Umschreibungen für Kraftausdrücke

  • Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass Buchfiguren sich im Ton vergreifen, fluchen und beleidigen. Manche Autoren legen ihren Figuren dann die entsprechenden Vokabeln in den Mund, andere bemühen sich um Umschreibungen, die den Tonfall der Rede kenntlich machen, ohne sich tatsächlich Gossenvokabulars zu bedienen. Was bei solchen Umschreibungsversuchen herauskommt, ist mitunter recht witzig, anderes dagegen geht gründlich in die Hose, und genau solche witzigen oder misslungenen Fundstücke möchte ich hier sammeln.


    Den Anfang mache ich mit einem Zitat, das ich vor Jahren in einem Jerry-Cotton-Roman gelesen habe und das mich immer noch zum Schmunzeln bringt:

    Zitat

    Er sagte was Unschönes über meine Beziehung zu meiner Mutter.


    Außerdem erinnere ich mich an zwei Comics, in denen in einer Sprechblase jeweils nur ein Sternchen * stand. Der "Erklärungstext" unter dem Bild lautete dann einmal:

    Zitat

    In der Erregung gemachte Äußerungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

    Und beim anderen:

    Zitat

    Tut uns leid, Freunde, die Druckerei hat sich geweigert, den Text abzudrucken.

  • Zu Deiner Frage wirst Du besonders in der russischen Gegenwartsliteratur fündig werden. Seit ca. drei Jahren führen die russischen Kulturbehörden auch mit Hilfe von Gesetzen Krieg gegen vulgäre Ausrücke und Flüche. So dürfen Bücher, die Kraftausdrücke oder derbe Straßensprache enthalten, nur in Plastikfolie eingeschweißt und mit einem Warnhinweis versehen auf den Verkaufstischen in Buchhandlungen liegen. Das verteuert enorm ein Buch. Die Verleger 'übersetzen' lieber im Russischen aus der Vulgärsprache in ein neutrales Idiom. Unzensiert darf das Buch dann nur in einer der ehemaligen Sowjetrepubliken verkauft werden, wo neben der Nationalsprache Russisch noch weit verbreitet ist. Vermutet wird, dass diese Gesetze in Russland auf die dominierende Stellung der orthodoxen Kirche zurückgehen. Sie sollen angeblich religiöse Gefühle sowie Minderjährige schützen.


    Zuwiderhandeln kommt den 'Strafffälligen' teuer zu stehen. Wobei sich das Verbot der Vulgärsprache nicht nur auf Bücher sondern auch auf Theater, Film und weitere Massenmedien bezieht. Insbesondere sehe ich Rockmusiker von den Gesetzen betroffen. Die können einfach nicht anders als mit derben Flüchen gespickte Liedtexte zu produzieren.


    Wie so häufig ist alles eine Frage der Definition, denn ganz ohne Schimpfwörter kommt die russische Politik nicht aus.

  • Zu Deiner Frage wirst Du besonders in der russischen Gegenwartsliteratur fündig werden. Seit ca. drei Jahren führen die russischen Kulturbehörden auch mit Hilfe von Gesetzen Krieg gegen vulgäre Ausrücke und Flüche.

    Danke für diese Information. Das ist bis jetzt glatt meiner Wahrnehmung entgangen. Würde denn dann ein Zitat wie mein erstes oben durchgehen, oder müsste das auch eingeschweißt werden? Man erkennt ja doch ziemlich klar, was damit umschrieben ist, als neutral würde ich das deshalb nicht bezeichnen.

  • Ich lese mich gerade durch die Kommissar Studer-Romane von Friedrich Glauser aus den 1930ern. Der ist herrlich ironisch wenn es um Kraftausdrücke geht.


    Beispiel:

    Zitat von Friedrich Glauser

    [Studer] fragte dann geduldig weiter: "Mit wem also?"
    - Eh, natürlich mit der Wasern. Das Meitschi (=Mädchen) sei ja... und die Köchin gebrauchte ein Wort, das sonst nur auf einen bestimmten Zustand im Liebesleben der Kühe angewendet wird...

    Ich finde bestimmt noch mehr, es gibt einige solcher Umschreibungen.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • @Kurier
    Ich denke, dass nur explizite Ausrücke unter das Gesetz fallen und keine Umschreibungen. Die russische Sprache ist sehr reich und kreativ an Flüchen. Es gibt sogar einen festen Ausdruck dafür "Mат".
    Keine Ahnung auch, ob diese Gesetze das politische Leben in Russland jetzt zivilisierter machen, denn sie sind ja fast ein Maulkorb für einen Politclown wie Schirinowski, und auch Putin liebt es seine politischen Gegner mit Schimpfwörtern einzudecken.

  • Zu Deiner Frage wirst Du besonders in der russischen Gegenwartsliteratur fündig werden. Seit ca. drei Jahren führen die russischen Kulturbehörden auch mit Hilfe von Gesetzen Krieg gegen vulgäre Ausrücke und Flüche. So dürfen Bücher, die Kraftausdrücke oder derbe Straßensprache enthalten, nur in Plastikfolie eingeschweißt und mit einem Warnhinweis versehen auf den Verkaufstischen in Buchhandlungen liegen. Das verteuert enorm ein Buch. Die Verleger 'übersetzen' lieber im Russischen aus der Vulgärsprache in ein neutrales Idiom. Unzensiert darf das Buch dann nur in einer der ehemaligen Sowjetrepubliken verkauft werden, wo neben der Nationalsprache Russisch noch weit verbreitet ist. Vermutet wird, dass diese Gesetze in Russland auf die dominierende Stellung der orthodoxen Kirche zurückgehen. Sie sollen angeblich religiöse Gefühle sowie Minderjährige schützen.

    Das ist ja wohl komplett bescheuert. Danke für diese Info, Yurmala, das wusste ich nicht.


    Ich habe vorhin in meinem aktuellen Buch, "A Buyer's Market" von Anthony Powell, eine passende Stelle gefunden:


    "She made use of an expletive that I had never before - in those distant days - heard a woman employ." (zu deutsch: "Sie gebrauchte einen Kraftausdruck, den ich - in diesen längst vergangenen Tagen - noch nie aus dem Mund einer Frau gehört hatte.")

  • Als wahre Fundgrube zum Thema der Umschreibung von Kraftausdrücken kann sich Die Reise nach Petuschki von Wenedikt Jerofejew (auch: Venedikt Erofeev) in der Übersetzung von Natascha Spitz erweisen. Es gibt auch eine neuere Übersetzung durch Peter Urban, dann heißt das Poem allerdings Moskau – Petuški. Am Nächsten kommt imho dem Inhalt :lol: allerdings der französische Titel des Werks Moscou-sur-Vodka :anstossen:

  • In einem der Bücher, die ich gerade lese kamen eben zwei passende Stellen vor.


    1. Pip stieß einen Schwall unanständiger Worte aus, von denen ich die meisten noch nie gehört hatte.
    2. Manche Flüche waren ja nun doch recht primitiv - die mit den Hunden und Schweinen zum Beispiel, aber andere waren gut. Besonders hat mir der gefallen, in den Sie meine Vorfahren bis ins 18. Jahrhundert beleidigt haben.

    In meinem Regal gibt es eine Verschenkrubrik und wer ein Buch davon möchte kann es haben.

  • Schönes Thema. :mrgreen:
    Ich muss da immer an meine Ex-Schwiegermutter denken. Die ist extremst penibel, was den Gebrauch von Schimpfwörtern angeht und hat anstatt eines solchen Ausdrucks immer "Erdbeertörtchen" gesagt.


    Das kam ab und an schon echt cool rüber - z.B. wenn man mal beobachtet hat, wie ihr irgendwas auf den Fuß gefallen ist, Schwiegermutters Gesicht daraufhin knallrot anlief und ihr dann ein bitterböses, von Herzen kommendes "Ach, Erdbeertörtchen!" entfleuchte... :-,:totlach::totlach:

  • Beinahe vergessen: Durch die Neveryon (dt: Nimmerya)-Serie zieht sich die Beschreibung bestimmter Flüche als eine Art Running Gag:
    "curses combining terms for women's genitals, men's excreta, and cooking implements."
    Also Flüche, die auf jeweils neue und noch nie dagewesene Weise Worte für weibliche Genitalien, männliche Ausscheidungen und Küchenutensilien kombinieren.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • Zitat von Friedrich Glauser

    Der Bertel fuhr auf, er sah aus wie ein schlaues Äffchen - und schmetterte einen Fluch hervor, in dem viel vom Heiland und von Millionen Sternen die Rede war.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • Bei 25%:


    Zitat

    Max flucht unhörbar, aber sie kann seine Lippen lesen und ist von seiner Kreativität überrascht. Diese Worte hat sie in dieser Kombination noch nie gehört.

  • Und gestern beim Laufen gehört:


    Zitat

    Ron sagte ein paar sehr deutliche Worte zu Draco, von denen Harry sich sicher war dass er sie in Mrs. Weasleys Gegenwart niemals auszusprechen gewagt hätte.

    :mrgreen:

  • @Hiyanha mit ihrem Zitat aus HP4 brachte mich auf die Idee von dieser Stelle in der Serie :)

  • Zitat von Vaseem Khan

    Chopra (pensionierter Inspector) war schokiert von den Kraftausdrücken, mit denen Suryavansh (sein Nachfolger) Patil (Polizist) belegte. Er beleidigte nicht nur jedes Mitglied von Patils Familie, die Lebenden ebenso wie die Toten, sondern bezichtigte ihn auch widernatürlicher Handlungen mit Lasttieren. Chopra fragte sich, wie er persönlich wohl reagiert hätte, wenn Assistant Commissioner Suresh Rao ihn je so behandelt hätte.

  • In Harry Potter macht Ron auch mehrmals eine "rüde Geste" in Malfoys Richtung. Ist mir auch erst sehr spät aufgefallen, was das heißen soll :D

    :lol:


    "To flip someone the bird" gefällt mir in dem Zusammenhang auch gut.

  • "Warum passt Du nicht selber auf, du Armloch!" ("Armloch" halte ich für einen besonders raffinierten Schachzug: das Wort erinnert vage an irgend etwas anderes, ist aber nicht klagbar.)

  • Nicht mal für den Armleuchter könnte man belangt werden!

    "Outside of a dog, a book is man's best friend. Inside of a dog, it is too dark to read."
    - Groucho Marx