Inhalt (Zitat Golkonda-Verlag, leicht gekürzt)
Im Sommer 1949, acht Jahre nach dem Friedensschluss mit Hitler, treibt Großbritannien unaufhaltsam einer düsteren Zukunft entgegen. Hitler wird zu einem Staatsbesuch erwartet, und in einem Londoner Vorort explodiert eine Bombe und reißt zwei Menschen in den Tod.
Inspector Carmichael würde Scotland Yard und auch das Land lieber heute als morgen verlassen, seit er gezwungen wurde, einen Mörder zu decken. Nun kommt er einer Verschwörung auf die Spur, die ein Attentat auf den Premierminister und auf Hitler planen.
Doch die Attentäter sind auf die Hilfe der Schauspielerin Viola Lark angewiesen, die nur für das Theater lebt und mit der Rolle als Hamlet den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht hat. Die Zeit gerät aus den Fugen, und alle müssen Entscheidungen treffen, deren Folgen nicht abzusehen sind. (--> Anmerkung von mir: das ist so eine komplett nichtssagende Plattitüde... "die Zeit gerät aus den Fugen"?? )
Im zweiten Band ihrer Krimi-Trilogie beschreibt Jo Walton, wie der Faschismus in Großbritannien Fuß fasst - wenn die Geschichte denn anders verlaufen wäre. Spannend und erschreckend überzeugend entsteht das Porträt einer Gesellschaft, in der die Angst regiert, der Verrat überall lauert und niemand mehr unschuldig bleiben kann.
Rezension
Es ist was faul im Staate England.
Der Tag der Lerche (Ha'penny) setzt etwa zwei Wochen nach Ende des ersten Teils, Die Stunde der Rotkehlchen (Farthing), ein. Einmal mehr erzählt Walton ihre Geschichte abwechselnd aus der Ich-Perspektive einer jungen Frau – dieses Mal Viola Lark, ex-Larkin, Tochter eines Abgeordneten und Schauspielerin – und aus Inspector Carmichaels in der dritten Person geschriebenen Sicht.
Ha'penny hat mich nicht ganz so begeistern können wie Farthing.
Weder Plot noch Ausführung sind sonderlich originell. Walton beschäftigt sich mit der alten Frage: Wie weit würdest du gehen, um für deine Überzeugungen zu kämpfen? Und wie weit gehst du, wenn du nicht für deine Überzeugungen kämpfst, sondern gezwungen wirst?
Sowohl Viola als auch Carmichael befinden sich in der unangenehmen Lage, dass dritte Personen ihre Handlungen lenken und sie nicht wirklich frei in ihren Entscheidungen sind. Das könnte zu einer interessanten, spannenden Handlung führen. Nur: So richtig wollten die ethischen Konflikte, denen sich die Protagonisten aussetzen müssen, diesmal nicht zu mir überspringen. Es hat mich einfach nicht interessiert, ob die Verschwörung gelingt und die Bombe nun hochgeht oder nicht.
Das hat mehrere Gründe (neben dem, dass es vielleicht einfach zu heiß war in den letzten Tagen, um mich für irgendetwas anderes als Eiscreme zu interessieren): Der Aufbau der Geschichte lässt wenig Spannung aufkommen. Der Leser weiß zwar nicht genau, was passieren wird, aber Viola lebt zumindest lange genug, um ihre Geschichte zu erzählen; außerdem gibt es einen dritten Teil, Carmichael wird also wohl auch in einem Stück aus diesem Buch rauskommen. Die Tatsache, dass es sich hier um alternative Historie handelt, etwas, was so nie passiert ist und nie passieren wird, hat ebenfalls dazu geführt, dass mir der Ausgang der Geschichte eher egal war. "Was wäre wenn" kann unterhaltsam sein, nur so richtig spannend ist es für mich eben nicht.
Letztlich war meine eigene Distanz zur den Geschehnissen auch ein wenig Violas distanzierter Haltung geschuldet. Das einzige, für das die Frau ein wenig Leidenschaft aufbringt, ist das Theater. Alles andere scheint ihr komplett gleichgültig zu sein. Das lässt ihre Hals-über-Kopf-Romanze mit dem Terroristen Devlin etwas seltsam erscheinen und will nicht so ganz passen. In ihren Kapiteln berichtet sie davon genauso kühl wie von allem anderen. Es fiel mir schwer, mich auf diese Ich-Erzählerin einzulassen, und ihre Gleichgültigkeit scheint ein wenig auf mich abgefärbt zu haben.
So viel Kritik und dennoch vier Sterne? Ja – es gibt eben auch viel Lesenswertes in diesem Buch. Ich jammere hier auf hohem Niveau.
Walton trifft die Stimme ihrer nicht wirklich sympathischen, schwer greifbaren Ich-Erzählerin doch recht überzeugend; Carmichael und Sergeant Royston sind ebenso wie im ersten Band sehr runde Charaktere. Hier lernen wir auch eine privatere Seite Carmichaels kennen und erfahren mehr über seinen Lebensgefährten Jack. Ich mochte auch die Abschnitte über das Theaterstück. Und letztlich hat Walton einige kleine, gemeine Ideen, die zu einem ironisch-bösem Ende führen. Es sind diese Details, die diese alternative Historie ziemlich gegenwärtig und ziemlich erschrecken machen – und nur zu gut auf den dritten Teil vorbereiten.
Fazit
Der zweite Teil der Small Change-Trilogie wirkt ein wenig wie ein Füller zwischen Teil 1 und Teil 3. Walton baut ihre alternative Historie allerdings glaubhaft auf und füllt sie mit realistisch erscheinenden Protagonisten.
Über die Autorin (von Amazon.de)
Jo Walton wurde in Wales geboren, lebte viele Jahre in England und hat sich 2002 in Kanada niedergelassen. Ihr erster großer Erfolg war der Roman „Tooth and Claw“ (2003), der mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde. Für ihren Roman „Lifelode“ (2010) erhielt sie den Mythopoeic Award. Sie führt ein regelmäßiges Blog und schreibt für die Internetseite tor.com eine regelmäßige Kolumne.