Gerda Smorra - Inselgedichte: mit Fotos von Pellworm

  • Eingangs möchte ich eine einzelne Zeile aus Gerda Smorras Bild- und Lyrikband "Inselgedichte" hervorheben, die meine Faszination bei der Betrachtung ihres Werkes trefflich herauskristallisiert:
    " ... wiesen haben ein grün eingefangen das kaum zu glauben ist ... "
    Weder das Prädikat "Buch" noch ein technisch-kühler Begriff wie "Druckerzeugnis" vermögen diesem durch sensible und feinfühlige Gestaltung hervorgebrachten Kunstwerk annähernd gerecht zu werden. Dennoch werde ich mich davor hüten, diesem ausdrucksstarkem Konzentrat eines Insellebens in visueller und lyrischer Form mit allzu viel Pathos zu Leibe zu rücken. Schönheit, ja, dergleichen gibt es auch hier in diesem sehr individuellen, Seite für Seite erschaffenen Werk. Die Sonnenaufgänge (respektive Untergänge), die Himmel und Wasser mit flammenden Tönen färben, darin das Auge schwelgt und die Sinne eine unbestimmte Sehnsucht widerspiegeln. Aber Gerda Smorra stellt – in tief-menschlicher Dualität – diesen betörenden Impressionen auch mal granitschwarze Seiten gegenüber, auf denen die poetischen Zeilen in weißer Kursivschrift wie ausgestanzt und zugleich doch arg zerbrechlich wirken.
    "mein land zerfließt in absurde grenzen
    und fängt mich ein und gibt mich preis
    mein ruf verirrt sich in der weite
    und prallt totleer auf mich zurück ... "


    Das atmosphärische Farbspiel der eingefangenen Augenblicke (in) einer Landschaft und des Daseins auf der Insel Pellworm findet ansonsten ihre jeweilige Ergänzung auf den daneben liegenden, in harmonisierenden Farbtönen gehaltenen beschriebenen Seiten. Ein Spektrum, das jedes Textbild bald kraftvoll bis dramatisch, bald zärtlich nuanciert einbettet. Die Dichterin hat hinsichtlich der Gestaltung gewissermaßen nichts dem Zufall überlassen ... und doch, so scheint es, haben der Zufall (den wir gemeinhin Leben nennen) und die Wirkungskräfte der Natur Einzug gehalten unter der VERWIRKLICHUNG dieses Bild- und Lyrikbands, indem sie Wahrnehmung und Geist gleichermaßen durchdringen – ähnlich dem "Aprilnebel" etwa, in dem es heißt:
    nicht nur / der Zauber dieser anderen Welt / das ahnen der vertauschbarkeit / von raum und zeit / von sein und traum / nicht nur / der schauer alter märchen / qicksand und höher steigt die flut / auch / dass der weg vertraut ist / nichts / kann verloren gehen.
    Die Seiten atmen im Zyklus der Gezeiten, der Erde Drehung, der Wechsel der Jahreszeiten, und mittendrin das Wort der Dichterin, nicht schwermütig, nicht übermütig leicht, nur einfach da, ganz dicht am Inneren, ganz dicht am Äußeren, ganz nah ... wie der "Austernfischerschrei".


    Peter Pitsch