Isabelle Autissier - Herz auf Eis / Soudains, seuls

  • Das junge Paar Ludovic und Louise haben sich ein Segelboot gekauft und auf den Namen „Jason“ getauft. Ludovic überredet Louise, ein Sabbatjahr zu nehmen und diese Zeit für eine Reise mit dem Boot um die Welt zu nutzen, sich mal den Wind um die Nase wehen und ihre Heimat Paris hinter sich zu lassen. Der Segeltörn beginnt ohne Probleme und langsam entspannt sich auch Louise und genießt die gemeinsame Zeit mit Ludovic allein auf dem Wasser. Dabei sind die beiden allerdings etwas zu sorglos, denn sie laufen ein Naturschutzgebiet fernab vom normalen Schiffsverkehr an, wo kurze Zeit nach ihrer Ankunft ein Sturm tobt und mit seiner Wucht das Boot zerstört. In dem Gedanken, dass niemand weiß, wo sie sich gerade aufhalten, müssen sie sich nun den Elementen und auch sich selbst stellen, denn sie haben keinen weiteren Kontakt zur Außenwelt. Die Nahrungssuche wird lebensnotwendig, aber auch der Überlebenswille selbst. Unterschlupf finden sie in einer alten Walfangstation aus den 50er Jahren. Wie wird es ihnen ergehen, werden sie doch noch gefunden und gerettet?


    Isabelle Autissier, selbst bekannt dadurch, dass sie als erste Frau 1991 ganz allein die Welt mit einem Segelboot umrundet hat, legt mit ihrem Buch „Herz auf Eis“ einen sehr emotionalen, spannenden und fesselnden Roman vor, der den Leser durch die gesamte Klaviatur der Gefühle jagd. Man findet sich nackter Angst, Wut, regelrechter Panik und Hassgefühlen gegenüber ebenso wie Verzweiflung, Selbstaufgabe, Schwäche und gegenseitigen Vorwürfen bis hin zur Gewalt. Der Schreibstil ist von Beginn an packend, leicht düster und atmosphärisch dicht. Dabei ist auch besonders zu erwähnen, dass die Autorin mit besonderem Fingerspitzengefühl die psychologischen Aspekte in der zwischenmenschlichen Beziehung zwischen Ludovic und Louise sehr fein herausgearbeitet hat. Todesangst und Überlebenswille sind die Hauptthemen, die sich durch die gesamte Handlung ziehen und durch das sprachliche Können der Autorin dem Leser sehr nahe gebracht wird. Ständig stellt man Überlegungen an, wie man wohl selbst in solch einer ausweglosen Situation reagieren würde, ob man noch fähig und in der Lage wäre, den anderen zu trösten, zu unterstützen oder mitzuziehen. Interessant ist vor allem auch, wie sehr einen solch ein Erlebnis im weiteren Leben prägt und welchen Nutzen man daraus zieht. Ebenso gekonnt wie leicht geht der Autorin die Beschreibung von Landschaften und gewissen Situationen von der Hand, die dem Leser eine großartige Ausgangslage bieten, sich alles sehr genau und gut vorzustellen.


    Die Charaktere sind sehr intensiv ausgestaltet und lassen den Leser schon im Vorfeld Raum für Vermutungen, wie der einzelne von ihnen wohl in Stresssituationen reagieren wird. Ludovic stammt aus reichen Verhältnissen und musste sich nie um irgendetwas sorgen. Es scheint fast so, als fiele ihm alles in den Schoss. Er ist attraktiv und etwas vorlaut, hat die Gabe, Menschen für sich einzunehmen und sie sanft, aber bestimmt zu manipulieren, damit sie genau das tun, was er möchte. Louise ist das Gegenteil von Ludovic, sportlich, dabei eher zurückhaltend und vorsichtig, sie wägt Dinge ab und braucht für ihre Entscheidungen etwas länger. Sie ist dem Charme von Ludovic erlegen und insgeheim wundert sie sich immer noch, dass ausgerechnet sie seine Auserwählte ist. Die beiden Protagonisten sind so verschieden wie Feuer und Wasser, aber gerade das macht den besonderen Reiz in der Handlung aus, denn erst in dieser extremen Situation lernen sie sich wirklich kennen und es werden Dinge offenbar, die sie von dem jeweils anderen nicht wussten oder nie gedacht hätten.


    „Herz aus Eis“ ist zwar ein eher kurzer Roman, doch die Handlung ist so eindringlich und brillant erzählt, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann, obwohl es einige Szenen gibt, die einem selbst fast körperliche Schmerzen oder Entsetzen verursachen. Alle, die intensive und berührende Geschichten mögen, die auch zum Nachdenken anregen, sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen. Ein phantastisches Highlight, absolute Leseempfehlung – mehr kann man dazu einfach nicht sagen!


    Sehr verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !!!

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Danke für die Rezi!


    Als ich den Titel sah (wer erfindet oder findet solche Titel, ob im Französischen oder im Deutschen?) wollte ich schon meiner Wege gehen, doch dann sah ich den Autorennamen. Isabelle Autissier ist in Frankreich - und darüber hinaus - eine Legende. Und auch mir absolutem Laien ein Begriff. Wer etwas mehr von ihren Abenteuern lesen möchte, kann zB hier einen Artikel lesen: https://www.welt.de/motor/boot…e-Seglerin-noch-lebt.html Sicherlich hat sie beim Schreiben dieses Buches auch aus eigenen Erfahrungen geschöpft.

  • Welt24-Artikel über die Autorin


    Inhalt

    Sie wollten die Welt umsegeln und auf ihrer Route Richtung Südafrika auf der unbewohnten Insel an der Küste Südgeorgiens nur kurz mit dem Beiboot Station machen. Doch am anderen Morgen ist das Segelboot von Luise und Ludovic weg. Ihnen bleiben zwei Äpfel, einige Müsliriegel und eine gemeinsame Trinkflasche. Auf Höhe des südlichen 50. Breitengrades gibt es nichts als Eisberge, Felsen und die seit Jahrzehnten verlassene Walfangstation Stromness. Das Paar sitzt auf einer Insel fest, die so bald kein anderes Schiff ansteuern wird. Die groteske Situation malt sich bei der der Planung eins Segeltrips vermutlich niemand aus.


    Von diesem Moment an gleicht die Beziehung des Paares einem verminten Gebiet; denn sie können nur gemeinsam überleben. Über ihr Überleben wird die Kombination der unterschiedlichen Stile entscheiden, mit denen jeder von ihnen auf die Situation reagiert. Ludovic war die treibende Kraft bei der Planung der Reise, hat Louise praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt. Doch der Lack seines Charmes blättert in Kälte und Eis bald. Während Ludovic sich noch nie im Leben für seine Ziele anstrengen musste, ist die unscheinbar wirkende Louise erfahrene Bergsteigerin, die seit Jahren mit einer festen Seilschaft unterwegs ist. Allein diese beiden Männer würden ihr zutrauen, kühl und überlegt zu reagieren. Doch zuerst dreht sich das Leben der Gestrandeten darum, nicht zu erfrieren und nicht zu verhungern. Es gibt Tiere auf der Insel, doch beide haben keinen Schimmer, wie man Fleisch trocknet oder haltbar macht. Als Louise beschließt, dass etwas geschehen muss, bevor beide vor Schwäche entscheidungsunfähig werden, nimmt die Handlung eine unerwartete Wendung.


    Fazit

    Isabel Autissier hat selbst die Welt umsegelt und schreibt mit der Leidenschaft der Seglerin. Ihr Stimmungsbild vom südlichen Ende des amerikanischen Kontinents gleitet elegant hinüber in das Psychogramm von Menschen in einer Extremsituation.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Isabelle Autissier - Herz aus Eis / Soudains, seuls“ zu „Isabelle Autissier - Herz auf Eis / Soudains, seuls“ geändert.