Christine Kabus - Das Geheimnis der Mittsommernacht

  • Clara wuchs in einem Waisenhaus auf und hat als Bedienstete in einem wohlhabenden Haushalt in Bonn gearbeitet, wo sie ihren Ehemann Olaf Ordal kennenlernte. Nun hat Olaf eine Stelle in der Südsee auf Samoa angeboten bekommen und will mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn Paul zu neuen Ufern aufbrechen. Doch da erreicht die Familie eine Nachricht aus Pauls norwegischer Heimat, die alle Reisepläne auf den Kopf stellt. Clara und ihre Familie reisen Roros, einem kleine Bergbaustädtchen in Norwegen, aber kaum dort angekommen, ist der Empfang durch Olafs Eltern frostig und abweisend. Bei einem unglücklichen Sturz kommt Olaf ums Leben und hinterlässt Clara völlig mittellos mit ihrem kleinen Sohn in einem fremden Land, wo die Menschen ihr mit Misstrauen und Argwohn begegnen. Clara rafft all ihren Mut zusammen und baut sich mithilfe einiger unvoreingenommener Einwohner Roros ein neues Leben für ihren Sohn und sich selbst auf. Dabei trifft sie auf Sofie Svartstein, die jüngste Tochter des mächtigsten Mannes am Ort. Die beiden Frauen mögen sich sofort und freunden sich miteinander an. Aber sie teilen noch mehr miteinander, erst nach und nach wird der Schleier eines Geheimnisses gelüftet, dass ihre Familien miteinander verbindet.


    Christine Kabus hat mit ihrem neuen Buch „Das Geheimnis der Mittsommernacht“ einen sehr lebendig und unterhaltsam erzählten historischen Roman vorgelegt, der in der rauen Landschaft Norwegens beheimatet ist. Der Schreibstil ist herrlich flüssig, schon der Prolog ist geheimnisvoll und lädt den Leser zum Miträtseln ein. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr detailliert, man hat das ursprüngliche und geheimnisvolle Norwegen vor Augen, einem Land, in dem die Feen und Trolle von jeher zuhause sind. Die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt, die zwar beide im gleichen Zeitalter zuhause sind, doch einmal aus Claras Sicht berichtet wird und zum anderen die Erlebnisse von Sofie erzählen. Dabei kreuzen sich die Wege der Frauen immer wieder, bis sie sich immer mehr annähern. Durch die wechselnde Erzählweise entwickelt sich eine gewisse Spannung, die sich im Laufe der Geschichte immer mehr steigert. Die Autorin versteht sich gut darin, dem Leser immer nur kleine Hinweise zu geben, um ganz langsam das Ausmaß der ganzen Geschichte und des Geheimnisses zusammen zu setzen. Auch die damaligen Lebensverhältnisse der Menschen in der kleinen Bergbauerstadt wird sehr schön dargestellt: die eingeschworene Gemeinschaft, die allem Fremden gegenüber misstrauisch eingestellt ist und lieber für sich ist oder das Gerede hinter dem Rücken der Leute, die ihre Mitmenschen damit brandmarken und sie so versuchen auszugrenzen.


    Die Charaktere hat die Autorin sehr schön ausgestaltet, ihnen regelrecht Leben eingehaucht, indem sie ihnen Ecken und Kanten verliehen hat und ihre Gedanken und Gefühle für den Leser offen präsentiert. Clara ist eine sehr sympathische Frau, die den Leser sehr schnell für sich einnimmt. Sie hat bereits einige Schläge in der Vergangenheit verkraften müssen und musste mit ihrer Ehe lernen, sich in der besseren Gesellschaft zu Recht zu finden. Als ihr Ehemann stirbt, steht sie vor dem Nichts und ist doch mutig genug, die Ärmel hochzukrempeln, um alles für ihren kleinen Sohn zu tun und sich in einem fremden Land ihr Auskommen zu erarbeiten. Clara ist ein offenes und hilfsbereites Wesen, die mitfühlt und sich auch für harte Arbeit nicht zu schade ist. Dadurch fliegen ihr auch einige Herzen zu. Sofie ist ebenfalls eine sympathische Person, die im Gegensatz zu Clara allerdings in einem reichen Elternhaus behütet aufwuchs. Aber Sofie ist ein Freigeist und hat ein ehrliches Wesen, kann sich in die Menschen hineinfühlen. Sie ist hilfsbereit und unterstützt ihre Mitmenschen, sucht dabei einen Weg, sich selbst frei entfalten zu können und ihrem Leben eine eigene Richtung zu geben. Die Nebenprotagonisten mit ihren eigenen kleinen Geschichten untermalen und unterstützen die Handlung auf ihre eigene persönliche Art, sind sie doch alle miteinander irgendwie verwoben in diesem norwegischen Bergbaustädtchen.


    „Das Geheimnis der Mittsommernacht“ ist ein sehr unterhaltsamer historischer Roman zur Zeit der Jahrhundertwende vor der wunderschönen Kulisse Norwegens, der auch eine gewisse Spannung nicht vermissen lässt. Wer gern Bücher über fremde Ländern liest und auch historisch interessiert ist, wird mit diesem Roman bestimmt schöne Lesestunden verbringen. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung!!!


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    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Zwei Frauen in Norwegen


    Mit ihrem neuen Roman bleibt Christine Kabus ihrer Linie treu und führt den Leser erneut nach Norwegen. Im Mittelpunkt des Geschehens, das im Jahr 1895 beginnt, stehen zwei unterschiedliche junge Frauen, die bei näherer Betrachtung doch einige Gemeinsamkeiten aufweisen.


    Da ist einerseits die fünfundzwanzigjährige Clara. Die Deutsche ist ein Findelkind und eine Waise und scheint ihr Glück trotz aller Widrigkeiten gefunden zu haben. Schließlich hat sie es vom mittellosen Dienstmädchen zur Ehefrau eines aufstrebenden Juristen gebracht. Ihr Mann Olaf Ordal ist grundsolide und einer von der stillen Sorte, der seiner Frau mit Achtung und Respekt begegnet und für sie und Sohn Paul sorgt. Vor zehn Jahren hat Olaf seine Heimat verlassen, und als er mit seiner Familie zu einem Leben in die Südsee aufbrechen will, ruft ihn eine Nachricht zurück nach Norwegen. Mit offenen Armen werden die jungen Ordals dort nicht empfangen. Und als ein Unglück geschieht und Olaf stirbt, verschlechtert sich für Clara und Paul die Situation zusätzlich. Denn sie befinden sich nicht nur in einem unbekanntes Land, sondern sehen sich zudem Menschen gegenüber, die sie nicht willkommen heißen und akzeptieren wollen, ja sogar vehement ablehnen. Doch bei aller Verzweiflung gibt es auch Lichtblicke...


    Im Gegensatz zu Clara ist Sofie als Tochter des Bergwerkdirektors Ivar Svartstein in ein privilegiertes, sorgenfreies Leben hineingeboren. Sie möchte sich nicht mit ihrem vorbestimmten Schicksal als Frau abfinden und nutzt jede Gelegenheit, ihrer Welt zu entfliehen, auch um ihren Wissensdurst und ihre Neugier zu stillen. Sie glaubt daran, dass in einer Ehe Zuneigung zärtliche Gefühle herrschen können und dass eine Liebesheirat keine romantische Utopie sein muss, sondern wahr sein kann. Jedoch das Schicksal macht keinesfalls vor Sofies Familie nicht halt, und Sofie verliert ihre geliebte Mutter bei der Geburt des erhofften Sohnes. Bei deren Eltern findet sie liebevolle Aufnahme, Verständnis und Zuspruch. Gestärkt beschreitet sie neue Wege, findet Erfüllung in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bibliothekarin, engagiert sich für ein Theaterstück und scheint die Liebe zu entdecken...


    Christine Kabus verfügt über eine einprägsame Art des Schreibens, die es dem Leser möglich macht, eine Geschichte so zu erleben, als wäre er unmittelbar vor Ort, obwohl einem das Land und die Menschen eigentlich völlig fremd erscheinen. Ihre ausführliche Recherche des historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrundes fügt sich gekonnt in die Geschichte ein, ohne ausufernd zu sein. Sie schafft es, mit bildhaften und intensiven Beschreibungen, detaillierte Vorstellungen beim Leser zu erzeugen.


    Eine weitere Stärke der Autorin sind die differenziert ausgearbeiteten Figuren. Sie wirken natürlich, lebensnah und glaubwürdig und haben viel Raum, sich zu entfalten und zu entwickeln.


    Im Mittelpunkt stehen natürlich Clara und Sofie.


    Anfänglich ist der sanftmütige Clara ihr neues Leben an der Seite von Olaf immer noch ein wenig unheimlich, und es fällt ihr nach wie vor schwer, unbefangen damit umzugehen, dass sie durch ihre Heirat zur "besseren"Gesellschaft aufgestiegen ist. Sie sieht dieses Leben nicht als selbstverständlich an. Deshalb ist ihre Verzweiflung nach dem Tod von Olaf deutlich spürbar. Sie sorgt sich um die nunmehr fehlende Geborgenheit und Sicherheit. Aber mit der Zeit wächst sie über sich hinaus und kann sich davon lösen, ohne Olaf den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein. Etwas, was in ihrem bisherigen Leben bisher nicht hatte, verfestigt sich, die Gewissheit, dass sie mehr zustande bringen und aushalten kann, als sie sich je zutraute.


    Sofie ist 19 und gilt in den Augen einiger Mitmenschen als verschlossen, grüblerisch und widerborstig. Dabei verfügt sie über einen scharfsinnigen Verstand, der sie erkennen lässt, dass die bigotten Ansichten, scharfzüngigen Verurteilungen und engstirnigen Normvorstellungen mancher braver Bürger nicht nur amüsant, sondern unangenehm sind, weil sie durchaus den guten Ruf eines unbescholtenen Mitmenschen vernichten und dem Betroffenen das Leben zur Hölle machen können. Zwar ist auch Sofie nicht frei von Vorurteilen, andererseits es ist ihr möglich, dies selbst zu erkennen und aus ihren eigenen Fehlern zu lernen.


    Neben den beiden Frauen vermögen auch die anderen Charaktere zu überzeugen. Während einige wie Paul, Bodil, Per, Mathis und Frau Olsson sofort begeistert aufgenommen werden, rufen andere - beispielsweise Sofies Schwester Silje - durchaus Unbehagen hervor. Daneben gibt es Figuren wie Ivar Svartstein, der nicht unbedingt ins positive Licht gerückt wird, bei dem keinesfalls nur negative Eigenschaften vorherrschen. Hier ist der Autorin eine anschauliche Mischung gelungen.


    Christine Kabus überzeugt mit einer Geschichte voller Möglichkeiten und Entwicklungen, mischt diese mit dem Gegebenheiten Norwegens und füllt sie mit beeindruckenden Menschen, die in Erinnerung bleiben.


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