François Cheng – Über die Schönheit der Seele / De l'âme

  • Original : Französisch, 2016


    INHALT :
    Sieben Briefe an eine Freundin, die Cheng gebeten hatte, etwas über die Seele zu schreiben.


    « …. Ihren zweiten Brief habe ich lange Zeit in mir getragen, und erst heute will ich eine Antwort versuchen. Der Grund für diese Verzögerung – das haben Sie sicherlich erahnt – liegt in jenem Satz Ihrer Zeilen : « Sprechen Sie zu mir von der Seele... » … Ihren Satz : « Spät entdecke ich in mir eine Seele », glaube ich, mir selber mehrmals zugesprochen zu haben. Aber ich habe ihn wohl sogleich in mir erstickt aus Angst, lächerlich zu erscheinen. Nun ja, in einigen meiner Texte und Gedichte habe ich diese alte Vokabel wohm benutzt, was Sie also berechtigt, mich nun aufzufordern. Auf Ihre Einladung hin verstehe ich, dass die Zeit gekommen ist, mich auf diese Herausforderung einzulassen... »
    (Behelfsübersetzung aus dem französischen Klappentext)


    BEMERKUNGEN :
    Der sino-französische Schriftsteller François Cheng hat nun mehrere fast meditationsartige Bücher aneinandergereiht über Themen wie « Die Schönheit », « Der Tod », « Assisi und Franziskus » und nun halt « Von der Seele ». Dabei zeichnet ihn eine besondere Mischung zwischen Betrachtung, Spiritualität und Philosophie aus.


    Es handelt sich hier spürbar um Briefe, und als solche stehen sie in einem lebendigen Dialog mit der ungenannt bleibenden Künstlerin, die um einiges jünger zu sein scheint als Cheng, die er aber nun auch schon vor circa vierzig Jahren erstmals kennengelernt hat. Cheng geht in diesen Briefen auf die Einladung ein, und spricht auf seine poetische, spirituelle Weise, mit allerhand Hintergrundwissen aus dem philosophischen und religiösen Bereich von der Seele. Und das ist gerade im Klima Frankreichs kein Zuckerschlecken, denn es herrscht angesichts solcher Reizwörter oft ein regelrechter intellektueller Terror, der solch ein Wort, bzw die damit zusammenhängende Welt, von vorneherein ablehnt.


    Cheng arbeitet sich an verschiedene Assoiationen heran, die dieses Wort für ihn auslöst : Die Verbindung zur Schönheit ist eine davon. Der Lebenshauch (in allen spirituellen Traditionen) eine andere. Er postuliert die Seele als vorgebürtig und anhaltende Wesenheit, insofern hat sie mehr als alle anderen Instanzen Anteil an Ewigkeit. Laut eine Definition des Autors ist « die Seele ein unauslöschliches Zeichen der Einzigartigkeit und der Einheit des Menschen, und jedes Menschen ». Nicht Vernunft oder Geist garantieren die Würde des Menschen, sondern die Seele. Sie zeichnet auch jene aus, die zB intellektuell defizienter wären.


    Gut arbeitet Cheng die Sicht auf die Seele in den verschiedenen religiösen Traditionen aus, und entdeckt eine grosse Nähe. Dabei steht für ihn der buddhistische Ansatz ausserhalb der anderen Traditionen.


    Sehr interessant fand ich die Überlegungen angesichts der verschiedenen anthropologischen Verständnisansätze des Menschen. Heute reduzieren sich die alten dreifachen Instanzen von Körper – Geist – Seele oft auf einen Dualismus Geist-Körper, da man – um es salopp zu sagen – mit der Seele nichts mehr anfangen kann. Interessant, dass diese Sichtweise den Menschen reduziert und ihn reicher Zusprüche beraubt.


    Besonderen Raum nimmt nahezu ein ganzes Kapitel ein, in dem Cheng vom Werdegang der Philosophin Simone Weil erzählt, die auf besondere Weise den Platz der Seele ausarbeitete und diesem eine wichtige Prägung verlieh.


    Diese Bemerkungen sind weit davon weg, dem Buch gerecht zu werden. Es könnte sich auch trocken und spröde anhören, was im Buch poetisch und voller Esprit durchkommt.


    Eine wahre Freude, dieses Buch !


    AUTOR :
    François Cheng wurd 1929 in Nanchang in der Provinz Jiangxi gboren. Er ist Schriftsteller, Dichter und Kalligraph und erhielt 1971 die französische Staatsangehörigkeit. Nach Studien an der Universität von Nankin erreicht Cheng 1948 Paris als sein Vater dort eine Arbeit bei der UNESCO erhält. Während seine Familie 1949 wegen des chinesischen Bürgerkrieges weiter in die USA emigriert, lässt sich François dauerhaft in Frankreich nieder, und wird leidenschaftlich von der französischen Kultur angezogen. Er studiert die Sprache und Literatur und lebt dabei in grosser materieller Einfachheit. In den 60iger Jahren studiert er an der Universität, beginnt mit Übersetzungsarbeiten französischer Dichter ins Chinesische, ud später auch umgekehrt.


    Seinen französischen Namen suchte er sich in Bezug auf Franziskus von Assisi aus.


    Broché: 162 pages
    Editeur : Albin Michel (2 novembre 2016)
    Collection : SPIRITUALITE
    Langue : Français
    ISBN-10: 2226326383
    ISBN-13: 978-2226326386

  • Das Buch kommt doch tatsächlich im März raus, und zwar unter dem Titel:


    Über die Schönheit der Seele: Sieben Briefe an eine wiedergefundene Freundin
    Vierzig Jahre ist es her: Ein noch wenig bekannter Schriftsteller sitzt in der Pariser Metro einer Frau gegenüber, deren Schönheit ihn bewegt, ja erschüttert. Sie erkennt ihn und spricht ihn an. Mehrfach treffen sie sich wieder, verlieren sich dann aber aus den Augen. Doch nun, Jahrzehnte später, erreicht ihn ein Brief: In vorgerücktem Alter denke sie immer mehr über die Seele nach. Und sie bittet ihn, ihr von der Seele zu erzählen. Seine Antwort gibt François Cheng der fernen Geliebten in sieben Briefen, nachdem er selbst ein Leben lang nach den Geheimnissen der Seele gesucht hat. Tastend durchquert er die Landschaft in unserem Innersten und befragt die großen Weisen und Dichter des Ostens wie des Westens, des Altertums und der modernen Zeit. Dabei nähert er sich der Einsicht an, dass es am Ende doch – trotz allen Einsprüchen der Moderne – die Seele ist, die bleibt, auch wenn Körper und Geist von Schwäche befallen werden. Sie ist das Einzigartige und darum das Kostbarste in jedem Menschen und zugleich das Geschenk, das jeder in das Leben der Welt einbringen kann. François Chengs Briefe mit ihrem schlichten, poetischen, zarten Ton sind ein berührendes Trostbuch für unsere Zeit.



    (Ich halte die Bezeichnung als "Geliebte" als unangemessen, bzw habe das nicht so wahrgenommen. Wenn schon, dann Freundin?!)


    Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
    Verlag: C.H.Beck; Auflage: 1 (15. März 2018)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3406719465
    ISBN-13: 978-3406719462


    Kann ich einen Moderator ( @Squirrel ?) bitten, den Fredtitel mit dem deutschen Titel zu erweitern? Danke!

  • Da tom leo schon über den Inhalt und den Autor geschrieben hat, komme ich direkt zu meinem Eindruck. François Cheng hat ein derartig kluges und überaus tiefsinniges Buch über die Seele geschrieben, dass jeder Versuch von mir eine Zusammenfassung zu schreiben schon im Kern erstickt wird. Wie man auf gerade mal 156 Seiten derartig viele Gedanken reinpressen kann, lässt meine Schwierigkeit erahnen dafür Worte zu finden. Wobei das Wort "reinpressen" nicht negativ zu verstehen ist. Es ist als Essenz langen Nachdenkens zu verstehen, bei dem das wichtige von unwichtigem getrennt wurde.

    Wie in dem Beitrag von tom leo nachzulesen ist, arbeitet er sich über verschiedene religiöse Richtungen dem Begriff Seele. Als Leser erahnt man Stück für Stück die Schönheit und Einzigartigkeit der Seele.


    Sehr interessant fand ich die Überlegungen angesichts der verschiedenen anthropologischen Verständnisansätze des Menschen. Heute reduzieren sich die alten dreifachen Instanzen von Körper – Geist – Seele oft auf einen Dualismus Geist-Körper, da man – um es salopp zu sagen – mit der Seele nichts mehr anfangen kann. Interessant, dass diese Sichtweise den Menschen reduziert und ihn reicher Zusprüche beraubt.

    Das fand ich auch sehr interessant. Und auch den Teil über Simone Weil, die mir bis dato völlig unbekannt war.



    Das Buch hat mich schlichtweg umgehauen. Aber ich muss auch schreiben, dass ich nicht alles auf Anhieb verstanden habe bzw. verstehe. Es ist also kein Buch, das man mal auf die Schnelle lesen kann. Auf jeden Fall eines, welches man gerne immer wieder in die Hand nimmt.


    Eine wahre Freude, dieses Buch !

    So ist es!


    Diese Bemerkungen sind weit davon weg, dem Buch gerecht zu werden. Es könnte sich auch trocken und spröde anhören, was im Buch poetisch und voller Esprit durchkommt.

    Und auch da bin ich absolut bei dir! Poetisch und voller Esprit, das trifft es gut. Man selbst sucht da vergeblich nach den richtigen Worten.


    Ich werde mich auch nach den anderen Büchern von François Cheng umschauen, die im Beck Verlag erschienen sind.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • @Yurmala Danke dir! Ich habe mir die Bücher gerade angeschaut. Wenn ich die Inhaltsangaben bzw. die Rezensionen der beiden Bücher richtig lese, dann handelt es sich ja um das gleiche Buch nur mit einem anderen Titel. Meintest du vielleicht noch "Die allzu kurze Ewigkeit"?

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  • Farast Du hast Recht. Der erste Roman von François Cheng ist im Original "Le Dit de Tianyi" und erschien 1998; er spielt im 20. Jahrhundert. Der andere Roman heisst im Original " L'Eternité n'est pas de trop", wurde in Frankreich 2002 veröffentlicht, und die Handlung fällt ans Ende der Ming-Dynastie (17. Jahrhundert). Beide Romane sind lesenswert. Ich habe eine kleine Vorliebe für den Erstling :wink:
    Ich sollte nichts schreiben ohne mich vorher der Richtigkeit überzeugt zu haben.

  • @Yurmala Da ich mich nicht entscheiden konnte, habe ich jetzt beide Buchtipps von dir recht günstig gekauft. In den nächsten Tagen müssten sie bei mir eintreffen. Und dann noch Chengs Meditationen über die Schönheit.

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