John Burnside - Wie alle anderen (Start: 07.11. 2016)

  • Autsch, das klingt nach einem sehr langen und mehr als anstrengenden Tag

    Wurde sogar noch später als geplant. Ich muss gestehen, dass ich auch heute nicht zum Lesen gekommen bin :pale: Aber das Wochenende gehört mir...

  • Aber das Wochenende gehört mir...

    Mir auch......... :wink: Kam die letzten Tage leider auch nicht zum lesen.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • @bittersweetlight und @taliesin Ich wünsche euch ein wunderbares, erholsames und entspanntes Wochenende mit vielen schönen Lesestunden. :montag: Ich selbst lese gerade das Kapitel "Der ungeheure Raum" zum zweiten Mal. Ach seufz, aber es war klar, dass man erst mal unsanft landen musste. Nur so hart hätte die Landung nicht sein müssen. :(

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Das wollte ich euch doch noch unbedingt verlinken. Bei Der Zeit gibt es einen interessante Artikel über unser aktuelles Buch, wie auch seinem Vorläufer und dem neuen Gedichtband von Burnside.

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  • California Dreaming II

    Es kommt zu einer kurzen Wiederbegegnung mit der grauhaarigen Frau in einer Buchhandlung. Die treffend feststellt, dass Burnside etwas loslassen muss, was er aber vermutlich schon weiß. Sie kommt mir so ziemlich weise vor. So jemand möchte ich auch mal treffen. Einen kurzen Blick in mein Gesicht und schon würde sie ins eigentliche Schwarze meiner Gedanken und Probleme treffen. Die ganze Szene ist sehr ruhig und fast schon meditativ (?) beschrieben. Alle Bewegungen, alle Handlungen sind wie bewusst ausgeführt.. So in sich Ruhend, wie die Frau auch selbst wirkt. Burnside bekommt ein Abschiedsgeschenk von ihr.

    Diese Begegnung hatte fast schon mystischen Charakter. Vielleicht ist es ja für einen in sich ruhenden Menschen wie diese Frau eher ersichtlich wie Burnsides Seelenleben
    sich darstellt. Sie fühlt wohl sehr intensiv das Dilemma Burnsides und wählt ein sehr passendes Buchgeschenk aus. Ich hatte das Gefühl, dass der Titel schon der entschei-
    dende Hinweis war. Ein neues Leben zu beginnen, einen Anfang zu suchen, aber nicht exzessiv, sondern Schritt für Schritt in aller Ruhe und Geduld. Diese ruhige Erzählweise
    weist auch daraufhin. Es ist Zeit die Dinge kommen zu lassen und nicht sie zu erzwingen. Herrlich beschrieben. Da geht mir das Herz auf.

    Er fühlt sich so gut wie lange nicht mehr. Zwar war er noch nicht geheilt, aber hatte das Gefühl neu anfangen zu können. Doch leider hält es nicht vor. Der letzte Satz verkündet so gar nichts Gutes mehr

    Man sieht es förmlich kommen, dass dies nicht der Beginn einer sich langsam entwickelnden Harmonie und Lösung ist. Vielleicht braucht Burnside ja das, was J.R.R. Tolkien einmal
    in einer Vorlesung die >Eukatastrophe< nannte. Schreckliche Ereignisse, eine furchtbare Katastrophe entwickelt sich zur Chance für einen völligen Neubeginn.


    Ich habe jetzt angefangen mit dem >Enormous Room< und spüre schon, dass wir nun die andere Seite der Medaille sehen, sozusagen >The dark side of the moon<


    Jetzt aber :study::montag::study:

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  • aber irgendwann endet auch der schönste Flug.

    Treffender kann man es nicht ausdrücken. Die Füße landen wieder auf dem Boden, der letzte Absatz stößt einen ziemlich unsanft in die Realität zurück...

    Ist das nicht wunderschön beschrieben

    :love:

    Zurück zu Burnside. Auch hier habe ich wieder das große Problem, ich könnte den gesamten letzten Abschnitt zitieren. Herausgepickt habe ich mir diesen einen Satz, den ich typisch für Burnside und seine Träume finde:

    :love:

    Diese Begegnung hatte fast schon mystischen Charakter.

    Die Dame kam mir sehr unwirklich und übernatürlich vor, bis zum Buchkauf hielt ich sie für eine Erscheinung Burnsides :uups: So in sich ruhend, engelsgleich und sanft weist sie Burnside die Richtung für einen Neubeginn.

    Man sieht es förmlich kommen, dass dies nicht der Beginn einer sich langsam entwickelnden Harmonie und Lösung ist. Vielleicht braucht Burnside ja das, was J.R.R. Tolkien einmal in einer Vorlesung die >Eukatastrophe< nannte. Schreckliche Ereignisse, eine furchtbare Katastrophe entwickelt sich zur Chance für einen völligen Neubeginn.

    Das passt zu Burnsides Verhalten. Auf den totalen Absturz folgt der Neuanfang und umgekehrt :(

  • Das passt zu Burnsides Verhalten. Auf den totalen Absturz folgt der Neuanfang und umgekehrt

    Richtig, aber diesmal hoffe ich doch, dass dieser veritable Albtraum in einem Neubeginn ohne Absturz endet.
    >The enormous room< habe ich jetzt einmal gelesen, weiß aber, dass ich eine zweite Runde einlegen muss um das alles irgendwie in Worte zu fassen.
    Ich lese, so ganz nebenbei, noch einen Roman von >B. Yamamoto - Lebensgeister< (heute gekauft) und da zeigt sich, wie Literatur manchmal in die Realität eingreift,
    sprich in die Burnside MLR.
    Dem Roman ist ein Songtext von Leonard Cohen vorangestellt (Lover, Lover) und eine Strophe hat mich sofort eingenommen, weil sie die Geschichte mit >Esme>
    so wundervoll begleitet. Schon seltsam dieses Zusammenspiel. ( Die Geister die ich rief, oder?)


    Then let me start again, I cried
    Please let me start again
    I want a face that`s fair this time

    I want a spirit that is calm.

    Ich werde das Kapitel auf jeden Fall in zwei Teilen kommentieren, weil da so viel überlegenswertes und albtraumhaftes passiert. Eine Achterbahnfahrt durch die
    Vorhölle...............

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  • The Enormous Room - (Teil 1)


    Eigentlich ist der ungeheure Raum ein ganz normales Großraumbüro, aber für Burnside ist es so etwas wie eine graue Ecke der Hölle. Er wohnt in einem Hotel
    und bald schon geht er auf Tour. ES scheint als würden die alten Geister wieder erwachen, die Geister die ihn antreiben neue Exzesse zu suchen.
    In Blackpool begegnet er Crystal und mit ihr beginnen die Alkohol und Drogenexzesse auf`s Neue. Burnside beschreibt das wieder mit einer locker erscheinenden
    ironischen Distanz, aber das gleicht das Bild nicht aus, sondern macht es noch intensiver. Irgendwie versucht er den tägliichen Stumpfsinn im ungeheuren Raum
    auszugleichen, aber die Geister kommen näher, der nächste psychische Schub kündigt sich leise an.


    Zitat

    I got wrecked in Blackpool - an easy place to get wrecked in - or wandered about on the backstreets or the sands with strange noises in my head and faint,
    sweet flutterings, like butterfly kisses at my cheeks and neck.

    Dann begegnet er Esme, einem 15-jährigen Mädchen und damit begibt er sich in eine Situation die er zu Beginn als völlig harmlos empfindet, die aber Auswirkungen
    haben wird deren Ausmaß ihn an die Grenze bringen. Man könnte natürlich jetzt einwerfen, dass Burnside von der natürlichen Unschuld des jungen Mädels angezogen
    wird, weil sie einen Gegenpol zu seiner stumpfen Arbeit darstellt, ein Entkommen aus dem neuerlichen Erwachen der Apophänie gewährt. Das Schlimme ist, dass er
    selbst irgendwo weiß, dass es in Tränen enden wird, aber all das verdrängt, einfach weil er sich in sie verliebt. Was Burnside dann über die Liebe schreibt, habe ich
    schon im Zitate/Sätze Thread erwähnt, deshalb hier eine andere, auch sehr wichtige Passage. Der Ver-rückte braucht Ordnung, aber sich verlieben ist eben das Gegen-
    teil, es ist >the abandonment of order< und das verträgt sich nun mal nicht mit seiner Apophänie, es verstärkt sie wohl noch.


    Zitat

    - but falling in love, falling in love is abandonment, falling in love is a total and unquestioning assent to the inevitable, wherever it might take us
    For years I made myself believe that falling in love was an imaginative act, an investment in some chosen object. But that wasn`t love - that was
    just making movies in your head, in order to avoid a more random and dangerous event. An event that is, in essence, as destructive and as eventually
    regenerative as any natural disaster.

    Eigentlich dachte ich, dass Burnside die Beziehung mit Adele für sich verarbeitet hat, aber so kann man sich irren. Er will sich wieder genauso verlieren wie ihm das
    bei Adele passiert ist, er sucht immer noch dieses Gefühl und auch wenn er es eigentlich nicht will, benutzt er Esme, nicht um Adele zu vergessen, sondern um dieses
    Gefühl zu erneuern, dieses Gefühl noch einmal zu erleben.


    Zitat

    I knew that I was about to get lost. - but I also knew that I was about to be lost in the same territory where I had once been lost with Adele, and as illogical
    as it may sound, beeing with Esme wasn`t a way of leaving Adele behind, it was a perverse, possibly twisted - and certainly unfair - way of finding her again.

    Was dann folgt erscheint wie ein verzweifelter Aufschrei Burnsides, der zu viele unbeantwortete Fragen wie in einem Stakkato herausruft. Da bekomm ich Gänsehaut.......


    Zitat

    All I knew then was that I wanted to be lost again - for who couldn`t love beeing lost? Who couldn`t love reaching out for something that is slipping away
    even as his fingertips graze the impossible surface? Who wants to keep anything forever? Who would willingly accept the sheer tedium of the imperishable?
    Who wants to be safe?
    Who wants to be sane?
    Who wants to be normal?


    Weiter dann später.............

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  • The Enormous Room


    Auch dieses Kapitel musste mehrmals gelesen werden. Ich bin immer noch total fertig. Dieser Abschnitt zeigt deutlicher als alle anderen, wie Burnside von seinem Umfeld wahrgenommen wird. Auf Arbeit gilt er als Arschloch, das nicht in der Lage ist, im Team zu arbeiten, für Chrystal und Esme ist er nicht greifbar, ein fiktionaler Charakter. Zum ersten Mal kreisen meine Gedanken auch um diejenigen, die mit Burnside zu tun haben. Wie sich das anfühlen mag, wenn der Gegenüber zwar körperlich anwesend ist, aber trotzdem unerreichbar ist.Auf der Party merkt Burnside selbst, dass er sich nicht menschlich fühlt.


    Ich fand es erstaunlich, wie gut Burnside seine 2 Seiten beieinander halten und ausleben kann. Mit Chrystal überlässt er sich des Abends seinen Dämonen, Esme gibt ihm das Gefühl wieder, das er seit Adele vermisst.


    Der Moment vor dem Spiel war intensiv und wieder mal Gänsehaut bescherend:


    Zitat von John Burnside

    I saw myself and I saw him.

    Die Erkenntnis, eigentlich ein Leben wie sein Vater zu führen.

  • Auch dieses Kapitel musste mehrmals gelesen werden. Ich bin immer noch total fertig. Dieser Abschnitt zeigt deutlicher als alle anderen, wie Burnside von seinem Umfeld wahrgenommen wird. Auf Arbeit gilt er als Arschloch, das nicht in der Lage ist, im Team zu arbeiten, für Chrystal und Esme ist er nicht greifbar, ein fiktionaler Charakter.

    Das alles zeigt ja auch, dass er in dieser Zeit des >enormous room< einfach nicht ganz in dieser Welt weilt und das macht es für sein Umfeld sicher unglaublich schwer
    mit ihm umzugehen. Das ist nicht nur für ihn selbst sondern auch für die "anderen" eine par force Tour mit ungewissem Ausgang.

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  • Was haltet ihr eigentlich von dieser sehr seltsamen Szene, in der Burnside aufwacht und Crystal neben ihm am Bett sitzt und in der Hand, etwas
    versteckt, ein großes Messer hält?
    War das eine seiner Halluzinationen, ein falsches interpretieren einer eigentlich harmlosen Szene?
    Oder war das ein Grenzspiel von Crystal? Ich komm da nicht hinter............. ?(

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  • ich denke immer noch über dieses Kapitel nach und vor allem über die drei Frauen die Burnside auf seinem Weg eine kurze Zeit begleitet haben.
    Beim Lesen in seinen Selected Poems fielen mir ein paar Zeilen auf, die, würden Adele, Crystal und Esme sie lesen, wohl noch einmal einen
    anderen Eindruck vermitteln könnten.


    and forgive me
    that I cannot leave or stay
    that I`m only a moment away
    from being unseen

    forgive me
    being not the man I seem
    not lost or found
    but somewhere in between.

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  • The Enormous Room



    Für mich war dieses Kapitel beim lesen so ähnlich wie ein Zug, über den man die Kontrolle verloren hatte und der haltlos voran donnert. Wenn nicht eine Weiche seinen Weg auf irgendeine Art verändert hätte.



    Eigentlich ist der ungeheure Raum ein ganz normales Großraumbüro, aber für Burnside ist es so etwas wie eine graue Ecke der Hölle.

    Solch ein Großraumbüro würde ich auch eher als eine Art Hölle auf Erden verbinden. 8-[

    ES scheint als würden die alten Geister wieder erwachen, die Geister die ihn antreiben neue Exzesse zu suchen.

    Das scheint bis jetzt seine ureigene Lösung zu werden. Burnside ist ein Suchender für mich, der noch nach den für ihn passenden Weg sucht, bis jetzt aber immer wieder gerne in Sackgassen verschwindet. Chrystal (was für ein Name!) ist so eine Sackgasse.
    Interessant dagegen Esme. Sie ist für mich fast wie eine "Weiche" (um bei meinem Zugbeispiel zu bleiben), die ihn auf ein anderes Gleis bringt. Wenn diese Beziehung -wenn ich sie mal so nennen darf- auch vom Anfang an zum scheitern verurteilt war, gerade auch wegen des Altersunterschiedes, aber wenn es Esme nicht gegeben hätte, ich weiß nicht wo Burnside noch gelandet wäre.


    Was für ein Kapitel, das nimmt mir immer noch den Atem.


    Was haltet ihr eigentlich von dieser sehr seltsamen Szene, in der Burnside aufwacht und Crystal neben ihm am Bett sitzt und in der Hand, etwas
    versteckt, ein großes Messer hält?
    War das eine seiner Halluzinationen, ein falsches interpretieren einer eigentlich harmlosen Szene?

    Ein Teil von mir hofft, dass es bitte nur eine Halluzination war bzw. irgendwie von Burnside falsch interpretiert wurde; vielleicht durch seine Erkrankung? Aber ein anderer Teil schließt nicht aus, dass es so gewesen war und was auch immer Crystal mit dem Messer vorhatte, es klingt schlicht erschreckend. Ich glaube, Burnside selbst weiß nicht wirklich was da war.

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  • Aber ein anderer Teil schließt nicht aus, dass es so gewesen war und was auch immer Crystal mit dem Messer vorhatte, es klingt schlicht erschreckend. Ich glaube, Burnside selbst weiß nicht wirklich was da war.

    Ich würde mich diesem Teil Deiner Meinung anschließen. Wir haben bisher beängstigende Situationen mit noch furchteinflößenderen Akteuren erlebt. Ich halte nichts für unmöglich, aber Burnside hat ja nunmal die Erkrankung. Das nächste Kapitel unter diesem Gesichtspunkt ist 8-[

  • Das nächste Kapitel unter diesem Gesichtspunkt ist 8-[

    Oh ja! Ich habe das Kapitel mittlerweile zweimal gelesen und ähm muss gestehen das Schlußkapitel gerade mit. Das war wie im Leserausch. Im Moment bin ich noch völlig geflasht. Am liebsten würde ich mit "I Put a Spell on You" weitermachen, aber mein Englisch langt dafür nicht wirklich :cry: Ich würde ewig daran lesen und vermutlich die Hälfte noch nicht mal ansatzweise verstehen. Vielleicht erbarmt sich der Verlag und lässt es gerade von Bernhard Robben übersetzen? Bitte ja :):pray:


    I dreamed I saw St. Augustine

    Zitat von Seite 302

    Danach wird alles ziemlich nebulös.

    So beginnt dieses Kapitel. Und das passt so gut! Was Burnside am Anfang beschreibt, bis er aufwacht, könnte ein Albtraum gewesen sein. Aber es könnten auch tatsächliche Ereignisse gewesen sein. Wer weiß. Vielleicht ist es die Zusammenfassung von allem was geschehen war.
    Was dann passiert ist einfach unfassbar. Unheimlich kommt mir in den Sinn. Erschreckend würde es auch treffen. Mein Wortschatz reicht nicht aus um meine Gefühle dafür auszudrücken. Burnside wacht auf (oder auch nicht) und hört eine Stimme. Eine hektische. schrille Stimme, die immer und immer wieder das eine Wort sagt
    "pulverisiert pulverisiert pulverisiert" (S. 304). Pulverisiert. Ein Lieblingswort des Siebenjährigen Burnsides. Eine Drohung die zu einem Versprechen wird.

    Zitat von Seite 304


    Bedenke, Mensch, Staub bist du,
    Und zum Staube wirst du zurückkehren,
    was bedeutete, dass jedermann in eine Zukunft hineingeboren wurde, in der, was vereinzelt und nicht mitteilbar war, vorübergehend vereint sein würde, ehe Erde oder Regen es zu neuen Kombinationen auflösten, wieder vereinzelt, vereinzelte Körper, vereinzelte Leben. Mit anderen Worten: das Jenseits, der Ort, an dem wir nun sind

    Dann wird es wie in einem Alptraum. Diese Gestalt, die wie ein Priester ausschaut. Etwas von dem Burnside wusste, dass es keine Erscheinung oder Geist ist. Viel erschreckender:


    Zitat von Seite 306

    Er war eine handfeste Präsenz (...)

    Etwas was selbst darum kämpfte anwesend zu sein. Und was Burnside alles über diese seine "Phantome oder Dämonen" sagt, das klingt unglaublich und jagt einem ziemlich Angst ein. Burnside baut eine unglaubliche Spannung auf und man rennt buchstäblich mit ihm durch die Wohnung um wahllos das nötigste einzupacken um dann nur noch zu fliehen.

    Zitat von Seite 307

    Ich war keineswegs bei Verstand oder normal, vorläufig aber in der Lage, damit umzugehen, dass ich keines von beiden war, was mir genügte..

    Ein Nervenzusammenbruch war es dann wohl nicht. Burnsides tiefer inniger Wunsch sich selbst zu sein, das können wir wohl alle verstehen. Ein Leben das nicht von außerhalb aufgezwungen wird.


    Zitat von Seite 307

    Ganz zu sein - vielmehr mit der Suche nach Ganzheit fortzufahren. Eben nicht normal zu sein.


    Beim nächsten Abschnitt musste ich tief schlucken. Burnside beschreibt da intensivst was es heißt Stimmen zu hören oder Dinge zu sehen. Ich finde es unglaublich wie er es schafft, dass man bei dieser Autofahrt, das Gefühl als Leser bekommt, da ändert sich was. Und das ist sogar gut so! Das ist ein Aufbruch, im wahrsten Sinne des Wortes. Oder kurz zitiert:

    Zitat von Seite 308

    An jenem Abend konnte ich beim Fahren spüren, wie die Welt umsortiert und umgemodelt wurde. Alles änderte sich; das mir Bekannte zerfiel, um sogleich, in ebendem Moment, in dem es verblasste, zurück ins Dasein gebracht zu werden, dieselbe Welt, nur anders, erhellt von neuer Logik, erzählt von anderer Stimme.


    Und so kann ich nachvollziehen, wenn Burnside schreibt:

    Zitat von Seite 308

    Trotzdem erinnere ich mich, dass ich, noch während dieses totale derèglement um mich herum stattfand, weniger veränstigt als absolut und unerträglich begeistert reagierte.


    Nachdem er stundenlang unterwegs ist, bringt er es nicht fertig in sein Haus zu gehen. Weil es eben nicht sein Haus war. Ich bin unglaublich beeindruckt von dem, wie Burnside uns diese Situation beschreibt. Was er dann alles an Gedankengänge bringt. Ihm ist klar geworden, dass Routine nicht sein Weg ist. Auch die Tristesse ist es nicht. Ihm wird klar, dass er nie vorhatte sich zu ändern. Und was er dann beschreibt könnte ich komplett zitieren. Das finde ich einfach nur noch: :pray: Was er da über die Seele schreibt. Über das Dunkle und das Helle. Die Erkenntnis, das alles zusammengehört. Wie er den Prozess des "schlichten Erkennens" (S. 310) beschreibt.


    Zitat von Seite 310

    Normal fand ich noch nie besonders reizvoll - ich mochte mir nicht mal vorzustellen, wie es für irgendjemanden reizvoll sein könnte. Sicher, als Alternative zu verrückt war es gerade noch akzeptabel.


    Ihr erinnert euch bestimmt noch an dem Anfang und wie Burnside mit dem Satz der Anonymen Alkoholiker kämpfte. Und auch hier wurde ihm etwas klar und er schämt sich. Übrigens spannend wie fein Burnside zwischen Scham und Peinlich unterscheidet. Für mich war es bis jetzt immer miteinander verknüpft. Von dieser Sichtweise hatte ich es noch nicht betrachtet.


    Ich muss jetzt einfach das nächste zitieren, was ich unterstrichen habe


    Zitat von Seite 313

    Ich hatte weder meine Ansichten geändert, noch machte ich mich auf jenen langen Weg zurück in die Gemeinschaft, zu Reife und Akzeptanz jenen Weg, den ich als Held eines Romans vielleicht eingeschlagen hätte. Im Gegenteil: An diesem ersten Morgen vom Rest meines Lebens war ich, wie auch an den folgenden Tagen, so einsam wie nie zuvor, einsam, fremd und - jetzt endlich - auch gleichgültig genug, um nicht einmal mehr irgendeinen Anschein wahren zu wollen. Es war das Ende meiner zeit in der Vorstadt. Ich hatte versucht, normal zu sein, und ich war gescheitert - nicht, weil ich mir nicht genügend Mühe gegeben hätte, sondern weil anders ald der Wahn das Normale eine Lüge war.


    Langsam beginnt sich Burnside aus seiner Umgebung zu lösen. Das ist ein Prozess, den ich unglaublich wichtig für ihn finde. Wie er das Ganze beschreibt ist einfach grandios. Wie er da den Bogen seiner Gedankengänge schlägt ist einfach nur toll. Und letztendlich begreift er, dass sich nicht seine Kollegen und Nachbarn geändert haben, sondern das er es ist. Das verstehe ich doch richtig, oder? Wenn man in dieser Situation das "Phantom" im Raum ist, dann wäre ich auch gerne das "Phantom". Einfach weil es ehrlicher ist.


    Ich kann jetzt nicht anders, ich muss einfach weitermachen. Für mich gehört das nächste und letzte Kapitel unbedingt noch zu diesem hinzu.


    Schlusswort (II)
    Vorweg von seinen Zusammenfassungen und Erkenntnissen bin ich richtig geflasht. Im Grunde könnte ich ungeniert das komplette Schlusswort (II) zitieren. Das geht natürlich nicht, aber schwärmen kann ich. Wie Burnside die Stunde des Wolfs beschreibt. Diese Stimmung. Was er dabei denkt, wie er sich fühlt.
    Wie er immer noch mit der Nacht flirtet. Nur mit dem Unterschied, dass jetzt nichts aus dem Dunkeln tritt, was nicht auch ins Dunkeln gehört.


    Das Reale wird zum Unwirklichen, nur hat es seine Schrecken verloren. Ein Wimpernschlag genügt. Das funktioniert auch in die Gegenrichtung vom Dunkeln ins Helle. Da stehen so viele Gedanken in diesem Kapitelchen drin, die kann ich gar nicht alle erfassen. Und dann zum Ende hin das Bild des Aeronauten. :drunken::cry:
    Ich muss gerade an das "pulverisieren" im letzten Kapitel denken. Wie sich alles auflöst und neu verbindet. Und so klingt es unglaublich positiv wenn als letztes da steht
    "Incipit vita nova" (Ein neues Leben beginnt.)


    Hoffen wir es von ganzem Herzen!

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  • I dreamed I saw St. Augustine


    Zuerst einmal, Danke liebe Farast für diese wunderbare Zusammenfassung. Ich finde du hast genau die richtigen Worte gefunden und ich bin absolut deiner Meinung,
    wenn du sagst, dass man bei manchen Passagen glaubt hier mit Worten einfach nicht weiterzukommen. Beide Kapitel enthalten Gefühle und Gedanken die mich fast
    fassungslos zurücklassen. Da musste ich ganz tief durchatmen und einfach versuchen mit ein wenig Distanz noch einmal zu lesen. Es gibt wirklich wenige Autoren die
    bei mir solche Reaktionen hervorrufen. Vielleicht ist es aber auch gut so, denn so kann man immer wieder auf diese Juwelen der Literatur zurückgreifen und hoffen, dass
    sie noch viele Romane schreiben können.
    Ach ja, ehe ich es vergesse. Das neue Buch von John Burnside sollte schon im November erscheinen. >Havergey< (eine Monographie). Das sollte interessant werden,
    denn es geht um Utopien in der Literatur und in der Umsetzung in der Realität. Erscheinungsdatum ist März 2017.


    Etwas was selbst darum kämpfte anwesend zu sein. Und was Burnside alles über diese seine "Phantome oder Dämonen" sagt, das klingt unglaublich und jagt einem ziemlich Angst ein. Burnside baut eine unglaubliche Spannung auf und man rennt buchstäblich mit ihm durch die Wohnung um wahllos das nötigste einzupacken um dann nur noch zu fliehen.

    Ja, diese Fähigkeit den Leser nicht nur mitzuziehen, sondern ihn direkt in die Situation hineinzuversetzen, ist schon unglaublich. Wenn ich dann noch versuche ein wenig
    in seinen Schuhen zu stecken, ist das fast schon zuviel Gänsehaut.


    Und was er dann beschreibt könnte ich komplett zitieren. Das finde ich einfach nur noch: Was er da über die Seele schreibt. Über das Dunkle und das Helle. Die Erkenntnis, das alles zusammengehört. Wie er den Prozess des "schlichten Erkennens" (S. 310) beschreibt.

    Ich denke, dass diese Erkenntnis auch ein Schlusspunkt ist. Die >Eukatastrophe< liegt hinter ihm und endlich kann er den Neubeginn auch als reale Möglichkeit sehen.
    Das ausbalancieren des Dunklen und Hellen ist möglich, weil er gelernt hat seine Dämonen auf Armeslänge zu halten. So kann er damit umgehen, so hat er es unter Kontrolle.

    . Das geht natürlich nicht, aber schwärmen kann ich. Wie Burnside die Stunde des Wolfs beschreibt. Diese Stimmung. Was er dabei denkt, wie er sich fühlt.

    Genau mein Gedanke. Einfach komplett zitieren, aber du hast recht, weil es nun mal leider den Rahmen sprengt. So bleibt uns aber die Gewissheit, dass wir immer mal
    wieder eintauchen, oder besser, mitfliegen können mit einem, der nun gelernt hat zu fliegen ohne die Angst vor dem endgültigen Absturz.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • Hallo zusammen,


    wie ich hier sehe, seid ihr auch am Ende angelangt. Es tut mir sehr leid, dass ich mich die Woche über so rar gemacht habe. Die Zeit, die Zeit :pale:
    Die MLR mit Euch hat mir viel Freude gemacht, zusammen schmökern bereichert ungemein. @Farast Ich finde es super, dass Du gleich mit I put a spell on you weitermachst :thumleft: Burnside in seiner Muttersprache zu lesen, ist ein Genuss :love: Lügen über meinen Vater und In hellen Sommernächten werde ich mir nochmal auf Englisch gönnen :drunken:


    Liebe Grüße


    Julia :winken:

  • Die MLR hat mir auch sehr viel Freude gemacht Ganz vielen Dank euch allen :friends:


    Ich finde es super, dass Du gleich mit I put a spell on you weitermachst

    :pale: Der Genuß bleibt allerdings ein klein wenig auf der Strecke, wenn man so viel nachschlagen darf wie ich. Ich werde das irgendwie anders angehen müssen. Ein Kapitel einfach drauf los lesen und dann erst nachschlagen wo ich das Gefühl habe völlig daneben zu liegen oder so ähnlich. Und ganz doll hoffen, dass es in spätestens zwei Jahren eine deutsche Übersetzung für gibt.

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