Cornelia Naumann - Königlicher Verrat

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Paris, 23. November 1407. Ein Mord auf offener Straße verändert das Leben von drei Frauen entscheidend. Königin Isabel, als bayerische Prinzessin fremd in Frankreich, verliert ihren besten Freund. Margaud, Flüchtling vom Lande, wird unversehens zur Gegnerin der königlichen Politik. Christine de Pizan, als emanzipierter »Blaustrumpf« verspottet, verstrickt sich in eine aussichtslose Liebe.
    Die Königin von Frankreich steht vor einer fundamentalen Entscheidung. Muss sie zur Verräterin an ihrem eigenen Land werden, um es retten zu können?


    Autorin (Quelle: amazon)
    Cornelia Naumann, in Marburg geboren, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit bedeutenden, von der Geschichtsschreibung zu Unrecht vergessenen Frauen. Ihre Romane haben einen hohen Anspruch an die biografische Realität ihrer Protagonistinnen. Sie studierte Theaterwissenschaft, Germanistik, Mediävistik und Romanistik in Köln, wo sie als Regieassistentin Erfahrungen am Theater sammelte. Als Dramaturgin und Theaterpädagogin arbeitete sie an Bühnen in ganz Deutschland.
    Nach zwei Theaterprojekten über bedeutende Frauen der Geschichte schrieb Naumann 2009 ihren ersten Roman. 2014 folgte »Die Portraitmalerin« über Anna Dorothea Therbusch, Malerin der Aufklärung, bei Gmeiner.
    Bei ihrer Recherche für den Roman »Königlicher Verrat « bereiste sie historische Orte in Frankreich und Bayern.


    Allgemeines
    Erschienen am 3.August 2016 im Gmeiner Verlag als TB mit 500 Seiten
    Gliederung: Zitat von Christine de Pizan - Personenverzeichnis – Chronologisch hin und her springende Kapitel, überschrieben mit Jahreszahl und Namen der jeweils behandelten Protagonistin – Nachwort
    Erzählung in der dritten Person aus unterschiedlichen Perspektiven
    Handlungsort und -zeit: Frankreich 1407 – 1422 mit Rückblicken auf die Jahre seit Isabeaus Eheschließung (1385)


    Inhalt und Beurteilung
    Die Romanhandlung setzt im Jahr 1407 ein, als Louis, Herzog von Orleans, Bruder des Königs Charles VI und Schwager von Königin Isabeau (im Roman Isabel genannt), auf offener Straße ermordet wird. Die vierzehnjährige Margaud, die nach dem Tod ihrer Mutter aus ihrer ärmlichen Familie nach Paris geflüchtet ist, wird Zeugin der Tat. Völlig verschreckt flüchtet sich das Mädchen zu einer Bäckerin, die sie als Gehilfin aufnimmt. Dann wird Margaud, die bei ihrer Mutter eine gute Erziehung genossen und Lesen/Schreiben gelernt hat, jedoch von der Schriftstellerin Christine de Pizan als Kopistin angestellt.
    Der Roman schildert im Folgenden die politisch sehr unruhigen Jahre bis zum Tod des Königs im Jahre 1422, als diverse politische Gruppierungen in Adelskreisen die „Abwesenheiten“ (= Phasen von Geistesgestörtheit) des Königs ausnutzen, um Macht und Einfluss zu erlangen. Doch auch unter den Bürgern, die sich nicht länger vom Adel ausbluten lassen wollen, herrscht Aufruhr.
    Die Ereignisse werden aus drei jeweils wechselnden Perspektiven geschildert: Königin Isabel betrachtet die instabile Situation in Frankreich aus der Sicht einer Königin, die ihren oft regierungsunfähigen Mann zu vertreten versucht und sich um Frieden und Ausgleich bemüht, obwohl sie als Ausländerin – sie stammt aus Bayern – einen schweren Stand hat und sich Verleumdungen ausgesetzt sieht. Die junge Margaud stammt aus dem einfachen Volk; unter dem Einfluss des Revolutionärs Simon le Coutelier, in den sie sich verliebt, gerät sie auf die Seite des aufrührerischen Volks. Christine de Pizan betrachtet die Ereignisse aus der Sicht der Philosophin und Schriftstellerin, als „frühe Feministin“ geht sie in ihrem Werk „Das Buch von der Stadt der Frauen" der Frage nach, warum Frauen als den Männern nicht ebenbürtig betrachtet werden und ob es auf der Welt nicht friedlicher zuginge, wenn die Frauen mehr Einfluss hätten.
    Die Kapitel verlaufen nicht immer chronologisch, in Bezug auf Königin Isabel gibt es eingeschobene Rückblicke auf ihre Jugend und erste Ehejahre. Durch die Perspektivwechsel zwischen den drei weiblichen Hauptfiguren ergibt sich ein vielseitiges Bild dieser geschichtlichen Epoche, allerdings verlangt der komplexe Roman dem Leser auch einiges ab, sodass man, sofern man sich mit französischer Geschichte nicht gut auskennt, nicht so schnell vorankommt.
    Es lohnt sich jedoch, am Ball zu bleiben, denn das Buch ist nicht nur informativ, sondern auch flüssig und teilweise sehr spannend im Erzählstil.
    Die Charakterisierung der Figuren, bei denen es sich zum größten Teil um historische Persönlichkeiten handelt, erscheint gut und realitätsnah ausgearbeitet, in Bezug auf den König und seine Anfälle von Wahnsinn wird hier eine Darstellung gewählt, die mir nicht belegt zu sein scheint. Mangels Fachkenntnis kann ich das allerdings nicht beurteilen.
    Das Nachwort der Autorin hätte (für Leser ohne Vorkenntnisse zur französischen Geschichte des 15.Jahrhunderts) etwas umfangreicher ausfallen können.


    Fazit
    Ein anspruchsvoller und informativer Roman, für den man Zeit und Konzentration mitbringen sollte!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich habe das E-Book aus der Onleihe gelesen, was wegen der (für mich) notwendigen Zurückblätterei zum Personenverzeichnis nicht so praktisch war wie die Printausgabe.


    @Marie
    Du schaust wahrscheinlich nicht bei den historischen Romanen rein, deshalb mache ich Dich extra darauf aufmerksam, dass ich ein gutes Buch über Dein geliebtes Frankreich vorgestellt habe.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Danke für die Rezension. Ich hatte das Buch ohnehin auf der Wunschliste, da ich vor vielen Jahren eine sehr interessante Biografie über Königin Isabeau gelesen habe und mehr über sie lesen wollte. Sie wurde noch zu Lebzeiten und von der Nachwelt sehr kritisch gesehen, aber in der Biografie wurde sie sehr verständnisvoll beurteilt. In dem Roman ist es anscheinend genauso. War ja auch nicht einfach für sie, als Gemahlin eines zeitweise geistesgestörten Königs.
    Das Buch wird wohl schnell von der Wunschliste in mein Regal bzw. auf meinen Reader wandern.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Sie wurde noch zu Lebzeiten und von der Nachwelt sehr kritisch gesehen, aber in der Biografie wurde sie sehr verständnisvoll beurteilt. In dem Roman ist es anscheinend genauso.

    Ja, die Autorin schreibt im Nachwort, dass sie die sehr kritische Beurteilung als ungerechtfertigt empfindet.
    Da heißt es:
    "Ich stellte fest, dass nicht die Zeitgenossen, sondern die patriarchale Rezeption späterer Jahrhunderte Isabel beschimpfte.[...]so wurde Isabel zur hässlichen Hetzerin und Verräterin erklärt, weil sie die Einzige war, die ritterliche "Ehre" als Kriegstreiberei erkannte und die Habgier der mächtigen Fürstenhäuser durch ihre Intrigen zu schwächen versuchte."
    Auch Schiller ("Die Jungfrau von Orleans") scheint am negativen Bild dieser Königin Anteil zu haben.
    Ich kenne mich zu wenig mit französischer Geschichte aus, um das beurteilen zu können. Vielleicht muss ich mir nochmal dieses Buch (s.u.) aus der Bücherei holen und den Abschnitt über Isabel studieren.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998