Oliver Plaschka - Marco Polo: Bis ans Ende der Welt

  • Inhalt lt. Amazon:
    Ein heldenhafter Abenteurer? Ein geistreicher Berater der Mächtigen? Oder doch nur ein einfacher Betrüger? Die einzige Romanbiografie über eine der schillerndsten Figuren des Mittelalters: Marco Polo
    Ist dieser Mann ein Held, ein Genie oder nur ein Lügner? Diese Fragen gehen dem Geschichtenerzähler Rustichello durch den Kopf, als er der Erzählung seines Mitgefangenen Marco Polo lauscht. Hat dieser Marco es wirklich bis an den Hof des Kublai Khan geschafft?
    Doch diese Fragen verblassen mehr und mehr, je stärker der geschickte Geschichtenerzähler Marco seinen Zuhörer mit seinen Schilderungen gefangen nimmt. Und so reist Rustichello mit Marco zurück in die Vergangenheit, bestaunt mit ihm die Wunder Asiens, hört von dem Geschick, mit dem der Venezianer alle kulturellen Gräben überwinden und zu einem der wichtigsten Männer Chinas aufsteigen konnte ...


    Autor:
    Oliver Plaschka (* 1975 in Speyer) promovierte an der Universität Heidelberg und arbeitet als freier Autor und Übersetzer. FAIRWATER gewann 2008 den deutschen Phantastikpreis für das beste Romandebüt. Es folgten DER KRISTALLPALAST (mit Alexander Flory und Matthias Mösch), DIE MAGIER VON MONTPARNASSE und DAS LICHT HINTER DEN WOLKEN (Quelle: Amazon).


    Rezension:
    Im Jahr 1298 bekommt Rustichello da Pisa, der seit 15 Jahren im Gefängnis in Genua einsitzt, einen neuen Zellennachbarn. Der Zellennachbar stellt sich als Marco Polo vor, Venezianer, der wie Rustichello bei einer Seeschlacht in Gefangenschaft geraten ist. Erst gehen sie nur zögernd aufeinander zu, doch die Andeutungen Marco Polos über sein Leben machen Rustichello - einen Geschichtenerzähler - neugierig, und er fordert ihn auf, seine Lebensgeschichte zu erzählen.
    Marco Polo erzählt seinem Zellennachbarn daraufhin von seinem Weg, der ihn als 15jährigen Jungen von Venedig mit seinem Vater und Onkel über Akko und Jerusalem durch Persien hindurch bis in die Mongolei führt. In der Mongolei hält er sich 17 Jahre am Hofe Kublai Khans (dem Enkel von Dschingis Khan) auf, bis er wieder nach Venedig zurückkehrt.
    Dabei erzählt er nicht nur von seiner Reise. Er schildert die Landschaften, die er sieht, die Menschen, denen er begegnet. Nebenbei erzählt er auch von Sagen und Begebenheiten, von denen er im Laufe seiner Reise erfährt (wie die Geschichte von Buddha. Die Geschichte der Schlüsselhüter des Tempels von Jerusalem. Die Geschichte von Scheherazade). Da er von seinem Onkel und seinem Vater getrennt wird, berichtet er auch noch von den Erlebnissen seines Vaters.
    Und immer wieder kehren wir in das Gefängnis von Genua zurück. Marco Polo hat sich die Geschichte von Scheherazade, die ihr Leben rettete, indem sie immer an der spannendsten Stelle eine Pause einlegte, zum Vorbild genommen, denn auch er erzählt so von seiner Reise und seinen Erlebnissen.
    Mir hat der Erzählstil Oliver Plaschkas, den ich bis jetzt nur als Autoren von Fantasy kannte, sehr gut gefallen. Er beschreibt die Landschaften, die Marco Polo bereist, sehr eindringlich und sehr schön. Besonders die Beschreibung von Xanadu, der Sommerresidenz Kublai Khans, hat mich beeindruckt.
    Bei der Erzählung Marco Polos im Hintergrund immer die Frage schwebte, ob er die wirklich gerade die Wahrheit erzählt. Eine mich persönlich befriedigende Antwort habe ich gefunden :wink: , doch das muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.


    Hervorzuheben an dem 864 starken Hardcover ist nicht nur das wunderschöne Cover, sondern auch das reichliche Zusatzmaterial: Stammbaum der Dschingisiden, eine Karte, in der die von Marco Polo besuchten Orte eingezeichnet sind (mit ihren damaligen Bezeichnungen), ein Figuren- und ein Ortsverzeichnis (damalige und heutige Bezeichnungen), eine Aufstellung über die historischen Ereignisse zur Zeit Marco Polos. Dazu noch ein Nachwort, in dem Oliver Plaschka genau darauf eingeht, was in dem Buch Erfindung und was Fakten sind, und an welchen Stellen er sich dichterische Freiheit erlaubt hat, sowie ein Literaturverzeichnis.
    Ein kleines Bonbon: Wer das Buch Das Gold des Meeres von Daniel Wolf kennt, lernt dort auch den Statthalter Tarmaschirin kennen. Oliver Plaschka hat diese Figur, die Daniel Wolf erschaffen hat, aufgegriffen und weiter entwickelt.


    Mir sind lediglich zwei kleinere historische Ungenauigkeiten aufgefallen: der wiedergekehrte Vater Marcos begrüßt diesen mit "Hallo". Und später im Buch spricht Rustichello von "einem Siegfriedsmal, das wir alle auf dem Rücken tragen". Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob die Siegfriedssage damals (um 1298) schon so zum Allgemeingut gehörte, dass Rustichello von dem Siegfriedsmal reden kann. Andererseits war er ein recht bekannter Literat, dem das Nibelungenlied bekannt sein könnte.


    Ich vergebe in der Hoffnung, dass Oliver Plaschka noch weitere historische Romane schreibt, wohlverdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall