Margarete Stokowski - Untenrum frei

  • Inhalt
    War es das jetzt mit der sexuellen Revolution? Sind wir unendlich liberal, weil mit nackten Brüsten für Tierfutter und Baumärkte geworben wird? Mitnichten, sagt Margarete Stokowski. Es gilt auch noch im 21. Jahrhundert, Machtstrukturen aufzusprengen, über Sexualität zu sprechen und über Geschlechterrollen, die wir mit riesigem Aufwand spielen. Die Autorin möchte keine neuen Regeln aufstellen, sondern von längst überkommenen Vorstellungen befreien und gegen Tabus angehen. Das klingt vielleicht streng, aber dieses Buch ist anders: Es ist lustig, mutig und irrsinnig klug.
    Stokowski erzählt frisch und wunderbar von persönlichen Erlebnissen, analysiert gesellschaftliche Konstellationen und zeigt, wie sich Schamgefühle und Rollenbilder in den kleinen, schmutzigen, komischen Dingen manifestieren; wenn es um Probleme bei der Benennung der Vagina geht, um Prinzessinnenkleider oder die Erotik von Hüpfbällen. Und sie macht deutlich, wie diese kleinen Dinge die großen, fiesen Fragen aufwerfen: Was macht es mit Mädchen, wenn die Bravo empfiehlt, Rouge aufzutragen, immer zu lächeln und süße Haarspangen zu tragen, um den Schwarm zu erobern? Warum trauen sich Männer Chefposten eher zu als Frauen? Mit scharfsinnigem Blick auf die Details gelingt Stokowski ein provokantes, politisches und befreiendes Buch.
    (Quelle: https://www.goodreads.com/book…rei?ac=1&from_search=true)


    Zitat von Margarete Stokowski

    «Der Feminismus erklärt mir nicht, warum der Bus nicht auf mich wartet. Aber er erklärt mir, warum ich mich für mein Zuspätkommen entschuldigen werde, auch wenn ich nicht schuld war, sondern der Bus zu früh gefahren ist. Er erklärt mir, warum viele der Frauen, die ich kenne, sich auch noch entschuldigen würden, wenn sie von einem Meteoriten getroffen werden.»

    Die Autorin
    MARGARETE STOKOWSKI, geboren 1986 in Polen, lebt seit 1988 in Berlin und studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie schreibt seit 2009 als freie Autorin unter anderem für die «taz», wo 2012 bis 2015 ihre Kolumne «Luft und Liebe» erschien, für «Die Zeit», «Missy Magazine», «L-Mag» und «Das Magazin». Seit 2015 erscheint ihre wöchentliche Kolumne «Oben und unten» bei «Spiegel Online».
    (Quelle: Verlagsseite)


    Meine Meinung
    Als ich ziemlich verdattert die letzte Seite dieses Buchs gelesen und es zur Seite gelegt habe, wusste ich kurzzeitig nicht mehr wirklich etwas mit mir anzufangen. Als dann das Gedankenkarussel langsam aufgehört hat sich zu drehen, bin ich erst mal an den Computer, um das Buch hier im Büchertreff zu bewerten. Da habe ich gesehen, dass es bisher noch keine Rezension zu diesem Buch hier gegeben hat. Das ist der Grund, warum ich mich nach langer Zeit mal wieder an eine Rezension gesetzt habe. Denn ich würde dieses Buch am liebsten an alle Menschen der Welt weitergeben und habe es mindestens schon 5 Personen versprochen, es ihnen zu leihen.


    Dies ist mein erstes Buch zum Thema Feminismus. Margarete Stokowski kannte ich vorher nicht, allerdings hat das Buch durch seine außergewöhnliche Gestaltung schon bei mir gepunktet: Gepresste Pappe (die auch richtig schön nach Papier riecht) als Cover und ein schlichtes, aber prägnantes Design mit dem neonfarbenen Kreuz auf grau. Ich bin neugierig geworden, zumal es mir schon von verschiedenen Freunden, Bookstagramern und der Rapperin Sookee herangetragen wurde. Also spontan mitgenommen.


    Margarete Stokowskis Schreibstil ist sehr locker und fließend. Ihr Buch ist in sieben Kapitel (darunter „Nicht als Prinzessin geboren“, „Wissen wäre Macht“ und „Weltherrschaft im Alltag“) unterteilt, welche jeweils grob einen ihrer Lebensabschnitte in Verbindung mit einigen thematischen Schwerpunkten behandeln, je eingeleitet von einem Zitat. Besprochen werden dabei unterschiedlichste Themen: von Kindheitsträumen über Körperbehaarung bis hin zu sexualisierter Gewalt. Diese essayistische Verbindung von Autobiografie mit gesellschaftspolitischen Themen und Bezügen zu Literatur und Medien lassen sich auf ihren Job als Kolumnistin zurückführen und das Buch zu einer angenehmen Lektüre werden. Zumal sie es schafft, ihre persönlichen Erfahrungen in einen größen Gesamtzusammenhang zu betten, der für viel mehr steht.


    Inhaltlich fällt es mir schwer, das Ganze in eigenen Worten zu beschreiben. Ich kann nur so viel sagen: In diesem Buch gab es nicht viel, dem ich widersprechen wollte, und das habe ich bei Büchern, in denen es um (gesellschafts-)politische Themen geht, selten. Selbst wenn es Autor*innen sind, denen ich schon im Vorhinein grundlegend zustimme. Auch habe ich mich und die Menschen in meinem Umfeld wieder und wieder in ihren Worten wiedererkannt. Und ich habe einiges dazugelernt.


    Wer dieses Buch liest sollte keine wissenschaftliche Offenbarung erwarten. Stokowski schreibt im Grunde nicht wirklich etwas, das noch nie dagewesen ist. Stattdessen schafft sie es aber, das in Worte zu fassen, was mein Verhalten mein ganzes Leben lang geprägt hat (ohne, dass mir es mir bis zum Lesen dieses Buches bewusst geworden wäre). Sie schafft es, meinen Blick auf Dinge zu richten, die ich bisher höchstens unterbewusst wahrgenommen habe.


    Margarete Stokowski hat es geschafft, einen, zwei, viele Perspektivwechsel in meinem Kopf zu vollziehen, sodass ich jetzt altbekannte Gewohnheiten, Aussagen, Situationen und Ansichten ganz neu betrachte.


    Eine absolute Leseempfehlung, 5 Sterne! :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Dein Kommentar zum Buch klingt richtig gut. Ich mag es auch, wenn ich ein zu Ende lese und dann das Gefühl habe, dass tatsächlich mal 1-2 fundamentale Fragen geklärt sind, die ich schon ewig mit mir herumschleppe. :D Und hier ist dein Enthusiasmus echt deutlich herauszulesen. =)

    Auch habe ich mich und die Menschen in meinem Umfeld wieder und wieder in ihren Worten wiedererkannt. Und ich habe einiges dazugelernt.

    Es ist halt genau das !





    „Nicht als Prinzessin geboren“

    Außerdem finde ich diese Kapitelüberschrift sehr interessant. Das erinnert mich an dieses "damsel (in distress)"-Konzept. :D

  • Zitat

    "Wir können untenrum nicht frei sein, wenn wir obenrum nicht frei sind." - Margarete Stokowski


    Ein unvergleichlich intelligentes, humorvolles Buch. Margarete Stokowski schreibt mir wirklich aus der Seele.

    Ich bin mir dessen bewusst, dass wir Bücher tendenziell gut finden, wenn sie unsere persönliche Meinung enthalten und ja, manche Aspekte, die in Untenrum frei zur Sprache kommen, habe ich an anderer Stelle selbst bereits ähnlich analysiert, beispielsweise in meinen Gastartikeln für das Onlinemag lesbianchic. Vielleicht finde ich Untenrum frei auch deshalb so gut - obwohl es mir gleichzeitig einen Spiegel vorhält, dessen Reflektion ich manchmal lieber ausgewichen wäre. Ganz ehrlich, ich hatte mich für aufgeklärter gehalten. Aber dann kam Margarete Stokowski und bewies: es geht noch viel, viel mehr. Und es muss auch.


    Wenn ich schreibe, ich möchte das Buch allen um die Ohren hauen, schließe ich mich selbst davon nicht aus. Vor der Lektüre von Untenrum frei war mir nicht bewusst, wie tief manche Vorurteile und Rollenklischees noch in meinem Denken und, folgerichtig, in meiner Rhetorik verankert sind.

    Dieses Buch hat mir eine völlig neue Dimension der Argumentation eröffnet.

    Dabei geht es nicht nur um political correctness, sondern um die einfache Tatsache, dass wir Frauen nicht "die zweite Art Mensch" sind.


    Anstatt anzuklagen, berichtet Margarete Stokowski freimütig von ihren persönlichen Ängsten, Fehltritten und Traumata. Gepaart mit ihrem unverwechselbaren Humor, passenden Zitaten und Anekdoten entsteht ein authentisches, intellektuell wie emotional ansprechendes Leseerlebnis.


    Untenrum frei möchte ich nicht nur weiterempfehlen, ich möchte auf einem Seil balancierend Exemplare auf die Köpfe der staunenden Menge unter mir regnen lassen. Auf dass die Botschaft auch in den Köpfen ankommt! LESEN! JETZT!


    Die Zeit hat Untenrum frei wie folgt kommentiert: "Der neue Feminismus hat hier einen coolen Auftritt: witzig und böse. Macht das Thema genussvoll für alle Seiten."

    Am liebsten würde ich eine ganze Abhandlung darüber schreiben, wieso dieses Buch weder witzig noch böse ist!

    Es enthält keinen "Witz", macht sich über niemanden lustig und regt auch nicht dazu an, belacht zu werden. Stokowskis Schreibstil enthält Humor - das ist ein himmelweiter Unterschied!

    Und eine Stelle, die das Attribut "böse" verdient hätte, konnte ich auch nicht finden, denn der Humor geht, wie gesagt, an keiner Stelle aufkosten anderer. Und das ist, wie ich finde, ein überaus gelungener Balanceakt, weil wir Humor viel zu oft automatisch mit "Witz" oder "über etwas/jemanden lachen" gleichsetzen.

    Das Zitat soll das Buch bewerben und ihm den Anschein locker-fluffiger Publikumstauglichkeit geben. Aber das hat Untenrum frei nicht nötig. Ebenso wenig, Feminismus für irgendeine Seite - und der Verfasser des Zitats meint mit "beiden Seiten" vermutlich Männer und Frauen - genussvoll zu machen. Mir scheint, er oder sie hat das Buch nicht gelesen. Höchstens das Vorwort überflogen und sich über die Eloquenz der Autorin gefreut.


    Denn am Ende steht man als Leser/in vor der Erkenntnis: es gibt sie nicht, die beiden Seiten. Die beiden voneinander getrennten Lager, zwischen denen es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gibt.

    Wir sind Menschen. Und wir brauchen keine Labels.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:



    Anmerkung: Ich danke der Autorin sowie dem Rowohlt Verlag herzlich für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares. Daran war nicht die Bedingung einer positiven Einschätzung geknüpft. Diese Rezension enthält meine freie, unabhängige Meinung.

    "There are three rules for writing a novel. Unfortunately, no one knows what they are."

    W. Somerset Maugham