Zum Inhalt (lt. Buchrücken):
Welchen Einfluss haben Ereignisse auf uns, die vor siebzig Jahren stattgefunden haben?
Sacha Batthyanys Großtante war in eines der schrecklichsten Nazi-Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkriegs verwickelt. Als er ihre Geschichte aufschreibt, stößt er auf ein altes Familiengeheimnis.
Wenige Wochen vor Kriegsende gibt Gräfin Margit Thyssen-Batthyány im österreichischen Rechnitz ein rauschendes Fest. Gegen Mitternacht verlassen die Gäste das Schloss und erschießen 180 Juden, die am Bahnhof auf den Weitertransport warten. Was genau in dieser Nacht geschieht, ist bis heute unklar. »Und was«, fragt der Schriftsteller Maxim Biller den Autor, »hat das mit dir zu tun?«
Sacha Batthyany beginnt, nach Antworten zu suchen. Seine Reise führt ihn ins alte Ungarn, ins Österreich der Nachkriegszeit, in die Schweiz der Gegenwart, in die Lager des Gulag nach Sibirien, auf die Couch eines Pfeife rauchenden Psychoanalytikers und bis ins Wohnzimmer einer Auschwitz-Überlebenden in Buenos Aires. Dabei entdeckt er ein Geheimnis, das seinen Blick auf seine Familie und sich selbst verändert.
Prägen vorangegangene Generationen die Art, wie wir leben? Sind wir doch alle Kriegsenkel? Dabei dachten wir doch, wir seien so aufgeklärt und modern und selbstbestimmt? Sacha Batthyanys Buch ist eine ungewöhnliche, gegenwärtig erzählte Familiengeschichte, ein Panorama Mitteleuropas, das nur vermeintlich verschwunden ist, und zugleich Psychogramm einer Generation.
Zum Autor (lt. Buch):
Sacha Batthyany, geboren 1973, studierte Soziologie in Zürich und Madrid, war Redakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung und arbeitet seit 2010 beim Magazin des Tages-Anzeigers. Er ist Dozent an der Schweizer Journalistenschule und lebt seit 2015 in Washington, D.C., wo er für den Tages-Anzeiger und die Süddeutsche Zeitung als Korrespondent über Politik und Gesellschaft berichtet.(Quelle: www.kiwi-verlag.de)
Meine Meinung:
Der Name Batthyany ist in Österreich kein unbekannter. Auch der Autor nimmt in seinem Buch darauf Bezug, dass der Namen jedes Jahr zu Weihnachten, wenn die "Sissi-Trilogie" von Marischka mit Romy Schneider gezeigt wird, sofort eine gedankliche Verbindung zu Österreich-Ungarn hervorruft.
Doch seine Familiengeschichte ist viel umfangreicher. Um nur ein einen kleinen Eindruck davon zu gewinnen, möchte ich diese beiden Links hier einstellen:
Wikipedia
Familienhomepage
Sacha Batthyany wurde nun in seiner Tätigkeit als Journalist von einer Kollegin auf einen Artikel über seine Tante Margit (geborene Thyssen-Bornemisza) angesprochen, in dem es um ein Massaker an 180 Juden in Rechnitz ging. (Das Thema wurde unter anderem auch von E. Jelinek mit "Der Würgeengel" verarbeitet). War seine Tante hier mit involviert? Und wenn ja, inwieweit?
Dies - so scheint es - war der Startpunkt bzw. die Initialzündung. Sacha Batthyany machte sich nun auf ein Reise in seine eigene Vergangenheit.
Das Buch ist keine historische Schilderung oder lückenlose Aufklärung, sondern schildert sehr stark die innere Zerissenheit. Was will ich wirklich wissen? Wie gehe ich mit den Informationen um? Was macht es mit mir? Wie stark beeinflusst die Vergangenheit, meine Wurzeln mein aktuelles Leben? Was wäre aus mir geworden, würden in der Vergangenheit andere Weichen gestellt worden sein?
Der Autor schreibt dies in einem einfach lesbaren Stil (meiner Meinung nach mehr Journalismus als Literatur), aber sehr persönlich. Man hat oftmals das Gefühl, dass er sich gewissen Dinge einfach von der Seele schreiben muss.
Und dann immer wieder diese Frage: "Und was hat das mit mir zu tun?", die sich der Autor ständig stellt.
Ich persönlich glaube, dass er mit dem Buch nicht unbedingt zum Lieblingsverwandten avisierte innerhalb seiner Verwandtschaft, bei denen es sicher einige geben wird, die gewisse Dinge lieber auf sich beruhen lassen wollen. Vergangenheit ist Vergangenheit. Ist das legitim? Ist nicht jeder nur für sein eigenes Leben verantwortlich und nicht in einer Sippenhaft? Darf man die Vergangenheit filtern und sich über die positiven Aspekte freuen und die negativen ruhen lassen? Kann man sich überhaupt in die damalige Zeit wirklich heineinfühlen? Versteht der Autor seinen Vater, mit dem er immer wieder diskutiert und ihn auch zu Reisen in die Vergangenheit mitnimmt?
Oder sind es eben die Wurzeln, egal ob sie dunkel oder hell sind, die uns ausmachen?
Muss man alles wissen, oder kann auch manches Nichtwissen, das eigenen Leben erleichtern?
Ich habe das Buch mit bewertet, und würde es durchaus auch Lesern empfehlen, die dieses Thema interessiert. Den halben Punkt Abzug gibt es für mich durch einzelne Passagen, u.a. mit seinem Therapeuten, die mir selbst etwas übertrieben erschienen (auch wenn sie vielleicht tatsächlich so stattgefunden haben sollten, was ich nicht beurteilen kann).