Martin Davies - Wiedersehen in Hannesford Court / The Year After

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    London, 1919. Der junge Hauptmann Tom Allen erhält für die Weihnachtstage eine Einladung nach Hannesford Court, dem Landsitz der Familie Stansbury, wo er vor dem Krieg unbeschwerte Zeiten verlebt hat. Zugleich bittet ihn ein Freund, einer alten, nie aufgeklärten Geschichte nachzugehen: Kurz vor Ausbruch des Krieges ist ein deutscher Arzt auf Hannesford Court an einem Herzinfarkt gestorben - so schien es jedenfalls. Doch der Arzt hatte in seinem letzten Brief an seinen Sohn von merkwürdigen Dingen geschrieben, die dort vorgingen. Bevor er jemandem Genaueres sagen konnte, starb er - oder wurde dabei nachgeholfen? Tom beginnt, die Fäden der Vorkriegsgeschichte wieder aufzurollen ... Ein atmosphärischer Schmöker, in England ein Bestseller. Der Autor lebt in den englischen Midlands.


    Autor (Quelle: amazon)
    Martin Davies wuchs im Nordwesten Englands auf. Er hat viel Zeit auf Reisen im Nahen Osten und Indien verbracht und lebt heute in den englischen Midlands, wo er für den Rundfunk arbeitet. Seine Romane schreibt er in Cafés und öffentlichen Verkehrsmitteln und immer mit der Hand.
    Er hat bereits mehrere historische Romane veröffentlicht, von denen einer ('Die Pflanzenmalerin') 2007 bei Goldmann auf Deutsch erschienen ist (noch als e-book lieferbar).


    Allgemeines
    Titel der englischen Originalausgabe: The Year After, ins Deutsche übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg
    Erschienen am 22. September 2015 bei dtv als TB mit 336 Seiten
    Gliederung: Prolog – 12 Kapitel – Information zum Buch - Information zum Autor
    Ich-Erzählung von Tom Allen und Anne Gregory in wechselnden Kapiteln
    Handlungsort und -zeit: Hannesford Court, England im Jahr 1919 (Rückblick auf 1914)


    Zum Inhalt
    Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs trafen sich im Sommer alljährlich zahlreiche junge Leute auf dem Landsitz der Familie Stansbury und scharten sich um zwei der fünf jungen Stansburys: den feschen, allseits beliebten Harry und die kokette, höchst attraktive Margot. Beim Rosenball im Juli 1914 kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Professor Schmid, ein schon lange in England lebender deutscher Freund der Familie, geriet in einen heftigen Streit und starb kurz darauf an einem Herzinfarkt. Auch eine junge Frau kam in diesem Sommer unter ungeklärten Umständen ums Leben.
    1919 sind die meisten der jungen Männer dieser Freundesclique – inklusive Harry Stansbury – tot, Harrys Bruder Reggie kommt schwer versehrt aus dem Krieg zurück. Nur Tom Allen und Freddie Masters haben den Krieg unbeschadet überstanden und kehren zu Weihnachten nach Hannesford Court zurück. Freddie hat einen Brief aus Deutschland vom Sohn des Professors bekommen, in dem dieser andeutet, dass sein verstorbener Vater im Sommer 1914 schockierende Dinge beobachtet habe.
    Tom Allen versucht nicht nur, das vom Professor mit ins Grab genommene Geheimnis zu ergründen, er muss sich auch mit seinen Kriegserinnerungen auseinandersetzen und stellt dabei fest, dass er nicht mehr derselbe ist wie 1914 und dass er an sein altes Leben nicht mehr anknüpfen kann. Auch Anne Gregory, die seinerzeit als Gesellschafterin von Lady Stansbury auf Hannesford Court weilte und jetzt als Pflegerin der Pfarrersgattin tätig ist, blieb von den Ereignissen des Jahres 1914 nicht unberührt.


    Beurteilung
    Der Roman ist als Ich-Erzählung in zwei sich abwechselnden Erzählsträngen gestaltet. Die Erzählung von Anne Gregory ist im Sommer 1914 angesiedelt, ist also ein Rückblick auf die damaligen Ereignisse.
    Die Erzählung von Tom Allen bezieht sich auf die Tage von Weihnachten 1919 bis zum Silvesterabend, enthält jedoch auch Rückblicke auf die Vorkriegszeit. Auch wenn ein ungeklärter Todesfall thematisiert wird, handelt es sich keinesfalls um einen Krimi, sondern um eine ruhige, von wenig Spannung geprägte Erzählung, in der die Veränderung der Menschen durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs im Mittelpunkt stehen. Die Schilderung des ungezwungenen Daseins junger Leute aus der oberen Gesellschaftsschicht im Jahr 1914 wird geschildert, ein Dasein, an das man(n) nach dem Krieg nicht mehr wirklich anknüpfen kann. Durch die Gesellschaft geht ein Riss, die Daheimgebliebenen wollen ihrer Trauer um gefallene Familienmitglieder Ausdruck verleihen und neigen dazu, diese als Helden, die ihr Leben für das Vaterland gegeben haben, zu glorifizieren. Die ehemaligen Soldaten haben dagegen ganz andere Einblicke in das Kriegsgeschehen und auch in den Charakter der „Kriegshelden“ bekommen und würden am liebsten nur still und leise ihr ziviles Leben wieder aufnehmen.
    Die Handlung ist mit ihren Verwicklungen in der Vergangenheit und den kriegsbedingten Veränderungen von Gesellschaft und Persönlichkeiten gut konstruiert. Der Erzählstil ist jedoch leider über mindestens die erste Hälfte sehr hölzern und irgendwie „steril“: Beide Ich-Erzähler berichten mit einer gewissen desinteressiert wirkenden Distanz, als ob sie einfach nur Fakten zu Protokoll geben wollten, von denen sie nicht wirklich berührt werden. Dadurch bleiben ihre Charaktere seltsam blass und konturlos. Erst gegen Ende hin kommen zunehmend Gefühle zum Ausdruck, wodurch die Protagonisten an Kontur gewinnen und dem Leser nachvollziehbarer und sympathischer werden.
    Während die Handlung in der ersten Hälfte ziemlich spannungslos vor sich hin plätschert, steigt das Interesse des Lesers im zweiten Teil, als bruchstückweise Informationen über die Vorfälle des Sommers 1914 durchsickern. Jetzt kann der Leser miträtseln und wird vermutlich auch noch überrascht.


    Fazit
    Ein thematisch ansprechender Roman, der vom Erzählstil gesehen fesselnder hätte gestaltet werden können!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Anbei der Link zur englischen Ausgabe. Ich habe die deutsche Übersetzung als E-Book gelesen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998