Verna B. Carleton - Zurück in Berlin/Back to Berlin. An Exile Returns

  • Bei einer Atlantiküberquerung auf einem heruntergekommenen Schiff trifft die namenlose Erzählerin, eine US-Amerikanerin, auf einige Menschen, die den Krieg in Europa hautnah erlebt haben. Unter anderem eine englische Gouvernante, einen ehemaligen französischen Widerstandskämpfer, einen "strammen Deutschen" und das britische Ehepaar Eric und Nora Devon. Eric ärgert sich massiv über die markigen Sprüche des Deutschen, wozu er allen Grund hat, wie bald klar wird. Denn Eric ist gebürtiger Deutscher mit jüdischem Blut und ist ein paar Jahre vor dem Krieg aus Deutschland geflüchtet.


    Was wie großes Glück klingt, nämlich die Flucht rechtzeitig angetreten zu haben und nicht unter dem unbarmherzigen Naziregime verhaftet oder gar getötet worden zu sein, hat bei Eric vor allem eines bewirkt: schwere Schuldgefühle und die Unfähigkeit, über seine persönliche Vergangenheit zu sprechen. Er hat alles, was vor seiner Emigration geschehen ist, verdrängt und ausgeblendet, nicht einmal Nora weiß irgendwelche Details über seine Kindheit oder seine Familie.


    Doch nun sind die Devons mit ihrer amerikanischen Begleiterin auf dem Weg nach Berlin, wo Eric aufgewachsen ist. Erstmals seit zwanzig Jahren setzt er wieder einen Fuß auf deutschen Boden und begibt sich eher widerwillig und von Nora angespornt auf die Suche nach Spuren seiner Familie. Ein aufwühlendes Unterfangen, das Eric viel Kraft kostet, weil es ihn zwingt, endlich zurückzublicken und sich dem Vergangenen zu stellen - auch den eigenen Fehlern.


    Allein schon als Zeitdokument ist dieser wiederentdeckte Roman einer hierzulande kaum bekannten Autorin lesenswert. Erstmals veröffentlicht wurde das Buch 1959, und erstaunlich hellsichtig wirken manche Passagen, in denen über die Zukunft des damals geteilten Deutschlands spekuliert wird. Bei einem heute erschienenen Buch würde man annehmen, der Autor habe der Figur den Gedanken hübsch passend in den Mund gelegt, hier bekommen wir jedoch die echte Perspektive der Nachkriegszeit zu lesen.


    Viele der damals aktuellen Themen haben (leider) nichts an Brisanz eingebüßt: nationalistisches Denken (und Nazis in der Politik), Vergangenheitsbewältigung, Integration, um nur einige zu nennen. Gottlob passé ist die deutsche Teilung, die ja gerade in Berlin spürbar war und den Alltag prägte, wie uns Carleton in einigen eindringlichen Szenen vor Augen führt. Sehr anschaulich schildert sie auch das damalige Stadtbild Berlins mit Nachkriegsbausünden neben Bombenruinen.


    Erics Probleme mit seiner Identität und Zugehörigkeit nehmen einigen Raum ein, werden aber konsequent von außen geschildert. Er wirkt oft extrem in seinen Emotionen und Äußerungen und bleibt dem Leser dadurch eher etwas fremd. Generell beeindruckt das Buch aber mit einer facettenreichen und glaubhaften Figurenzeichnung, die nur gelegentlich das eine oder andere Klischee streift, und einem detaillierten, treffenden und nicht immer schmeichelhaften Porträt der deutschen Nachkriegsgesellschaft.


    Das einzige, was im Gesamtbild etwas stört, ist die komplett farblos bleibende Erzählerin, bei der man spürt, dass sie nur ein Vehikel ist, das die Handlung vorantreiben und als neutrale Beobachterin und Erzählstimme dienen soll. Da spürt man die Absicht, ist ein wenig verstimmt und fragt sich, ob es nicht auch ohne diesen Kniff gegangen wäre.


    Trotzdem eine sehr empfehlenswerte Wiederentdeckung, die Deutschland nach dem Krieg aus einer sehr interessanten Perspektive schildert.

  • Ich finde nur diese merkwürdige englische Ausgabe ... Amazon behauptet jedenfalls Müll, das Buch ist bestimmt nicht vor 1923 erschienen, wenn es von Deutschland nach dem 2. Weltkrieg handelt! [-(

  • Danke fürs Detektivspielen. Das sieht doch eher nach einer richtigen Originalausgabe aus, auch wenn sie wohl vergriffen ist.