Jack London: Mord auf Bestellung; Manesse Verlag Zürich 2016; 262 Seiten; ISBN: 978-3-7175-2426-2
Ivan Dragomiloff betreibt in New York eine Attentagsagentur. Auch wenn die Preise gesalzen sind, laufen die Geschäfte prächtig. Eine Bedingung muß erfüllt sein, dait ein Auftrag angenommen wird: Das Opfer muß nachweislich den Tod verdient haben. Dragomiloffs moralische Mission lautet nämlich: Erst wenn alle Schurken beseitigt sind, wird unsere Welt eine bessere sein.
Da erscheint der schwerreiche Winter Hall bei ihm. Er möchte dem Treiben der Auftragskiller ein Ende bereiten. Seine Fragen lauten: Sind Morde um der Gerechtigkeit willen legitim? Welche Opfer darf ein Mensch im Namen einer höheren Moral in Kauf nehmen? Welcher Zweck heiligt welche Mittel? Hall`s Masterplan bewirkt eine mörderische Hetzjagd quer durch die USA (bis auf Alaska).
Die Geschichte macht den Hauptteil des Buches aus. Etwa zwei Drittel stammen aus der Feder von London; Robert L. Fish hat sie vervollständigt. Die Skizzzen von London und seiner (zweiten) Ehefrau Charmian, wie sie fertiggestellt werden könnte, sind danach beigefügt. Die Anmerkungen erklären Begriffe, die dem heutigen Leser unverständlich sind. Das Nachwort beschreibt den Autoren sowie die Entstehungsgeschichte des Textes, der wohl erst 50 Jahre nach dem Tod von Jack London veröffentlicht wurde. Hinsichtlich des Schreibstils läßt sich kein Unterschied zwischen London und Fish erkennen. Man müßte schon in erzählerische Feinheiten einsteigen, um die (leichten) Unterschiede herausarbeiten. Dies würde hier aber zu weit führen.
Moral und Idealismus vs das pralle Leben - so könnte man die Grundidee der Geschichte beschreiben. London (1876 - 1916) war in seinem kurzen Leben Zeitungsjunge, Lagerarbeiterr, Seemann, Journalist und Schriftsteller. Er hat also den harten Alltag der kleinen Leute genauso kennengelernt wie den Luxus der reichen Kapitalisten und kann somit aus dem Vollen schöpfen. Das Streben nach Perfektionismus, einer gerechten Gesellschaft, aber auch die Gleichgültigkeit dem eigenen Leben und dem Leben anderer Menschen gegenüber zieht sich duch das ganze Buch.
Das Werk wird in der Öffentlichkeit als einer der ersten Agententhriller in der Literaturgeschichte bezeichnet. Diese Kategorisierung ist mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Es geht hier nicht um Spionage. Es jagt kein einsamer, gefühlskalter Wolf irgendwelche Verbrecher order Drogenkartelle. Die Erzählstrukturen späterer Autorengenerationen funktionieren hier noch nicht. Das erzählerische Talent der beiden Autoren überwiegt. Die Liebe zum moralischen Detail, die Lust am Fabulieren und, ja, auch ein wenig Liebe kommen hinzu. Da tritt die eigentliche Beschreibung des Verbrechens fast schon in den Hintergrund.
Das Buch ist gut und schnell gelesen. Nimmt man es einmal in die Hand, möchte man es auch nicht mehr beiseite legen.