreitet.
    Kardinal Lomeli hat neben seinen organisatorischen Aufgaben aber noch ganz andere Sorgen. Wie soll er das Konklave in die von Gott gewollte Richtung lenken, wenn der verstorbene Papst womöglich Beweise für die kriminellen Machenschaften eines seiner Schäfchen hatte? Und wer ist überhaupt der richtige Kandidat für das schwere Amt?
    Die charakterliche Darstellung der wenigen Kardinäle, die aus der Masse hervortreten, fand ich vortrefflich gelungen, wirken sie doch in ihrem irdischen Ehrgeiz mit all ihren weltlichen Eitelkeiten sehr authentisch.
    Stilistisch konnte mich Robert Harris ebenfalls überzeugen. Der Roman liest sich sehr flüssig, die Dialoge klingen glaubhaft, lassen aber auch auf die oft phrasenhaft anmutende Ausdrucksweise der Gottesmänner schließen.
    Auf erstaunlich glaubwürdige Art und Weise geht der Autor an die Lösung sämtlicher offener Fragen heran, nur am Ende hat er meiner Meinung nach dann doch etwas zu dick aufgetragen.
    Mir hat der Roman trotzdem sehr gut gefallen, spricht er doch viele aktuelle und zukünftige Probleme einer Kirche an, die gut daran täte sich in gewissen Bereichen neu zu erfinden, wenn sie weitere 2000 Jahre Bestand haben will.

  • Danke, Sylli!


    Ich weiß nicht, wie andere nach dieser Meinung empfinden, doch ich fand es hilfreich, vor einigen Wochen dieses Interview mit Harris zu lesen: http://www.zeit.de/2016/48/rob…ligion-konklave-interview Man könnte schon "herauslesen", dass er nicht einfach ein Negativbild entwerfen wollte. Er fand bei seinen Recherchen im Vatikan viel Verständnis und konnte so manches einsehen.


    Vielleicht nehme ich mir das Buch in den Urlaub mit? Unter einigen (auch gläubigen) Bekannten hat das Buch ein sehr gutes Echo gefunden!

  • Danke für den Link, tom leo!

    dass er nicht einfach ein Negativbild entwerfen wollte

    Das tat er auch nicht. Ich denke, dass er die Handlung (bis auf den Schluss) doch in einem realistischen Rahmen angesiedelt hat.

    Vielleicht nehme ich mir das Buch in den Urlaub mit?

    Das ist sicher eine gute Idee, und damit hast Du die Lektüre auch ganz richtig eingeschätzt. Nichts Weltbewegendes und doch liest man mit einigem Vergnügen vor sich hin.

  • Ich habe das Buch auch im letzten Monat gelesen und fand es einfach toll. Ein herrlich unaufgeregter aber schon auch spannender Krimi auf dem Hintergrund einer jahrhunderte alten Tradition, der Papstwahl. Gut recherchiert, angefüllt mit interessanten Charakteren, allen voran den Hauptprotagonisten Kardinal Lomelli, den ich sehr sympatisch fand. Es ist kein Buch, das sich kämpferisch kritisch mit der katholischen Kirche auseinandersetzt, es ist eher ein Buch der leisen Töne, das reformerische Tendenzen und Zweifel innerhalb der Kirche aufgreift und somit an der Kruste kratzt.
    Ich habe es wirklich gerne gelesen und vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Das Interview mit Harris ist ebenfalls sehr interessant zu lesen und bestätigt den Eindruck, den ich von seinem Buch habe.

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Das Wort „Konklave“ kommt übrigens aus dem Lateinischen von cum clavis = mit Schlüssel, meint also einen verschlossenen Raum.


    Seit ich im Jahr 2004 die beiden Vatikan-Thriller „Illuminati“ von Dan Brown und „Der Judasfluch“ von Scott McBain gelesen habe, die beide von historischen, kirchenrechtlichen und theologischen Fehlern strotzen, hatte ich mir geschworen, mit dem Genre abzuschließen und habe meinen Schwur gehalten, bis @Sylli mit diesem Buch kam. Trotzdem: Die Skepsis blieb erst einmal.


    Doch sie war unbegründet. Zum einen hat Harris es geschafft, der katholischen Kirche, ihren Strömungen und Riten nicht mit roher oder lauter Kritik zu begegnen, sondern lässt die Handlung für sich sprechen, bzw. verfolgt sie aus Lomelis Augen.
    Anfangs wird man zwar von der Figurenvielfalt beinah erschlagen, aber nur wenige von ihnen stehen im Fokus, und diese sind charakterlich und in ihren Aufgaben genauer gezeichnet. Vermutlich hat sich Harris an realen Personen orientiert, wenn er z.B. einen (ansonsten durchaus sympathischen) heißen Anwärter auf den Thron, einen nigerianischen Kardinal als Schwulenhasser darstellt, s. hier. Und für diejenigen, die ihre Domizile wie Paläste ausstaffieren oder Gelder in der Welt nicht immer zu christlichen Zwecken umherschieben, gibt es leider auch genügend Vorbilder.
    Eigentlich besitzt so ein Konklave ein langweiliges Procedere. Vereinfacht gesagt: Es wird solange abgestimmt, bis einer eine Zweidrittel-Mehrheit bekommt. Harris erzählt diese sich ständig wiederholende Prozedur ohne dass der Leser sich allzu langweilt.
    Die Phasen zwischen den Wahlgängen, das Geschacher, die Lobbyisten- und Intrigen-Feilscherei, alles nicht anders als in der großen und kleinen Politik. Nur verbrämt mit dem Heiligen Geist, von dem man sich, wie behauptet, führen lässt.


    Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn das Ergebnis der Wahl vorhersehbar ist. Doch dann kommt der Schluss. Und man fragt sich: Warum? Fiel Harris nichts Besseres ein? Warum musste er dicker als dick auftragen?


    Lomelis Verhalten erscheint unlogisch:


    Oder wollte Harris auf diesem Weg


    Am Ende bleibt nur noch, Papst Franziskus ein langes Leben zu wünschen, damit die Welt noch eine Zeitlang von diesem an und für sich unwürdigen Spektakel verschont bleibt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Nun hatte ich dieses Buch tatsächlich mit in den Urlab genommen und eigentlich mit grosser Spannung gelesen. Trotz des erwähnten etwas zu dick aufgetragenen Endes bleibt es auf einem doch oft glaubwürdigem Niveau. Wie Marie erwähnt, entdeckt man bei ein wenig Kenntnis tatsächliche Sachverhalte oder gar Personenähnlichkeiten...


    Lomelli erschien auch mir als sympathisch, und eigentlich nicht nur das. Hinter dieser und jener formelmässig erscheinenden Phrase steckt doch bei ihm auch eine authentische Suche. Wer will findet hier bei Harris manchmal ziemlich überraschende und mE gute Einsichten in innere Kämpfe und "spirituellere" Fragestellungen als es eben bei den von mir abgelehnten sonstigen Vatikanthrillern der Fall ist. Man erkennt da dann doch meist einen respektvolleren Umgang mit den Gegebenheiten.


    Insgesamt gesehen also für mich eine (sehr) gute Urlaubslektüre, die ich nicht bereue!

  • Gestern habe ich das Hörbuch zu Ende gehört. Ich bin etwas unschlüssig, was meinen Eindruck angeht.


    Einerseits fand ich die Story um Lomeli gut von Harris erzählt, ebenso gut von Frank Arnold gelesen und durchaus interessant, was die Einzelheiten einer Papstwahl angeht. Andererseits hat es mich aber auch wieder streckenweise gelangweilt, wenn Harris zu sehr in die Details ging, denn ich wollte ja kein Seminar zum katholischen Kirchenrecht absolvieren. Manche Schilderungen und Charaktere erscheinen mir doch allzu klischeehaft (ich komme aus dem katholischen Milieu), ohne jedoch bestreiten zu wollen, dass vieles auch sicher so anzutreffen ist, wie vom Autor beschrieben. Es ist eine Gratwanderung zwischen "Vorurteile bedienen" und "Finger auf den wunden Punkt legen", die Harris meines Erachtens nicht durchgehend gelingt.


    Ein Minuspunkt für mich ist, dass ich das Buch von vorn bis hinten alles andere als spannend fand. Es war nette Unterhaltung beim Bügeln, Kochen und anderen Tätigkeiten, aber gefesselt hat es mich in keinem Augenblick. Und das Ende ist einfach nur völlig überzogen. Harris wollte seinen Roman wohl mit einem lauten Knall enden lassen, löst aber bei mir damit nur ein genervtes Aufseufzen und die Frage aus, aus welchem angestaubten Ideenfundus er diesen Einfall wohl hervorgezerrt hat.


    Ich habe von Robert Harris bereits einiges gelesen, das ich erheblich gelungener und spannender fand, beispielsweise" Enigma" (von dem ich immer noch begeistert bin) oder auch die Cicero-Reihe. Mit "Konklave" ist ihm meiner Meinung nach kein neuer großer Wurf gelungen, schon gar kein Thriller, sondern nur mittelmäßig gute Unterhaltung. Nicht wirklich gut, nicht wirklich schlecht, und in vier Wochen schon wieder vergessen.

  • Ich teile hier wohl die Meinung von vielen: Harris schafft es, das dröge Thema "Konklave" für den Leser interessant zu machen.
    Etwas weniger Vorhersehbarkeit wäre zwar schön gewesen, aber trotz allem schafft es das Buch den Leser bei der Stange zu halten - sei es auch nur deshalb, damit man erfährt wie der Autor zum vermuteten Ende gelangen wird.


    Leider teile ich aber auch die Meinung zum Schluss: Der ging total in die Hose und passt überhaupt nicht zum restlichen, durchaus realistischen Buch. Wobei ich auch das Schlüsselereignis, dass zur letztendlichen Wahl führt, schon etwas konstruiert fand...

  • Auch mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, es war mein erster von Richard Harris. Die Thematik rund um das geheimnisumwobene Thema "Konklave" fand ich schon immer ziemlich interessant und ich denke, dass der Autor dies gut umgesetzt hat. Ich hätte sogar fast die Höchstnote gegeben weil es sehr spannend war und weil es sich absolut flüssig lesen ließ, aber das dick aufgetragene Ende hat mich dann doch etwas gestört und damit meine ich nicht nur, dass

    sondern auch einige andere Details, z.B. dass

    Das wird nicht mein letztes Buch von Harris gewesen sein.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Die Idee fand ich sehr spannend und nachdem ich seine Cicero Romane gelesen hatte, habe ich mir dann Konklave angeschaut.

    Mit Religion an sich kann ich nicht viel anfangen, aber selbst ich kann mich nicht so ganz dem mystischen Aspekt entziehen, der allen Religionen inne wohnt.

    Der Vatikan hat jedenfalls etwas geheimnisvolles an sich und wer von uns würde nicht gern einmal Mäuschen spielen, bevor der weiße Rauch aufsteigt?

    Und dieser spekulative Blick, hinter die Kulissen, ist Harris ganz gut gelungen, wie ich fand!

    Ein bisschen Bedenken hatte ich ebenfalls, mit zu viel Religionskritik gelangweilt zu werden, oder mit ausufernden Riten und Anekdoten. Aber die waren unbegründet.

    Zu sagen das Harris hier einen spannenden Roman verfasst hat, wäre sicher zu viel!


    Aber er hat, wieder einmal, etwas geschafft, was mich sehr fasziniert und was ich sehr gern habe.

    Einen Plot der im Prinzip so vor sich hin plätschert und trotzdem nicht langweilt. Er bekommt den Bogen irgendwie immer noch rechtzeitig und vergisst dabei auch nicht, seine Hauptfigur, die sehr sympathisch auf mich wirkte.

    Dieser Lomeli ist ein kein weltfremder und abgehobener Dogmatiker, aber eben auch kein reiner Befehlsempfänger. Sondern ein Mensch mit Schwächen, Träumen und Wünschen.

    Ich würde "Konklave" so in die Kategorie "nette kleine Geschichte" einordnen, obwohl das wahrscheinlich ein wenig unfair ist und der Sache nicht ganz gerecht wird.

    Das auch Harris meine eigentliche Neugierde nicht ganz befriedigen kann, ist ihm natürlich nicht vorzuwerfen.

    Denn selbstverständlich kann auch er nur spekulieren, was sich hinter den Kulissen zuträgt.


    Alles in allem habe ich Konklave gern gelesen!

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor