F.W.Bernstein - Frische Gedichte

  • Autor: F.W.Bernstein
    Verlag: Antje Kunstmann


    Inhalt:
    Bernsteins 130 neue Gedichte drehen sich um "Drinnen und draußen", um "Das Tier und wir", "Vom Dichten, Sport und Mord", "Historisches und Politisches", Kunst, Musik, "Kleinkram und lyrische Störfälle" und andere Gelegenheiten.


    Der Autor:
    F.W. Bernstein ist Lyriker, Grafiker, Karikaturist und Satiriker.
    Außerdem Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule.


    Meine Meinung:


    "Mein Programm

    Ihr sucht
    Verse von schnatternder Wucht?
    Ihr findet sie hier:
    Alle von mir!"


    Trefflich hat er hier selbst seine Gedichte beschrieben: "Von schnatternder Wucht."
    Witzig, satirisch und oft auch provozierend nimmt er alles aufs Korn und unter die Lupe. Ob die Weltmeisterschaft, Rilke, Angela Merkel und manchmal, mag man meinen, auch den Leser selbst. Ich muss sagen, je nachdem in welcher Stimmung ich gerade war, habe mich seine Gedichte amüsiert oder provoziert.
    Aber eines fand ich immer: Er hat einen Wortschatz, der einen als Sprachliebhaber entzückt zurück lässt.
    Von mir gibt es 3,5 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Eines welches ich sehr mag:
    "Theater

    Auf der Bühne alle Rollen,
    die, die Welt vorstellen sollen!
    Dirigent, Kulissenschieber -
    wer hat noch kein Lampenfieber?
    Kaiser, König, Hanswurst, Star,
    Edelmann, Bettelmann, treuer Husar;
    Kasperle und Polizist,
    der du von dem Himmel bist,
    Kammerkartoffel und Zofe,
    Herren und Damen vom Hofe,
    Herrn in langen Unterhosen,
    Regisseure und Matrosen,
    Hänsel, Gretel, Stiefelkater,
    Liebhaber und Heldenvater,
    Mohren, Huren, Königinnen,
    erste, zweite Sängerinnen,
    Helme, Hüte, Mützen, Kappen,
    Generale, Kobold, Knappen,
    Lehmann, Ballack, Frings und Lahm,
    Majestäten, Lords, Madame;
    Rosenkranz und Güldenstern;
    Totengräber, hohe Herrn,
    Mafiosi, Priester, Geister,
    Päpste, Schuster , Hexenmeister,
    Hamlet, Neuhaus und der Faust,
    Teufel auch, vor dem`s uns graust;
    Intriganten, Bürger, Drachen
    und Politiker zum Lachen
    und Politiker zum Schreien...
    Halt, zurück, wir nehmen stattdessen
    ein ganzes Rudel von Politessen.
    Wird`s schon eng? Dann bitte drängeln!
    Es kommt ein Regiment von Engeln
    und die Poeten und die Dichter,
    Sopran und Bass - das ganze Gelichter,
    Eimer, Ausguss, Wasserhahn -
    Was? Ich fang nochmal an!
    Auf diesen Brettern, wo die Welt
    heute den Gerichtstag hält.
    Ja, hier tagt das Weltgericht,
    das, wo unser Urteil spricht.
    Was, das hat niemand gesagt,
    dass das Weltgericht hier tagt?
    Alles muss ich alleine machen.
    Ich lass es krachen."

  • F.W. Bernsteins Lyrik, Grafik und Satire wird zur sogenannten »Neuen Frankfurter Schule« gezählt. Mit Heiterkeit werden in seinen Gedichten unter anderem politische, alltägliche, absurde, philosophische oder auch humorvolle Themen behandelt ebenso; finden aber Dichter und ihre Werke – beispielsweise Rilke – Beachtung.
    Unterteilt in die Kapitel „Drinnen und draußen“, „Das Tier und wir“, „Vom Dichten, Sport und Mord“, „Die letzten Dinge“, „Historisches und Politisches“, „Kunst, Kulinarik und Musik“, „Huldigungen und Gelegenheitsgedichte“, „Zu Zeichnungen von Chlodwig Poth“ und „Kleinkram und lyrische Störanfälle“ finden sich höchst unterhaltsame Gedichte für jede Gelegenheit. Selbst wenn seine Lyrik gute Laune verbreitet und vor Satire, Unbeschwertheit und Übermut strotzt, wagt sich Bernstein ebenso an ernstere Inhalte.
    Gedichte wie „Baum, hast im Wald nix verloren“ (S.26), „Das Veilchen schreit“ (S.195), „Dem Lyrikfreunde“ (S. 53), „Die Karikatur-Kathedrale“ (S. 146) oder „Der Wasserrohrbruch“ (S.202) sorgen durch reichlich Abwechslung für großen Lese- und Lyrikgenuss. Was alle Gedichte gemein haben, ist ihr ganz eigener Rhythmus und ihre Melodie. Vieles wirkt wie ein Singsang, ein Loblied, eine Treibjagd oder ein freudiger Tanz. Darüber hinaus gelingt es dem Dichter vortrefflich eine ganz eigene Atmosphäre schon beim kürzesten Gedicht aufzubauen.


    So ist dieses „Spätwerk“ von 208 Seiten wärmstens an alle Freunde heiterer und vielschichtiger Lyrik zu empfehlen. Ob der Amtsantritt von Angela Merkel oder eine Kaninchenjagd – mit Bernsteins lebendigen Gedichten vermag man über das Unterschiedlichste zu schmunzeln. Dank des großen Einfallsreichtums konnte ich den Gedichtband Stück für Stück mit Freude lesen und wurde der Lyrik nicht müde.