Akram El-Bahay - Henriette und der Traumdieb

  • Henriette und der Traumdieb



    Henriette verfügt über ein besonderes Talent. Etwas, das sie überragend gut kann. Besser als jeder andere Mensch, den sie kennt. Henriette kann träumen. Doch eines Morgens ist jede Erinnerung an die Abenteuer der Nacht wie ausradiert. Wer stiehlt Henriettes Träume?



    So weit, so vielversprechend der Klappentext des Buches „Henriette und der Traumdieb“ von Akram El-Bahay. Mancher mag jetzt sagen: „Träumen- das tut doch jeder“- stimmt, aber Henriette Ende träumt wie kaum ein anderer träumt, denn sie kann sich an jedem Morgen genauestens an die Träume der Nacht erinnern. Und sie trifft auch immer wieder die gleichen Personen in ihren Träumen, wie Hauptmann Prolapsus, der sein Pferd auf dem Rücken trägt oder auch den doppelten Ritter, den es zweimal gibt. Natürlich glaubt ihr niemand, am allerwenigsten ihr Zwillingsbruder Nick, dabei ist sie doch die ältere der beiden.


    Doch eines Morgens kann sich Henriette an den Traum der vergangenen Nacht nicht mehr erinnern, das Einzige, was ihr bleibt, ist ein diffuses Gefühl von Verlust. Und dann taucht auch noch in ihrem Tagtraum von der scheußlichen Hexe (einer ihrer Lieblings-Tagträume) eine seltsame, dunkle Gestalt auf. Und als dann auch noch Nick eine Tür in Henriettes Träume findet, stolpern die Zwillinge in ein düsteres und gefährliches Abenteuer, dessen Ende ungewiss ist. Ihnen zur Seite stehen –sowohl in der realen Welt als auch in den Träumen- einige treue Gefährten. Aber ob auch jeder von ihnen das ist, was er zu sein scheint…? Henriette muss in ihren Träumen hellwach bleiben, um sich, ihren Bruder und ihre Träume zu retten.



    Akram El-Bahay –vielen Lesern durch seine „Flammenwüsten“-Romane bekannt- legt mit „Henriette und der Traumdieb“ sein erstes Buch für jugendliche Leser vor.


    Man merkt, wie viele Gedanken El-Bahay sich um seine Welt und seine Charaktere gemacht hat. Er zeichnet beides sehr liebevoll und detailliert in einer sehr weichen, fließenden Sprache. Doch bei aller Detailliebe lässt er dem Leser immer noch genug Raum, seine eigenen Vorstellungen in diese traumhafte Welt einbringen zu können.


    Trotzdem merkt man der Geschichte ihre Inspiration durch andere, klassische Welten an- so habe ich mich teilweise an „Alice im Wunderland“ erinnert gefühlt, was so manche abgedrehte Szene und die schrulligen Charaktere im Traumland angeht- dann, ein paar Seiten weiter aber wieder an Phantasien, was die Größe und die Möglichkeiten des Traumlandes angeht. Allerdings waren diese Reminiszenzen für mich bei weitem kein Abbruch an dieser phantasievollen Geschichte, vielmehr habe ich an diesen Stellen gelächelt und mich gefreut, solche Gefilde wieder entdecken zu können.


    Besonders positiv möchte ich die Charaktergestaltung des Autors hervorheben-insbesondere die der Hauptcharaktere, wobei der Autor sich auch die Zeit nimmt, den Nebenfiguren klare Konturen und Charakterzüge zu verleihen und sie nicht nur zu bloßen Side-kicks zu machen.


    Henriette und Nick stehen natürlich im Mittelpunkt, wobei die Geschichte sowohl aus Henriettes als auch aus Nicks Perspektive erzählt wird. Das macht das Buch meiner Meinung nach auch durchaus für Jungen lesbar, die kein Problem mit starken Mädchencharakteren haben.


    Am Anfang der Geschichte sind die Zwillinge zwei mehr oder weniger typische 13-Jährige. Henriette ist etwas altklug und sehr vernünftig, während Nick der Ungestüme ist, der die Regeln auch etwas großzügiger auszulegen vermag. Aber im Verlauf der Ereignisse wachsen beide über sich hinaus und werden reifer- sie werden „gezeichnet“, wie es im Buch so treffend heißt. Diese Wandlung fügt sich sehr passig in die Handlung ein, denn zum einen ist sie Teil der Handlung, wird also durch sie bedingt, aber andersherum beeinflusst das veränderte Verhalten der Zwillinge auch mehr als einmal den Verlauf der Ereignisse.



    Alles in allem hat „Henriette und der Traumdieb“ von Akram El-Bahay mich wunderbar unterhalten, ich habe mitgefiebert und war fasziniert von Henriettes Träumen und all den fantastischen Ideen des Autors- ob er manche davon selbst geträumt hat?


    Am Ende steht zu hoffen –auch wenn ich mich auf alle weiteren Bücher von Herrn El-Bahay freue- dass dieses Buch ein Einzelroman bleibt, denn die Geschichte und auch die Charaktere stehen so formvollendet auf eigenen Beinen, dass eine Fortsetzung meiner Meinung nach dagegen nur verlieren könnte.


    „Henriette und der Traumdieb“ ist ein phantasievolles, spannendes Buch für Leser ab 11, aber auch der erwachsene Leser kann sich von dieser Geschichte verzaubern lassen. Volle :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Es gibt nichts Mächtigeres als eine gut erzählte Geschichte.

    -Tyrion Lannister in der Serie Game of Thrones


    :study: So many books. So little time. :study:

  • Der Rezi von @LaRelieuse ist nichts hinzuzufügen. Auch mir hat die Geschichte sehr gut gefallen.


    Eines möchte ich noch zusätzlich positiv hervorheben, weil es für ein Kinder- bzw. Jugendbuch (vor allem wenn diese aus dem US-amerikanischen Raum kommen) absolut ungewöhnlich: es fehlt die klassische Gegenüberstellung von Gut gegen Böse. Ja, es gibt düstere Gestalten, wie zum Beispiel die Alben, die für die Albträume zuständig sind. Damit erfüllen sie aber eine wichtige Aufgabe im Traumland. Der Traumdieb, anfangs eine unheimliche Figur, die der Träumerin ihre Träume stiehlt, wird im Laufe der Handlung zum Freund und Verbündeten. Und auch der eigentliche Verursacher des ganzen Schlamassels in Henriettes Traumland ist eher eine tragische Gestalt, der Henriette nicht schaden will, sondern nur versucht, ein Ereignis aus seiner Vergangenheit rückgängig zu machen.


    So gibt es auch keinen wirklichen Endkampf, in dem es gilt, einen Bösewicht zu besiegen. Vielmehr wird durch Verständnis und gegenseitige Unterstützung nach einer Lösung für den Konflikt gesucht. An anderer Stelle finden durchaus Kämpfe statt, denn ganz so leicht macht der Autor es seiner Heldin nicht. Doch diese sind kindgerecht dargestellt und haben ihre Legitimation, denn aus Erwachsenensicht handelt es sich dabei um innere Kämpfe; sprich: man muss bestimmte Hindernisse im eigenen Denken überwinden, um sich weiterzuentwickeln. Das fand ich sehr gut umgesetzt. Überhaupt bietet das Traumland eine Menge Bilder, um innere Seelenlandschaften darzustellen, meistens sogar mit einer Erklärung als Bestätigung für die instinktive Vermutung.

    Verführung Volljähriger zum Bücherkauf sollte nicht unter 5 Jahren Stadtbibliotheksmitgliedschaft bestraft werden!