Autor: Charles Ferdinand Ramuz
Titel: Der Besuch des Dichters, aus dem Französischen übersetzt von Hanno Helbling
Originaltitel: Passage du Poète, erschien erstmals 1923
Seiten: 121 Seiten, unterteilt in 15 Kapitel
Verlag: Limmatverlag
ISBN: 9783857911224
Der Autor: (von der Verlags-Homepage)
Zitat von Charles Ferdinand RamuzIch bin 1878 zur Welt gekommen, aber sagen Sie es nicht. Ich bin als Schweizer zur Welt gekommen, aber sagen Sie es nicht. Sagen Sie, dass ich im Pays-de-Vaud zur Welt gekommen bin, einem alten savoyischen Land – das heißt dem Languedoc, dem französischen Sprachraum zugehörig –, und an den Ufern der Rhone, unweit ihrer Quelle. Ich habe Altphilologie studiert; sagen sie es nicht. Sagen Sie, dass ich bestrebt war, kein Altphilologe zu sein, was ich im Grunde nicht bin, sondern ein Enkel von Winzern und Bauern, und es war mein Wunsch, ihnen Ausdruck zu geben. Doch ausdrücken heißt erweitern. Mein tiefstes Bedürfnis ist es, zu erweitern ... Ich bin ganz jung nach Paris gekommen; in Paris und wegen Paris habe ich mich kennen gelernt. Während zwölf Jahren habe ich jedes Jahr wenigstens einige Monate in Paris verbracht; und die Reisen von Paris heim und von daheim nach Paris sind meine einzigen Reisen geblieben! (Außer jener, die ich aus Religion unternommen habe, der Rhone nach bis ans Meer, mein Meer.)
Ramuz war mit Mitteilungen über seine Person äusserst sparsam. In seinem Tagebuch, das er vor der Veröffentlichung überarbeitete, findet man nur wenige Hinweise auf sein Privatleben. Sein umfangreicher Briefwechsel gibt nur Aufschluss über seine literarischen Projekte und über das kulturelle Leben der damaligen Westschweiz.
Ramuz wurde am 24. September 1878 in Lausanne geboren; sein Vater hatte ein Kolonialwarengeschäft und war später Weinhändler. Nach dem Collège classique besuchte Ramuz das Gymnasium und liess sich 1896 in der philosophischen Fakultät einschreiben. Ein Aufenthalt in Karlsruhe hinterliess wenig Erinnerungen, dafür den Entschluss, Dichter zu werden. Nicht ohne Schwierigkeiten erhielt er vom Vater die Erlaubnis, seine Studien in Paris fortzusetzen, um eine Doktorarbeit über den Dichter Maurice de Guérin zu schreiben. Daraus wurde nichts, dafür fand er sich in Paris als Dichter. Mehr als zehn Jahre verbrachte er – mit längeren Unterbrüchen – in Paris. Dort lernte er auch seine Frau kennen, die Malerin Cécile Cellier. Im Krieg lernte er Igor Strawinsky kennen; aus ihrer Zusammenarbeit entstand die «Histoire du Soldat».
Von 1926 an veröffentlichte der Pariser Verlag Grasset seine Werke. 1936 erhielt er den Grossen Preis der Schweizer Schillerstiftung. Ramuz starb am 23. Mai 1947 in Pully bei Lausanne.
Charles Ferdinand Ramuz ist übrigens auf der aktuellen 200 CHF-Note abgebildet (Achte Serie von 1995)
Nach ihm ist zudem der Grand Prix C.-F. Ramuz benannt, einem Literaturpreis, der alle fünf Jahre an herausragende französischsprachige Schweizer Schriftsteller vergeben wird.
Inhalt: (Klappentext)
Ein Dichter ist gekommen, und man hat ihn nicht erkannt, man weiss nicht, wer er ist.
Er ist einfach ein Mensch, ein Mensch unter den Menschen, ein Mensch wie die anderen Menschen.
Man weiss nicht, wer er ist, man hat ihn nicht erkannt, er trägt wie wir einen Kittel oder einen Wams aus schwarzem Stoff, mit einem gestärkten Hemd und einem Hut, einem Bart; er trägt Werktagskleider am Werktag und Sonntagskleider am Sonntag, er hat eine Arbeit wie wir; da gibt es solche, die machen Körbe: so ist er gekommen, mit seinen Körben, und man hat gesagt: "Das ist der Korber..."
Meinung:
120 Seiten, durch die ich mich mühsam durchgelesen habe. Ein ziemlich knappes Büchlein und dennoch fällt es mir nicht leicht, eine vernünftige Zusammenfassung zu schreiben. Es passiert eigentlich nichts in dem Buch. Ein Fremder kommt ins Dorf, beobachtet und beschreibt das beschwerliche Leben der Winzer in den Bergen: das "einfache" Leben ist hart und beschwerlich, das Wetter kann den Lohn der körperlichen Anstrengung ruckzuck zunichte machen, da hilft nur Gottesfürchtigkeit und Fleiss, dann darf man am Ende der Saison auch ein ausgelassenes Fest feiern. Das war vor fast hundert Jahren wohl ein populäres Thema; ich fühlte mich an Knut Hamsuns "Segen der Erde" erinnert (nur von der "Kernaussage her, nicht vom Schreibstil), das mir aber auch nie gefiel. Dann andererseits "lebt" das Buch nicht unbedingt von den episodenhaften Einblicken rund ums Dorfleben, sondern vielmehr von den Landschaftsbeschreibungen und der poetischen und dennoch kargen Sprache. Diese Formulierungen fand ich allerdings auch sehr mühsam; selten konnte ich mich so schlecht in ein Buch hineinlesen (und das bei nur 120 Seiten). Hier ein Beispiel:
Zitat von Charles Ferdinand RamuzDa ist nur noch die Nacht, vor einem, hinter einem; nur noch die Nacht, dort wo das Wasser war, das grosse Wasser, die beiden Ufer, der Berg.
Nacht um das, was gewesen ist, hinter ihm, der fortgeht; vor ihm Nacht um das, was noch nicht ist; worauf er zugeht, und immerzu geht, auf eine grosse Schattenwand geht er zu, denn dort fangen die Wälder an: da verschwindet er selbst, er selber vergeht, er geht weiter: in nichts, auf dass etwas sei.
Das war meine erste Leseerfahrung mit dem Autor, und die Sammelausgabe mit vier Romanen lege ich zurück in das untere Drittel meines SUBs, grosse Lust auf Mehr hat mir die Lektüre jetzt nicht gemacht.