Joan Weng - Noble Gesellschaft

  • 1925 Berlin. Der 23-jährige Carl von Bäumer ist ein bekannter Stummfilmstar der UFA, gutaussehend und etwas eitel. Nebenbei sieht er sich als Hobbydetektiv und in direkter Konkurrenz zu seinem Lebensgefährten Paul Genzer, der als Kommissar für die Berliner Polizei arbeitet. Als Carl bei dem Besuch einer Wohltätigkeitsveranstaltung vom Verschwinden eines Dienstmädchens erfährt und sein Informant am nächsten Tag tot ist, weckt dies seinen Spürsinn für einen interessanten Fall, zumal Paul sich nur wenig für den Fall interessiert. Da Carl in der Welt der Schönen und Reichen ein und ausgeht, hat er jede Menge Möglichkeiten, seine eigenen Ermittlungen anzutreten und dabei jede Menge dubioser Personen auf die Füße zu treten und sich Informationen zu besorgen. Wird er den Fall lösen können?


    Joan Weng hat mit ihrem Buch „Noble Gesellschaft“ den zweiten Romanband um Carl von Bäumer vorgelegt. Der Schreibstil ist schön flüssig, der Leser taucht ab der ersten Seite in die bunte Zeit der vergangenen 20er Jahre ein, um Carl bei seinen Ermittlungen als stummer Beobachter zu begleiten. Die Handlung führt nicht nur durch die „noble Gesellschaft“, sondern auch alle anderen Gesellschaftsschichten sind hier vertreten, so dass man ein buntes Bild der damaligen Berliner Szene bekommt. Ebenso vermischt wie die Gesellschaft sind auch die handelnden Protagonisten, die irgendwie alle entfernt miteinander zu tun haben. Das beigefügte Personenregister zu Beginn des Buches hilft dem Leser dabei, all diese Charakteren auseinander zu halten bzw. zuzuordnen. Die Autorin weiß mit ihren wechselnden Perspektiven, Andeutungen und versteckten Hinweisen sehr gut mit dem Leser zu spielen, verwirrt ihn oftmals sogar. Dieses Buch benötigt die ganze Aufmerksamkeit, damit der Leser Carl bei der Lösung des Falls Schritt halten und alles nachvollziehen kann. Zwischen Edelsteinschmuggel und verschlungenen amourösen Beziehungen geht es auch um Drogen und Rache. Gleichzeitig erlebt der Leser die sehr unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, wo die einen zu viel und die anderen knapp mehr als zu wenig zum Leben haben und ihr schiefes Abhängigkeitsverhältnis untereinander.


    Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und in Szene gesetzt. Leider bleiben sie dabei recht oberflächlich, es fehlt ihnen an Tiefe und der Leser hat Schwierigkeiten, sich ihnen zu nähern. Eher bekommt man den Posten des Beobachters, ohne das einem die Personen so richtig ans Herz wachsen. Carl von Bäumer ist ein attraktiver, bekannter und erfolgreicher Schauspieler, der seine Homosexualität in den eigenen vier Wänden mit Lebensgefährten Paul Genzer auslebt. Carl ist etwas zu eitel, zu spitzfindig und hat auch einen Hang zum Snobismus. Er hat ein Faible für gute Manieren und für Wagner. Paul ist das glatte Gegenteil von Carl, er ist eher ein Mann, der anpackt, ehrlich und in seinen Job kniet er sich regelrecht hinein. So unterschiedlich die beiden sind, so ergänzen sie sich doch gut, vielleicht ist dies auch eine Folge ihres doch recht verschiedenen familiären Hintergrunds.


    „Noble Gesellschaft“ ist ein unterhaltsamer historischer (Kriminal-)Roman, der auf recht amüsante Weise in eine andere Zeit zu entführen weiß. Der Krimiaspekt rückt hierbei etwas in den Hintergrund, allerdings ist es sehr interessant, die einzelnen Charaktere bei ihren Unternehmungen zu begleiten. Ein kurzweiliger Roman, der gute Unterhaltung verspricht. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!


    Unterhaltsame :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    Albert Einstein


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Ein ungewöhnlicher Krimi, der einen guten Einblick in das gewöhnliche Leben im Berlin der 1920er bietet. Mord oder Selbstmord - das ist hier die Frage?

    Autorin Joan Weng entführt uns wieder in das Berlin von 1925. Carl von Bäumer und Paul Genzer sind nach wie vor privat ein Paar. Außerdem ermitteln sie wieder. Manchmal wirklich gemeinsam, manchmal nebeneinander. Doch das Ziel ist dasselbe: einen Mörder zur Strecke zu bringen. Gar nicht so einfach, weil einige Todesfälle geschickt oder weniger geschickt als Selbstmorde getarnt werden.


    Wir Leser geraten tief in den Strudel von Leidenschaften, Drogenmissbrauch, Schmuggel und Klein- und Großganoven.


    Ganz Berlin tanzt auf dem Vulkan, doch niemand ahnt, was noch auf Deutschland zukommen wird.


    Joan Weng führt uns Leser gehörig an der Nase herum. Hin und wieder gibt es scheinbare Nebenhandlungen, die aber die Stimmung in Berlin gut darstellen.

    Wie schon im ersten Krimi (Feine Leute) liegt der Fokus der Geschichte eher auf den teilweise kompliziert verstrickten Beziehungen der Protagonisten als auf der Ermittlungsarbeit. Die dümpelt stellenweise so vor sich hin. Erst gegen Ende des Buches steigert sich das Tempo. Die Auflösung wird dann quasi als „Bericht“ während des Geschirrspülens präsentiert - eine interessante Variante.


    Die Charaktere scheinen oberflächlich zu sein, passen meiner Meinung nach aber perfekt in das Gesamtbild dieser Zeit. Die meisten Menschen, vor allem die Wohlhabenden, leben in den Tag hinein als gäbe es kein Morgen. Wieder erstaunlich, der offene Umgang mit Homosexualität (trotz aller Gesetze dagegen) und Drogen aller Art. Reich schnupfen Kokain und spritzen Morphium in aller Öffentlichkeit, die weniger Begüterten saufen Schnaps bis zum Umfallen.


    Fazit:


    Das Buch ist kein Krimi im herkömmlichen Sinn, „Tat - Ermittlung – Täter gefasst“ sondern ein Sittengemälde dieser Zeit. Die Reihe entwickelt sich, daher diesmal 4 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)