Robert Crawford (d.i. Hugh C. Rae) - Komm mit und stirb / The Marksman

  • Der Autor (Quelle: Alex Flückigers Krimiseite flubow.ch): Hinter dem Pseudonym Robert Crawford verbirgt sich der schottische Schriftsteller Hugh Crauford Rae (22. November 1935 - 24. September 2014), der auch als James Albany, R.B. Houston, Stuart Stern und Jessica Stirling schrieb.


    Hugh C. Rae wurde als Sohn einer Arbeiterfamilie in Knightswood, einer Vorstadt von Glasgow, geboren und ging dort, bis er sechzehn Jahre als war, zur Schule. Unterbrochen durch den Militärdienst bei der Royal Air Force, arbeitete zwölf Jahre im Antiquariat einer Glasgower Buchhandlung und schrieb nebenbei Gedichte und Stories, die zum Teil in amerikanischen Magazinen abgedruckt wurden. Der Erfolg seines ersten - auf einem realen Kriminalfall beruhenden - Spannungsromans 'Skinner' erlaubte es ihm, sich fortan ganz auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. Sein Werk enthält Gedichte, Kurzgeschichten, ein Bühnenstück, ein Radiohörspiel, zwei Television Plays, sieben Kriegsromane (unter dem Pseudonym James Albany) , zahlreiche historische Romanzen (unter dem weiblichen Pseudonym Jessica Stirling) und zwanzig Krimis, die mehrheitlich unter bürgerlichem Namen und dem Pseudonym Robert Crawford (auf Deutsch ausschließlich unter dem Crawford-Pseudonym) erschienen sind. Darüber hinaus gab er Erwachsenen-Kurse in Kreativem Schreiben an der Glasgow University.


    Inhalt (Klappentext): Der Junge ist tot. Daran kann auch Weaver nichts mehr ändern. Aber er kann seinen Sohn rächen. Zwölf Jahre war er alt, als er sterben musste. Sie hatten ihn an die Hinterachse eines Lastwagens gebunden und ihn zu Tode geschleift. Ein grausamer Mord, bestialisch und gemein. Das war vor über einem Jahr passiert, und der Polizei war es nicht gelungen, die Mörder zu finden. Aber jetzt ist Weaver da, und er hat sich geschworen, diejenigen, die seinen Sohn auf dem Gewissen haben, zu erledigen. Doch zuerst muss er wissen, wer die Täter sind, erst dann kann die gnadenlose Jagd beginnen. Als er endlich ihre Namen kennt, überlegt er sich nur noch, wie er mit den Mördern abrechnen kann.




    Der Roman erschien unter dem Originaltitel "The Marksman" und unter Nennung seines Geburtsnamen Hugh C. Rae 1971 bei Constable in London. Die deutsche Übersetzung besorgte Elisabeth Böhm. Sie erschien 1972 als Band 1479 in der Reihe "Heyne Crime" in München unter dem lahmen Titel "Komm mit und stirb". Diese Ausgabe umfasst 126 Seiten. Da die englischen Ausgaben weit mehr Seiten aufweisen (260 und mehr), handelt es sich aller Voraussicht nach um eine gekürzte deutsche Fassung, eine seinerzeit gängige Praxis, um die Romane schmaler und damit in der Herstellung preisgünstiger zu halten. Im Jahr 1987 entstand auf Grundlage des Romans für die BBC die dreiteilige Miniserie "The Marksman" mit David Threlfall in der Hauptrolle.


    Au Backe, das konnte ich wirklich nicht ahnen, mit dem Roman „The Marksman“ offensichtlich einen der besten Rache-Thriller zur Hand genommen zu haben, der mir bisher untergekommen ist. Ein bitterböses Monstrum von entsetzlicher Hoffnungslosigkeit. :shock:


    Unter seinem Pseudonym „Robert Crawford“ veröffentlichte der Ex-Buchhändler Hugh C. Rae aus Glasgow schon einige gelungene Hardboiled-Krimis um die halblegalen (nein, eigentlich gar nicht legalen :wink: ) Machenschaften von Arthur Salisbury und Frank Shearer, die versuchen, sich ihre Prozente von den Geschäften britischer Gangster abzuzwacken. Aber in diesem Standalone-Thriller legt er noch eine gehörige Schippe Düsternis und Hoffnungslosigkeit nach.


    Donald Weaver, ein Berufsverbrecher ohne jegliches Strafregister, der vor Jahren aus Glasgow verschwand und nach Spanien ging, kehrt wegen eines Briefes seines Ex-Schwiegervaters, des Alkoholikers Doyle, in die alte Heimat zurück, um den oder die Mörder seines zwölfjähriges Sohnes Gordon, der bei seiner keifenden Exfrau geblieben war – und mit dem ihn nichts, auch kein Gedanke während seiner Abwesenheit, verband, der Gerechtigkeit zu überführen. Der Junge war an die Hinterachse eines Lastwagens gebunden und zu Tode geschleift worden. :shock: Zunächst muss sich Weaver etwas „Arbeitsgeld“ beschaffen und steigt für einen Coup bei einem alten Bekannten ein, der den Gangster McFadden um seine Wocheneinnahme an Schutzgeldern bringt. Seinem Bekannten macht er dessen junge Geliebte Hazel abspenstig und kommt mit dem korrupten Bullen Greerson ins Geschäft, der sowohl mit Hazel, als auch mit McFadden „vertraut“ ist, und erhält von ihm die Namen einiger gewissenloser Jugendlicher, die anscheinend die Mörder seines Sohnes waren – nur, dass ihnen bisher keine Schuld bewiesen werden konnte ...


    Mit kalter Präzision legt der lückenlos geplottete Roman wirklich allen (lebensecht gezeichneten) Figuren die Schlinge um den Hals und zieht zu. Reißt in kleinen Nebensätzen und auf den Punkt gebrachten Dialogen dem groß aufgebauten Rachemotiv die letzten Fetzen Anständigkeit herunter und schafft so ein wirklich niederschmetterndes Gesamtbild, das jedem Leser klar machen sollte, dass Rache niemanden wirklich glücklich machen kann. Dass Schuld nicht beglichen werden kann. Genugtuung als reine Eitelkeit. Selbst, wenn Weaver den Tod seines Sohnes zu rächen vermag, wird ihm sein ganzes weiteres, trauriges Leben die Tatsache auf der Seele liegen, dass er zuvor keinen Gedanken und keine Vatergefühle an seinen Jungen verschwendete:


    Zitat

    Jetzt wusste er, dass Verbrechen nicht unbedingt in Form von Haft gesühnt werden mussten, sondern auch durch die Erinnerung an einen Jungen. Er empfand keinen Kummer und kein Mitleid. Er empfand gar nichts. Und in diesem Nichts lag die Härte seiner Strafe. (S. 50)


    Täter, deren rasender Hass schon allein dadurch geschürt wird, dass ein Unbeteiligter niemanden zu brauchen und sich selbst zu genügen scheint. Ein sinnloses Verbrechen, das fast perfekt, aber im Grunde ebenfalls ohne Sinn, gesühnt wird – und so weitere Unbeteiligte in Trauer und Verzweiflung stürzt. Dieser luftabschnürende Roman ist einfach zu gut. :thumleft:


    Warum Robert Crawford (bzw. Hugh C. Rae) nicht schon längst der ihm gebührende Ruhm eines britischen Noir-Meisters anhaftet, ist eine Schande. Schon allein für die amoralischen Abenteuer der Salisbury-&-Shearer-Reihe (die ein wenig in Richtung Lawrence Block geht), aber noch mehr für diesen Standalone-Roman, der die kalte Präzision von Noir-Helden wie Ted Lewis und Edward Boyd mit der depressiven Melodramatik eines David Goodis vermengt, müsste er längst allseits als britischer Klassiker der 1970er verehrt werden. :pray:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Nachdem die britische Verfilmung als TV-Serie gelaufen ist, erschien 1987 diese Ausgabe bei Sphere unter dem Originaltitel "The Marksman".

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

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