John Burnside - Wie alle anderen (Start: 07.11. 2016)

  • Auf der Buchmesse hat er genau diese Passage mit Greg und dessen unmöglichen Vorschlag kurz erwähnt.

    :shock: Auf der Buchmesse? Die in Frankfurt? Was zu weiteren Fragen führt. Warst du dort gewesen oder gibt es einen Bericht, den man sich eventuell noch einmal im Internet anschauen könnte. :ergeben:


    Edit: Hier (Mediathek ZDF) habe ich schon mal was gefunden.

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  • (...) und werde morgen was dazu schreiben können

    :uups: Wird doch noch heute.


    Valium und Schlaflieder

    Ein Titel der so auf den ersten Blick keinen wirklichen Sinn macht und sich zu widersprechen scheint, aber das ändert sich schlagartig nach dem lesen des Kapitels. Aber der Reihe nach.


    Burnside macht einen Sprung ins Jahr 2008. Eine eigentlich recht wunderschöne Szene mit seinem Sohn, wären da nicht Burnsides Erinnerungen an Ginas Party. Im Rückblick gesehen eine passende Verknüpfung, zuerst mal so überhaupt nicht. Burnside scheint ein guter Vater zu sein, der sich -zurecht oder auch nicht- viel zu viele Gedanken macht. Und gewinnt ehrlicherweise dabei alle meine Sympathiepunkte. Sein Sohn scheint ihm in vielen zu ähneln. Sowohl sein Aussehen, als auch die Tatsache, dass er die gleiche Fantasie zu haben scheint.


    Aber zuerst Mal zurück zu Greg. Burnside geht ihm aus dem Weg. Was ich recht vernünftig finde. Allerdings geht er dann in Kneipen und Pubs, die ich weniger gut finde. Und die ich niemals nie auch nur einen Fuß hineinsetzen würde, besonders diesen Nachtclub. (Das hat er recht gut dargestellt, wenn mir solche Gedanken kommen. Denn in diesem Nachtclub trifft er auf Gina :roll: ) Burnside ist ein ausgezeichneter und aufmerksamer Beobachter. Über das Publikum dort bleibt man nicht im geringsten Zweifel. Und ganz langsam nähert man sich dem ersten Aufeinandertreffen mit Gina. Was sich hier in wenigen Sätzchen zusammenfassen lässt, wird auf eine wahnsinnig gute Art von Burnside erzählt.


    Burnsides Treffen mit Gina und späteres Kennenlernen des Exmannes liest sich schon ziemlich schräg. Aber das allerwichtigste sind die Kinder Ginas. Vor allem Petra erobert in Sekundenschnelle sein Herz und er wird buchstäblich von ihr adoptiert. Da merkt man sehr, was sein eigentlicher Herzenswunsch ist und wie nahe und wichtig ihm Kinder sind. Sollte er tatsächlich den Wunsch gehabt zu haben, wegen seiner Vergangenheit niemals Kinder zu haben, spätestens ab da, hat er mir gezeigt das er -trotz oder vielleicht auch wegen seiner Vergangenheit- ein besserer Papa wäre wie gewisse Damen namens Gina eine Mama. Und ab da kann ich nicht mehr so ganz hinter dem Berg halten. Die Dame hat meine tiefste Verachtung mit dem was sie tut und was sie den Kindern gibt, nämlich Valium, wenn sie ihren Spaß haben will. Mir wäre es wohl auch erst Mal wie Burnside gegangen und ich hätte wohl vor lauter Schreck nichts getan. Mittlerweile schnaube ich fast vor Wut, je länger ich drüber nachdenke.



    Zitat von Seite 126

    Ich hatte kein Recht, natürlich nicht. Das hätte sie mir gesagt, hätte ich sie bedrängt, und das mit gutem Grund. Es stand mir nicht zu, ihr zu sagen, wie sie ihre Kinder erziehen sollte. Und selbst wenn richtig war, was ich sagte, wäre ich dennoch im Unrecht gewesen, schließlich war ich die vielen Male nicht da gewesen als etwas schieflief. Sie schon.

    Hat man da tatsächlich kein Recht? Allerdings welche Möglichkeiten hätte es sonst gegeben? Besser so ein Leben, als irgendwo in die Mühlen des Sozialdienstes zu geraten?
    Seine Gedanken darüber warum er sich ausgerechnet darüber erinnern kann sind großartig und ich könnte diesen Abschnitt komplett zitieren. Burnside trifft eine Entscheidung, die Gina nicht recht sein kann. Er bietet sich leise an. Die Kinder gehen vor ihr. Und somit trennt sich Gina von ihm. Wenn dann solle er sich eigene Kinder anschaffen. Sie übernimmt zwar keine echte Verantwortung für ihre Kinder, aber lässt es auch nicht zu, dass sich andere um sie kümmern könnten. Ein gewisser grüner Schimmeranzug tritt in ihr Leben ein.

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  • zu Valium and Lullabies

    Sein Sohn scheint ihm in vielen zu ähneln. Sowohl sein Aussehen, als auch die Tatsache, dass er die gleiche Fantasie zu haben scheint.

    Das ist eine schöne Szene, aber Burnside sieht auch voller Bedenken was diese Ähnlichkeit noch bedeuten könnte. Seine Sorge, dass der Sohn eines Tages
    auch seine Ängste, seine Schlaflosigkeit und seine Rastlosigkeit erben könnte.


    Zitat

    Afraid that my history might be his future, afraid that what I have left behind might might be waiting for him somewhere along the road, across a narrow
    bridge in some smoky suburb at the end of the tramway: same restlessness, same insomnia. Same imagination.


    Die Geschichte mit Gina ist schon haarsträubend, aber auch hier verurteilt er nicht, sondern versucht die Situation zu retten, indem er seine Hilfe anbietet.
    Das zeigt ja auch, dass er sich trotz Krankheit, trotz all der Exzesse seine Menschlichkeit und sein soziales Gewissen erhalten hat.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Auf der Buchmesse? Die in Frankfurt? Was zu weiteren Fragen führt. Warst du dort gewesen oder gibt es einen Bericht, den man sich eventuell noch einmal im Internet anschauen könnte.

    Ich war an einem Tag dort und habe mir das Gespräch mit John Burnside angesehen, allerdings nicht das vom Blauen Sofa.
    Außerdem habe ich mir das Buch signieren lassen - siehe hier :wink: Er hat mich gefragt, was er schreiben soll, aber mir genügt die reine Unterschrift und brauche keine Widmung.
    Er hat einen recht symphatischen Eindruck gemacht, über das Buch und sein jetziges Leben geredet; dabei auch erwähnt, dass er ein paar Jahre in Berlin lebte ( und dass seine Kinder die S-Bahn vermissen, da sie nun in der Pubertät sind)


    Das ist eine schöne Szene, aber Burnside sieht auch voller Bedenken was diese Ähnlichkeit noch bedeuten könnte. Seine Sorge, dass der Sohn eines Tages
    auch seine Ängste, seine Schlaflosigkeit und seine Rastlosigkeit erben könnte.

    Die Szene gefiel mir ebenfalls gut. Nicht nur, dass Burnside erkennt, dass sein Sohn die gleiche Fantasie, Schlaflosigkeit und Ängste hat, sondern auch, dass sich seine eigene Geschichte wiederholen könnte und sein Sohn dasselbe durchmachen muss (Drogen...)

  • Die Geschichte mit Gina ist schon haarsträubend, aber auch hier verurteilt er nicht, sondern versucht die Situation zu retten, indem er seine Hilfe anbietet.
    Das zeigt ja auch, dass er sich trotz Krankheit, trotz all der Exzesse seine Menschlichkeit und sein soziales Gewissen erhalten hat.

    Dazu fällt mir gerade etwas ein, irgendwo habe ich mal in einem Artikel gelesen, dass eines der Hauptthemen von Burnside Vergebung wäre. Was wir ja auch schon festgestellt haben. Zumindest in seinem Rückblick verurteilt er nicht, mich würde es sehr interessieren, was er damals tatsächlich darüber gedacht hatte. Ob er da auch so besonnen war?


    Ich versuche mal zu formulieren was ich meine. Hin und wieder stelle ich mir die Frage, wo beschönigt er vielleicht etwas? Wo gibt es Lücken? Er zeigt zwar auch das Dunkle, aber von einer sehr besonnen/reflektierenden Art. Wenn ich an Situationen aus meinen Zwanzigern zurückdenke, bin ich mit Sicherheit verzeihender in meinen Rückblicken und beurteile die Handlungen anderer wertfreier. In der Situation damals steckend, wäre ich bestimmt nicht so besonnen gewesen, weil mir da einfach auch der Überblick gefehlt hatte.


    Auf Seite 129 der deutschen Ausgabe schreibt er folgendes:


    Zitat

    Überhaupt habe ich mein Ich nie für ein besonders glaubhaftes Phänomen gehalten - mir kam es stets wie ein Bruch ins Gewebe der Dinge vor, ein hässlicher, klaffender Riss, den ich ein Leben lang mit Lügen, Halbwahrheiten und meiner eigenen Variante von Spezialeffekten zukleistern suchte -, weshalb man die Erinnerungen an meine Affäre mit Gina nicht für bare Münze nehmen sollte.

    Der ganze Abschnitt ist übrigens ein Lieblingsteil des Kapitels für mich. Da schreibt er so interessante Dinge, über die man nachgrübeln kann. Und selbst wenn ich es schon tausendmal geschrieben habe, man beginnt wieder über sein eigenes Leben nachzudenken.


    Wie weit seid ihr? Ich habe heute morgen "Wie ich Helen verlor" gelesen, aber mag noch ein wenig darüber nachdenken, bevor ich meine ersten Eindrücke schreibe.

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  • Ich war an einem Tag dort und habe mir das Gespräch mit John Burnside angesehen, allerdings nicht das vom Blauen Sofa.

    Schade, sonst hätte ich fragen können, welche der Zuhörerinnen du gewesen warst :wink: Um deine signierte Ausgabe, beneide ich dich ein klitzekleinwenig :)


    Ich habe den Artikel gefunden, er stand in der FAZ: Klick

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  • Wie weit seid ihr? Ich habe heute morgen "Wie ich Helen verlor" gelesen, aber mag noch ein wenig darüber nachdenken, bevor ich meine ersten Eindrücke schreibe.

    `Losing Helen` habe ich noch nicht gelesen. Die Schule frisst mal wieder meine Zeit auf und leider auch meine abendliche Konzentrationsfähigkeit.
    Muss gleich schon wieder los (Krisensitzung). Aus diesem Grund wird das heute auch nichts mehr, aber ich hoffe morgen wieder zum lesen zu kommen.


    :ergeben:

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  • @taliesin Oh je, hört sich ja wieder prickelnd an. Vielleicht ist es ja heute besser bei dir! :winken:


    Ich bin jetzt gerade am überlegen, ob ich meine ersten Eindrücke zum Kapitel schon schreiben soll? :-k Wie sieht es bei euch aus @Conor und @bittersweetlight?

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  • "Wie ich Helen verlor"


    Vielleicht täusche ich mich, aber ich finde es immer schwerer alle Fäden zu greifen, die Burnside mir zuwirft. Ich finde es spannend wie er immer wieder frühere Episoden einfließen lässt.Das Kapitel selbst würde ich für mich so zusammenfassen: Burnside beschreibt einen Job den er in einer Obst- und Nussverarbeitungsfabrik hatte. Den Job selbst hatte ihm seine Mutter vermittelt. Dort trifft er auf eine junge Frau, die ihm ähnelte (und auf eine Art auch wiederum nicht), eine Zeitlang unterhielten sie sich, die junge Frau stirbt unerwarteterweise. An was sie gestorben ist, erfährt man allerdings nie.
    Es gab so unendlich vieles was mich an diesem Kapitel fasziniert hatte. Zum einen die Beschreibung der Arbeit selbst. Dann die genaue Beobachtung seiner Kollegen. Die unglaubliche Beschreibung um den Spielautomaten. Diese Tristesse die man spürt und wie die Frauen ein klein wenig Glanz und Ruhm (?) in ihr Leben hineinbringen wollen, indem sie den Spielautomaten teilweise mit ihrem Wochenlohn füttern. Und dann trifft er auf Helen, die fast das gleiche tut wie er, sie beobachtet und scheint genau so wenig hierher zu gehören wie er selbst. Die sich irgendwann entschließt "(...) das Gegebene zu ignorieren, um die vernachlässigten Wunder und Schönheiten aufzuspüren." (S. 149)


    Dazu noch diese Sätze, die ich einfach zitieren muss:

    Zitat von Seite 142

    Dies ist eine Geschichte, die ich mir selbst erzähle, nur warum, weiß ich nicht. In dieser Geschichte passiert nichts, jedenfalls nicht viel: Mann trifft Frau, Frau stirbt, sicher, aber nicht so, dass es eine gute Geschichte ergäbe, zumindest keine mit Anfang, Mitte und Ende, wie sie jede gute Geschichte braucht - womit ich natürlich eine der Geschichten meine, die laut erzählt werden können, ein öffentliches Ereignis, mehr als nur Traum. Mann trifft Frau, Frau stirbt. Nur hat die sterbende Frau nichts mit dem Mann zu tun, und wäre Frau nicht gestorben, hätte Mann sie so leichthin vergessen, wie er all die anderen Frauen vergaß, die er en passant traf und näher kennenlernte, um die er für die nächsten dreißig Jahre aber keine Geschichten spann.

    Zitat von Seite 148

    Jede Geschichte sollte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben, und es ist egal, wie sie angeordnet sind, solange es sie überhaupt gibt. Zu dem. was eine Erinnerung von einer Geschichte unterscheidet, gehört, dass Erstere durauch einen Anfang und ein Ende haben mag, die Mitte aber bleibt gern verschwommen oder sogar gänzlich unauffindbar. Anfang und Ende stellen höhere Ansprüche an unsere Aufmerksamkeit, und dies selbst unter den belanglosesten Umständen - Schichtwechsel in einer Lebensmittelfabrik etwa.

    Bei letzterem könnte ich weiter zitieren. Helen bleibt ihm mehr im Gedächtnis, als er es für möglich hielt. Sie zeigt ihm etwas ganz wesentliches, wie schön das Leben sein kann. Burnside hat darüber eine wunderbare Reflektion geschrieben, die ich unmöglich komplett zitieren kann. Ich denke darum, ist ihm diese Episode seines Lebens im Gedächtnis geblieben. Ich kann mir bei ihm überhaupt nicht vorstellen, dass er etwas ohne Grund schreibt. Was wir ja auch zu Genüge feststellen konnten.


    Wie gesagt, dieses Kapitel war recht schwierig für mich. Übrigens noch ein loser Gedankenfaden von mir. Ich habe das Gefühl, dass hier auch auf etwas vorgearbeitet wird. Auf irgendein Ziel will Burnside hinaus. Vielleicht sehe ich auch zu viel darin, mal sehen. Ich bin gespannt.

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  • Zum einen die Beschreibung der Arbeit selbst

    Und die sein Leben auch ganz schnell in eine andere Richtung hätte lenken, bzw. beenden können, als der Vorarbeiter diesen Murks mit dem Ventilator gemacht hat.
    Seine Reaktion (Rache) kann ich eigentlich nicht gutheißen, es wäre sicher besser gewesen, den Vorfall zu melden. Nun ja...
    Und warum ihm die Vorstellung, von dem Ventilator herumgeschleudert zu werden, eher zufrieden und stark machte,dem eher gleichgültig gegenüber stand(S. 146) ist auch nicht so ganz nachvollziehbar - es sei denn, er ist sich selbst nicht so wichtig, oder?

  • Hallo Leute,
    ich melde mich am Samstag wieder. Vorher komme ich einfach nicht dazu etwas zu lesen oder zu posten.


    lg taliesin

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  • ich melde mich am Samstag wieder.

    Oh je, dass klingt nach viel Streß. Nicht mehr lange und es sind wieder Ferien :-,


    :huhu: Eine Frage in die Runde hinein. Sollen wir bis zum Wochenende pausieren, bis wir wieder alle wieder gleichauf sind? Ich habe zwar schon das nächste Kapitel gelesen, aber das ist wieder so ein reichhaltiges, das ich es gerne noch mal lesen würde.



    Wie ich Helen verlor

    Und die sein Leben auch ganz schnell in eine andere Richtung hätte lenken, bzw. beenden können, als der Vorarbeiter diesen Murks mit dem Ventilator gemacht hat.
    Seine Reaktion (Rache) kann ich eigentlich nicht gutheißen, es wäre sicher besser gewesen, den Vorfall zu melden. Nun ja...

    Diese Musterausgabe vom übereifrigen Vorarbeiter war ja schon eine ganz krasse Nummer. In diesen Fällen sage ich immer sehr gerne: Das Ding zwischen den Ohren kann man auch zum denken benutzen. Letzteres hätte der Mann gerne einsetzen können. #-o
    Die Rache selbst, also was da Burnside genau gemacht hatte, war mir nicht so ganz klar. Richtig war es jedenfalls nicht. Da bin ich absolut bei dir! Wenn auch der Vorarbeiter vermutlich nie wieder in seinem Leben so voreilig handeln wird.


    Und warum ihm die Vorstellung, von dem Ventilator herumgeschleudert zu werden, eher zufrieden und stark machte,dem eher gleichgültig gegenüber stand(S. 146) ist auch nicht so ganz nachvollziehbar - es sei denn, er ist sich selbst nicht so wichtig, oder?

    Ich denke es ist eine Mischung aus purem jugendlichen Leichtsinn (vielleicht noch verstärkt durch Alkohol und Drogen - getrunken hatte er auf jeden Fall schon um diese Zeit, ob er auch schon Drogen genommen hatte, krieg ich zeitmäßig nicht zusammen), gekoppelt mit seinem Hang zum und um den Tod, also das Dunkle in ihm.


    Wie ich gerade bei den Wetternachrichten gehört habe, steht uns ja ein wundervolles Wetter bevor mit viel Regen und Wind, jedenfalls hier im Saarland :roll: Couchwetterchen halt. Ich wünsche euch trotzdem oder gerade deswegen eine schöne und erholsame Zeit. :winken:

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  • Eine Frage in die Runde hinein. Sollen wir bis zum Wochenende pausieren, bis wir wieder alle wieder gleichauf sind? Ich habe zwar schon das nächste Kapitel gelesen, aber das ist wieder so ein reichhaltiges, das ich es gerne noch mal lesen würde

    Das ist mir recht, gerne. :)


    Die Rache selbst, also was da Burnside genau gemacht hatte, war mir nicht so ganz klar. Richtig war es jedenfalls nicht. Da bin ich absolut bei dir! Wenn auch der Vorarbeiter vermutlich nie wieder in seinem Leben so voreilig handeln wird.

    Die Rache kann man sicher auch unter jugendlichen Leichtsinn einordnen.


    Ein schönes, verregnetes Lese-Wochenende. :montag:

  • zu Losing Helen

    Bei letzterem könnte ich weiter zitieren. Helen bleibt ihm mehr im Gedächtnis, als er es für möglich hielt. Sie zeigt ihm etwas ganz wesentliches, wie schön das Leben sein kann. Burnside hat darüber eine wunderbare Reflektion geschrieben, die ich unmöglich komplett zitieren kann.

    Erstaunlich, wie offen Burnside diese Geschichte um Helen für sich selbst verarbeitet und Gefühle und Gedanken offenlegt, die immer wieder überraschen. Diese kurze Episode
    hat ja auch etwas damit zu tun, dass unsere Erinnerungen Geschichten werden, wir aber keinerlei Kontrolle darüber haben welche unserer Erinnerungen gespeichert werden und
    uns ein Leben lang bleiben. Bei Helen ist es ihr Tod der die Geschichte erhält und dieses plötzliche Ende ihm nach einer Zeit auch eine wichtige Erkenntnis bringt. Es geht nicht
    um das Leben oder den Tod dieser jungen Frau, sondern um ihn selbst, weil die Geschichte ihm zeigt, was und wie er etwas verloren hat und da beginnt für Burnside die Suche,
    die ihn wohl sein ganzes Leben begleiten wird. Die Geister (und manchmal auch die Dämonen) die ihm immer wieder mal erscheinen, leben nur durch die Geschichten und Bilder
    seiner Erinnerungen und das ist vielleicht auch das Ziel dem er entgegenstrebt. Eine Lösung zu finden wie er das Verlorene zurückholen kann.
    So wie Burnside es beschreibt, wird es vielleicht klarer als mein holpriger Erklärungsversuch:


    Zitat

    Like those others she is not really part of my life. She is a story, nothing more - but then may be this is why we tell ourselves stories, in order to work out why
    we remember some things more than others, why some events live on in my mind, why some faces and voices persist for decades, to be resurrected in the dark
    by an insomniac who wakes knowing he has certainly lost something on the way but has no idea what it is.
    Which means, of course, that the story I am telling is not about this dead girl after all: it isn`t about her, it`s about me. It`s not about her life or her death; it`s about
    what I lost and how, whatever that lost thing might be, it resembles her in some way.

    Anfangs hatte ich die Idee, dass diese verlorene Sache ganz einfach die Freude ist am Leben zu sein. Diese Freude die Helen ausstrahlte, die Burnside aber auf seinem
    langen Weg verloren hat. Aber wäre das nicht zu einfach? Ich denke noch mal darüber nach.


    lg taliesin

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  • kurzes Zwischenspiel:

    Es ist mir ein Rätsel, warum ich mir ausgerechnet dieses Kapitel als Lektüre nach dem Frühstück ausgesucht habe, aber aufhören konnte ich dann auch nicht mehr.
    Es hätte wohl besser zum Licht des frühen Abends gepasst, aber nach Passagen wie diesen kann ich nicht einfach unterbrechen.


    Zitat

    I was the one who was at fault. I was the one who pushed, always the one who moved to the next square on the board and, at the end, I was the one who
    allowed himself to be overwhelmed by the dark tenderness that had grown between us: the first to turn away, the first to recant - and the first to wonder
    where it all went wrong, after our last drunken and slightly nauseating afternoon in the house of porcelain and stopped clocks.


    Zu diesem Kapitel (das ich am frühen Abend) noch einmal lesen werde, :-, schreibe ich spätestens morgen etwas.

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  • Careless (Teil 1)


    Auch dieses Kapitel füllt Burnside wieder mit Geschichten aus der Jugendzeit, bleibt aber auch bei der Schilderung seiner Erfahrungen in der Welt der Vorstadt.
    So wechselt die Stimmung auch hier zwischen dunklen Andeutungen bezüglich seiner Episoden von Schlaflosigkeit und aufkommender Apophanie und einer,
    durch eine unerwartete Begegnung ausgelösten Lebensfreude, die er dem Leser so wunderbar vermittelt, dass man das Gefühl hat endlich wieder durchatmen zu
    können.
    Burnside lebt nach eigenen Aussagen fast ein Jahr lang in einer Art Stadium der Starre, unterbrochen von gelegentlichen Ausflügen in Kneipen und unbedeutenden
    Affären.


    Zitat

    - but most of the time I wasn`t really there. I was a ghost in my own space, a phantom.

    Der Geist, der dieses Mal erscheint, ist ein Geist aus dem verlorenen Reich der Jugend und mit dieser sehr realen Erscheinung wendet sich die Stimmung des Kapitels.
    Burnside schreibt, dass er in jungen Jahren schon eine Ahnung von der Existenz der romantischen Liebe hatte, ihr aber erst wirklich bewusst wurde durch die kurze Be-
    kanntschaft mit Helen. Die Erinnerung an Adele beginnt mit den Worten:
    >Very occasionally however, someone would come along who was so miraculous, it was almost unbearable.<
    Es ist zuerst einmal sehr schön und befreiend zu lesen, wie Burnside nun auflebt, als er seine erste Begegnung mit Adele beschreibt. Da ist sie tatsächlich, die roman-
    tische Liebe, die, wenn man Scott Fitzgerald glaubt, nicht von langer Dauer sein darf. `Conor` hat dieses Zitat schon in einem anderen Thread erwähnt, aber weil es so
    wunderbar passend ist, hier noch einmal.


    Zitat

    Didn`t F. Scott Fitzgerald say somewhere that the difference between a sentimentalist and a romantic is that the sentimentalist is afraid that things
    won`t last forever, whereas a romantic is afraid that they will?

    Kurzzeitig aber ist Burnside dem Glück so nahe wie noch nie. Diese Worte sagen es ganz deutlich und passen am Schluss dann doch wieder zu Fitzgeralds Aussage.


    Zitat

    That first night, we could hear owls somewhere, right there in the middle of the town, and by the time we fell asleep, sometime after dawn, but before the
    others in the house were up and about, I had formed the distinct impression that the world was perfect. I was, at the very least, happy. Genuinely happy,
    like some pioneer of aviation, holding his breath for joy as his rickety machine soars into the ether. It was as if the afterlife had come to town - and I should
    have known then, that it couldn`t last.


    Dann im nächsten Abschnitt wechselt Burnside wieder so unvermittelt auf die dunklere Seite, dass ich diesen Teil dann später kommentiere. Die Geschichte eines
    Triumphes, der Zuschauer hat, aber leider sind die wirklich wichtigen, einmal wieder nicht da. (Seite 137 - If the child is father to the man......)

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  • Careless (Teil 2)


    Bei einer Schulaufführung glänzt Burnside mit Auszügen aus Shakespeare`s >Hamlet< und Oscar Wilde`s >The importance of being earnest<. Es hätte ein
    wunderbarer Moment sein können, aber niemand an dem ihm etwas liegt, ist da um zuzuhören.
    Ein trauriges Zwischenspiel, das bei Burnside die Erkenntnis weckt, dass die Dinge die ihm etwas bedeuten außerhalb seiner Kontrolle liegen. Das diese Tatsache
    später etwas damit zu tun hat, dass Burnside sich seinen dunklen Gedanken und Dämonen zuwendet und die Kraft die er hat auf die dunkle Seite richtet, ist hier
    durchaus eine Möglichkeit. Aber eine Austreibung der Dämonen würde bedeuten, dass auch die Engel auf der Strecke bleiben. Das beschreibt er hier sehr eindringlich:


    Zitat

    To that boy`s credit, he was never in the market for an exorcism- not back then, anyhow - because, somewhere at the back of his head, he knew that, in any
    successful exorcism, the angels tend to get killed off with the demons.

    All dies führt letztendlich dazu, dass Burnside die Beziehung zu Adele beendet. Er hat Angst, dass sein Hang zur Selbstauflösung die dunkel romantische Verbindung in
    eine Katastrophe führen könnte. Eine Katastrophe die Adele mitreißen würde. Das `Normale` hätte Einzug halten müssen um die Beziehung zu erhalten und Burnsides
    Definition ist durchaus nachvollziehbar.


    Zitat

    Now, there`s a definition of normal. An astonishing gift for pretending. The ordinary as-if that binds the days together. We have to pretend, Stendhal said.
    If we don`t pretend, we`re lost. And if you can`t pretend, run away.


    Sehr schön dann im Anschluss auch Burnsides Erwähnung der japanischen Erkenntnis über Wabi-sabi, die Schönheit der einfachen Dinge, die Betrachtung der kleinen
    auch alltäglichen Routinen aus einem anderen, neuen Blickwinkel. Burnside benutzt das um einen Fuß auf den Boden zu bekommen, etwas normales zu erleben, zu
    erspüren. (und sei es dann auch das wabi-sabi eines toasters) :wink:
    Für Adele und Burnside gibt es dann doch noch einmal ein Treffen und dieses Treffen löst eine erneuerte Beziehung aus. Diesmal hilft dabei der Zufall, oder vielleicht auch
    die Bestimmung. Endlich mal ein kleiner Hoffnungsschimmer in einer Zeit die auch bei Burnside ohne Ausflüge in die Apophanie geschieht.
    Mir hat dieses Kapitel auch deshalb sehr gut gefallen, weil er etwas sehr reales und im Grunde auch angenehm normales erlebt. Der letzte Abschnitt hat mich deshalb sehr
    beeindruckt, weil man spürt, dass es auch für Burnside wie eine Erlösung, wie ein tiefes Durchatmen war.


    Zitat

    It was the same story, too; the only difference was that, this time, we both knew what we were doing and what had been raw and violent before was about
    to be transmuted into something far more tender, knowing, enquiring , solicitous and, for as long as it lasted, considerably more elegant than either of us
    could have hoped for.


    lg taliesin

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  • Hallo zusammen :winken: ,


    hier bin ich wieder! Ich bin bis Freitag weder ins Internet noch zum Lesen gekommen. Am Wochenende hatte ich dann den totalen Leserausch, bin mit How to fly fertig geworden, meine Augen sind etwas feucht. Ich werde nie müde, mich im Stillen zu bedanken, dass dieser Mann zur Feder greift und ich ihn entdecken darf :pray:

    Die Dame hat meine tiefste Verachtung mit dem was sie tut und was sie den Kindern gibt, nämlich Valium, wenn sie ihren Spaß haben will. Mir wäre es wohl auch erst Mal wie Burnside gegangen und ich hätte wohl vor lauter Schreck nichts getan. Mittlerweile schnaube ich fast vor Wut, je länger ich drüber nachdenke.


    Die Geschichte mit Gina ist schon haarsträubend, aber auch hier verurteilt er nicht, sondern versucht die Situation zu retten, indem er seine Hilfe anbietet.
    Das zeigt ja auch, dass er sich trotz Krankheit, trotz all der Exzesse seine Menschlichkeit und sein soziales Gewissen erhalten hat.

    Ginas Kinder haben ihm das Gefühl eines Heimes gegeben, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Wie bei Greg und millstone bleibt er, bis er gehen muss. Ich denke bei Gina hat er das getan, was er ausrichten konnte. Mehr konnte er nicht tun...

    Sie zeigt ihm etwas ganz wesentliches, wie schön das Leben sein kann. Burnside hat darüber eine wunderbare Reflektion geschrieben, die ich unmöglich komplett zitieren kann.

    Er hat es wunderbar ausgedrückt, nicht wahr? :drunken: Helen öffnet ihm eine Tür zur Wertschätzung der Existenz- trotz seinem Wunsch nach Selbstauflösung.

  • Es ist zuerst einmal sehr schön und befreiend zu lesen, wie Burnside nun auflebt, als er seine erste Begegnung mit Adele beschreibt. Da ist sie tatsächlich, die romantische Liebe, die, wenn man Scott Fitzgerald glaubt, nicht von langer Dauer sein darf. `

    Das kann ich voll und ganz unterschreiben. Diese Zeilen lasen sich ganz anders. Leichter, offener. Für Burnside ist Adele perfekt, während er selbst vorgibt normal zu sein. Er entschließt sich zum für sie notwendig konsequenten Schritt...

    All dies führt letztendlich dazu, dass Burnside die Beziehung zu Adele beendet. Er hat Angst, dass sein Hang zur Selbstauflösung die dunkelromantische Verbindung in eine Katastrophe führen könnte. Eine Katastrophe die Adele mitreißen würde. Das `Normale` hätte Einzug halten müssen um die Beziehung zu erhalten und Burnsides Definition ist durchaus nachvollziehbar.

    Für Adele und Burnside gibt es dann doch noch einmal ein Treffen und dieses Treffen löst eine erneuerte Beziehung aus. Diesmal hilft dabei der Zufall, oder vielleicht auch die Bestimmung. Endlich mal ein kleiner Hoffnungsschimmer in einer Zeit die auch bei Burnside ohne Ausflüge in die Apophanie geschieht. Mir hat dieses Kapitel auch deshalb sehr gut gefallen, weil er etwas sehr reales und im Grunde auch angenehm normales erlebt. Der letzte Abschnitt hat mich deshalb sehr beeindruckt, weil man spürt, dass es auch für Burnside wie eine Erlösung, wie ein tiefes Durchatmen war.

    Ja, man spürt wie Burnside wieder Boden unter den Füßen bekommt. Einfache, normale Dinge und Abläufe haben plötzlich ihren Reiz, bar jeder Langeweile. Er kommt seinem Gefühl von Surbiton zum ersten Mal nahe.