S. E. Grove - Weltenriss / The Glass Sentence

  • Ein großartiges Abenteuer mit faszinierenden Ideen, die an einen modernen Jules Verne erinnern: Ich bin begeistert!


    Den Klappentext bzw. die Verlagsinfo würde ich nicht lesen, denn da gibts kleine Spoiler, die man nicht unbedingt vorher wissen muss.


    Das ganze ist etwas schwierig zu beschreiben und verlangt etwas Gedankenakrobatik, denn im Juli 1799 wurde unsere Welt gespalten: seitdem herrschen auf den Kontinenten bzw. auch Ländern verschiedene Zeitalter, die sogar bis in die prähistorische Geschichte zurückreichen. Sich das ganze vorzustellen war nicht so leicht, wobei ich denke, dass gerade Kinder und Jugendliche noch ein etwas anderes Verständnis in ihrer Fantasie dafür haben, als wir Erwachsene.


    Allerdings ist der Schreibstil hier sehr anspruchsvoll finde ich und für 12jährige vielleicht nicht immer einfach, gerade die komplexen Zusammenhänge. Ich fands super erklärt, auch wenn eben auch noch etwas offen bleibt, um sich seine eigenen Vorstellungen zu machen und vor allem hat mich die Geschichte einfach mitgerissen. Das Tempo ist eigentlich recht geruhsam, trotzdem geschieht so viel und ich war so fasziniert von den vielen originellen Ideen, dass ich nur so durch die Seiten geflogen bin! Allerdings muss man sich schon etwas Zeit lassen und genau lesen, damit man alles versteht - zumindest ging es mir so.


    Sophia Tims ist 13 und lebt mit ihrem Onkel Shadrack Elli in Boston im dortigen Jahr 1891. Es deutet sich ein sehr einschneidender Umschwung an, denn die Grenzen zu den anderen Zeitaltern sollen geschlossen werden. Alle Menschen, die sich ohne Papiere in der Zeitzone aufhalten, sollen abgeschoben werden und selbst das ausreisen für Einheimische soll verboten werden.
    Eine Katastrophe für Sophia, denn ihre Eltern sind seit langer Zeit bei einer Expedition irgendwo verschollen und der Plan, zusammen mit ihrem Onkel auf die Suche zu gehen, wird dadurch ....


    Shadrack Elli ist einer der berühmtesten Kartologen und Forschungsreisenden und hat einige neue, sehr spezielle Arten entdeckt, Karten anderer Länder anzulegen. Er hat ein breit gefächertes Wissen angesammelt, was er in liebevoller Art und Weise an seine Nichte weitergibt. Sophia ist zwar erst 13, hat aber durch den Umgang mit den hauptsächlich älteren Kommilitonen und Kollegen des Professors oft schon eine sehr erwachsene Sicht der Dinge.


    Die Ideen hier sind wirklich genial, aber nicht nur, was die Karten und das verquere Gefüge der Welt betrifft, sondern auch der Handlungsverlauf, der viel offen lässt, Überraschungen bereit hält und völlig neue Gedankengänge bietet, auf die man sich erstmal einlassen muss. Aber eben auch die Charaktere, wobei ich hier hoffe, in den Fortsetzungen noch etwas tiefer hinter die Fassaden blicken zu können.


    Neben Sophia und ihrem Onkel Shadrack gibt es noch den Burschen Theo, ein sehr charmanter und scheinbar unbekümmerter Geheimnisträger und die Piraten Geschwister Calixta und Burr, die mir alle ans Herz gewachsen sind. Aber natürlich lauern auch an jeder Ecke Gefahren und eine böse Widersacherin, gegen deren makaberes Ziel unsere jungen Helden alles in ihrer Macht stehende tun müssen.
    Sie alle hätten vielleicht noch etwas mehr ausgearbeitet werden können, aber es hat mir eigentlich nicht gefehlt, denn die Geschichte ist so voller Staunen und Wunder, dass das gar nicht so ins Gewicht fällt. Viele der Andeutungen und Skizzen reichen schon, um ein Gefühl für die Figuren zu bekommen.


    Die einzelnen Kapitel werden jeweils mit kleinen Erläuterungen oder Ausschnitten eingeleitet, die für ein besseres Verständnis sorgen und damit den Leser immer mehr in diese komplexe Welt eintauchen lassen.
    Sehr erfrischend war auch das stetige Vorankommen der Handlung, ohne sich mit unnützem Zeug aufzuhalten, genauso wie die Charaktere keine unnötigen Spielchen oder dummen Aktionen gebracht haben, was ja leider oft als Stilmittel gebraucht wird. Dadurch wirkt es echt, lebendig und ist insgesamt sehr gut durchdacht. Ein großartiges Abenteuer, dass auch Jules Verne sicher gefallen hätte!


    Fazit: 5 Sterne


    © Aleshanee
    Weltenwanderer


    Die Weltenriss / Mapmakers Trilogie


    1 - Die Karten der verlorenen Zeit
    2 - The Golden Specific
    3 - The Scrimson Srew

  • Die Autorin über sich:

    I am a historian and an aspiring explorer! Having grown up in Latin America and all over the US, I am used to living in different kinds of places. And I move a lot. Over the last twenty-five years, I've moved at least every two years! Now I've somewhat settled in the Boston area, and I'm hoping to break my own record by staying here a long, long time.

    As a historian, I'm also used to traveling to other time periods (at least in my head). I am interested in just about every kind of history, but my reading takes me most often to the Americas and history of the Spanish-speaking world. My favorite kind of history is not about famous people, who get a lot of attention anyway, but obscure people. I most enjoy reading histories that immerse you in a time and place, giving you a sense of daily life there.

    Inhalt

    Im Jahr 1891 hat die Welt wie wir sie bisher nicht kannten einen Weltenriss hinter sich, der die Kontinente auseinander riss und jedes Teil in ein anderes Zeitalter schleuderte. Einige Zeitalter gingen dabei verloren, so dass Regionen wie Südamerika, Kanada, Teile Russlands und die Arktis/Antarktis nicht entdeckt werden konnten; denn die Entdecker wurden gar nicht erst geboren. Solch ein Zeitphänomen hätte z. B. dazu führen können, dass die Ostküste Nordamerikas nicht von Weißen besiedelt wird – aber dann wäre dieses Buch nicht geschrieben worden. Aktuell gibt es in der Neuwelt, die nach dem Weltenriss aus den Oststaaten der heutigen USA besteht, eine xenophobe Bewegung, die die Grenzen schließen und alle Fremden ausweisen lassen will. Die Abgrenzung des Landes soll dem Schutz vor Räuber- und Piratenbanden dienen. In einer Gemeinschaft, die schon immer Sklaven aus anderen Ländern kaufte und mit Fremden vertraut war, sind das sonderbare Ziele. Für Sophia, die Heldin der geplanten Trilogie, hätte die Abkapselung ihres Landes dramatische Folgen. Ihre Eltern sind auf einer Forschungsreise verschollen und sie ist sich nicht sicher, ob sie Ausweispapiere und die vorgeschriebene Lebensuhr besitzen. Sollten ihre Eltern überlebt haben, wäre ihnen die Rückkehr verwehrt. Später im Buch wird klar, dass der Zeitenriss an den Küsten und in den Häfen viele Arbeitsplätze vernichtet hat, eine deutliche Parallele zu den ökologischen Problemen der Gegenwart.


    Das Mädchen lebt in Boston bei seinem Onkel Shadrack. Shadrack arbeitet als Kartologe, Entdecker, Geschichtsschreiber und ist als berühmter Professor so in seine eigene Welt versponnen, dass Sophia ungestört ihren eigenen Interessen nachgehen kann. In der Neuwelt existieren Karten in den abenteuerlichsten Varianten, auf Glas, Holz, Ton, Seife und auf Gemüsezwiebeln. Zeit ist ebenso kartierbar wie die Erinnerungen der Menschen. Auch dynamische Karten existieren, in denen verschiedene Zeitalter miteinander verwoben wurden.


    Sophia verfügt außer ihrer unstillbaren Neugier über die Eigenheit, dass sie kein Zeitgefühl besitzt. In einer für ihren Orientierungssinn und ihr Zeitgefühl berühmten Familie ist sie also eine krasse Außenseiterin, der keine große Entdecker-Karriere bevorsteht. Im Laufe der Handlung könnte sich herausstellen, dass eine vorgebliche Schwäche ebenso eine Stärke sein kann.


    Als Shadrack entführt und seine wissenschaftlichen Unterlagen zerstört werden, macht sich Sophia auf der Suche nach ihrem Onkel auf ins Ungewisse, unterstützt von Theo. Der elternlose Theo hat als Kind bei Räubern gelebt, später beim Zirkus, verkörpert also genau das Fremde, vor dem die Neuwelt sich schützen will.


    Mit dem Zeitphänomen verschwundener Zeitalter hat S. E. Grove eine fantastische, originelle Welt geschaffen mit einer alternativen Geschichtsschreibung. Sophia als früh erwachsen gewordene Außenseiterin eignet sich perfekt für die abenteuerliche Mission in einer phantastischen Welt, ihre Persönlichkeit ist in der Jugendliteratur jedoch nicht sonderlich neu. Das Zeitphänomen finde ich für eine Zielgruppe ab 12 sehr komplex, für diese Altersgruppe fehlt dem Buch m. A. eine klare Spannungskurve, die auch Leser mit wenig Leseerfahrung in das Buch hineinziehen kann. (Bücher, die wie dieses in Deutschland als New York Times Bestseller vermarktet werden, fand ich bisher sehr oft nur mittelmäßig.) Grove zeigt sich hier nicht als ausgesprochene Jugendbuchautorin, sondern phantastische Stoffe scheinen sich auf dem Young Adult-Buchmarkt einfacher vermarkten zu lassen. Verlag und Autor müssen dann weniger auf eine zielgruppengerechte Sprache achten (z. B. keine Satzkonstruktionen mit 6 Nebensätzen, keine exaltierten Ausdrücke). Der deutsche Text hätte passend zur Zeit der Handlung gern auf Modernismen und Anglizismen verzichten können, die im 18. Jahrhundert nicht üblich waren.


    Fazit

    Eine originelle Idee, eine anfangs noch farblose Heldin und ein für die jugendliche Zielgruppe zu wenig spannender Plot.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: --

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow