Ehe ich's vergesse
Brighton Verlag
80 Seiten
Rückentext:
Ehe der Wirt des Theatercafés naht
mit einem Espresso Macchiato und
lächelnd meine Gedankenfolge bricht
erreicht mich die Erinnerung an dich
nicht weil der Schmerz des Verlustes
noch einmal das Gemüt durchmisst
die eigene Verletzbarkeit freilegt
auch nicht, weil nach deinem Fortgang
Jahre absurderweise vergangen sind
die Erlebnisse sich aneinanderreihten
ähnlich den Kleiderfetzen im
Wunderbaumduft eines Secondhandshops.
Vielmehr ist es die nüchterne
Vergegenwärtigung
die mich jählings bei den Haarwurzeln packt
und ein Anflug von Erschrockenheit
in Anbetracht meines maßlosen Vergessens.
Leseprobe:
Beim Hinausgehen
(ich hätt' es lieber lassen sollen!)
wagte ich noch einen Blick zurück:
du, unter all den Omas und Opas
zusammengesunken auf deinem Stuhl
knochenbleich und dement
ohne zu wissen wieso
ohne zu wissen weshalb.
Am jenseitigen Ende des Saals
zwei Schaufensterpuppen
ausgestanzte Plastikfratzen
das sinnlose Lächeln zielend
über die ergrauten Köpfe hinweg
und ich, jäh getroffen, dachte an
zahllose Tage und Nächte
dem Verständnis entzogen
unbegreifliche Mimikry
Randzone des Bewusstseins
Schemen unter lauter Schemen.