Eugen Ruge - Follower

  • Klappentext:
    Unter dem künstlichen Himmelsblau von HTUA - China ist ein Mann unterwegs, um die neueste Geschäftsidee seiner Firma zu vermarkten: true barefoot running heißt das erstaunliche Produkt. Nio Schulz lebt mit Big Data, in einer Welt der Genderkameras, der technischen Selbstoptimierung. Er schwimmt im Strom unaufhörlicher Information: Posts von friends(...). Nio ist fortschrittlich. Schon neununddreißig, kämpft er darum, auf der Höhe der Zeit zu bleiben(...).


    Wie kam ich zu diesem Buch? Erstens mag ich Dystopien und die Inhaltsangabe schien mir in diese Richtung zu gehen. Zweitens hatte ich zwar von Eugen Ruge noch nichts gelesen, aber habe gute Erfahrungen mit Trägern des Deutschen Buchpreises gemacht (tatsächlich). Drittens hatte ich durch den Klappentext das Gefühl, Ruge hat, was diese Thematik betrifft, eine ähnliche Einstellung wie ich. Was stimmt. Und was mir jetzt bei der Lektüre eher sauer aufstößt.
    Weshalb? Zwar könnte Ruge, das Alter betreffend, mein Vater sein, doch gehören wir beide Generationen an, die nicht digital aufgewachsen sind. Und obwohl ich diese Medien nutze, bin ich (ist auch er) eher ein Kultur - und Fortschrittspessimist nach dem Motto: "Jaa, früher, als wir noch Briefe mit der Hand schrieben!" oder "Wie haben wir uns nur damals ohne WhatsApp verabredet?". Ha ha, fand ich vor kurzem noch witzig, solche Sätze...
    Aber:
    Ruge versucht mit seinem Roman, eine Satire auf die Fortschrittsgläubigen zu schreiben. Er will ironisch sein, was m.E. nicht funktioniert. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Ansinnen bei einem not-digital-native nach hinten los geht, ist groß. Ich bin erst auf Seite 61, aber alles wirkt moralinsauer, mitunter gewollt lässig. Jemand schreibt über etwas, worin er noch nie wirkich zuhause war, um sich darüber zu erheben. So wirkt es auf mich. Mir ist es sogar ein bißchen peinlich, vielleicht weil mir Ruge selbst den Spiegel vorhält - nicht weil ich mich in dem Protagonisten wiederfinde, sondern im Autor selbst. Die abgehängte Generation, die kulturell den Durchblick hat... Oh je...


    Ich habe das Buch mal auf den Stapel der in die Bücherei zurück zu bringenden Bücher gelegt. Vielleicht kann mich noch jemand bis morgen, 14 Uhr, vom Gegenteil überzeugen. Ansonsten wirds wohl nichts mit uns beiden.

  • Danke, SiriNYC!


    Ob nun noch eine ganze Rezi draus wird oder nicht: Dein Beitrag ist schon so klasse, und ich finde mich darin wieder. Auch eben in meinem eigenen Umgang mit der digitalen Wirklichkeit. Ein Stück weit abgehängt, hinterherhinkend. Schon nicht mehr für mich? Aber ich weiß genau, dass dieser neue Quantensprung unvermeidlich ist und wir halt lernen müssen, verantwortlich und gut damit umzugehen. Ablehnen hilft da nichts. Das war in anderen Dimensionen auch früher schon mal hier und da bei Geschichtswenden der Fall gewesen, und hat nur zu Distanzierungen oder zB Überheblichkeiten geführt.