Padgett Powell - Edisto / Edisto

  • Der Autor (englische Wikipedia): Der am 25. April 1952 in Gainesville, Florida geborene Padgett Powell ist ein US-amerikanischer Schriftsteller in der Tradition der Südstaatenliteratur. Sein Debütroman „Edisto“ von 1983 war für den American Book Award nominiert. Seitdem hat er fünf weitere Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. Seit 1984 ist er Professor für Kreatives Schreiben an der University of Florida.


    Werke: „Edisto“ (1983, dt. „Edisto“), „A Woman Named Drown“ (1987, dt. „Eine Frau mit Namen Drown“), „Typical“ (Storysammlung, 1991), „Edisto Revisited“ (1996, dt. „Rückkehr nach Edisto“), „Aliens of Affection“ ([i]Storysammlung, 1998, dt. „Schrottplatz der gebrochenen Herzen. Storys“), „Mrs. Hollingsworth's Men“ (2000, als „Hologram“ wiederveröffentlicht im Jahr 2014), „The Interrogative Mood: A Novel?“ (2009, dt. „Roman in Fragen“), „You & Me“ (2012), „Cries for Help, Various“ (Storysammlung, 2015)


    Klappentext (Rowohlt): In der Überzeugung, ihr Sohn habe das Zeug zum Schriftsteller, hat Simons' Mutter ihn von Geburt an mit Klassikern eingedeckt und lässt ihn, wo immer er will, Erzählstoff sammeln – beispielsweise in der örtlichen Bar. Simons' Vater hat nach einem Streit in Sachen Erziehung die Familie verlassen. Aber Taurus, der mysteriöse Ersatzvater und Liebhaber der Mutter, führt den Jungen in die Kunst ein, die Welt ohne Vorurteile wahrzunehmen.


    Der Roman erschien im Original unter dem Titel „Edisto“ 1983 im Verlag Henry Holt in New York. 1997 veröffentlichte der Berlin Verlag die deutsche Übersetzung von Harry Rowohlt. Zwei Jahre später erschien im Rowohlt-Verlag eine Taschenbuchausgabe. Diese Ausgabe umfasst 204 Seiten. Das Umschlagbild mit den beiden bunt herausgeputzten Jungmännern setzt meiner Ansicht nach einen falschen, urbanen Akzent. Der Roman spielt auch nicht unter jungen Afroamerikanern. Die Hauptfigur ist ein zwölfjähriger Weißer.


    Ein sehr seltsamer, irgendwie abstrakter Roman, zu dem ich zuerst überhaupt keinen Zugang bekam, der mich völlig kalt gelassen hast, weil für mich die Hauptfigur absolut ungreifbar war, bis er mich ab etwa der Hälfte bis zum Ende hin dann doch ziemlich in seinen Bann geschlagen hat. Im sprunghaften Episodenstil ohne klassische Dramaturgie erzählter Roman, der seinen Figuren seltsam fern bleibt, aber unglaublich stark ist im Hervorrufen einer Atmosphäre, eines Gefühls, im Malen von greifbaren Erinnerungen. Aber passieren tut eigentlich nichts. :lol: Aber so ist Kindheit: ein großes Erwarten, Begreifen und sich Abzeichnen.


    Einerseits beschreibt der Roman einen Sommer eines intelligenten, neunmalklugen Zwölfjährigen namens Simons (gesprochen "Simmons") Manigault auf einem Anwesen auf der Küsteninsel Edisto in South Carolina, der von seiner getrennt lebenden, allgemein nur „die Herzogin“ genannten Mutter mit ihrem versteckten Faible für Spirituosen in Richtung eines literarischen Wunderkindes gepusht wird und der an der Seite eines vom Fleck weg als Chauffeur eingestellten schwarzen Gerichtsvollziehers viel über das Leben lernt. Andererseits ist es ein Roman über den schleichenden Untergang des „Alten Südens“, das sinnlose Fortdauern eines Plantagenbesitzer-Lebensstils der letzten Weißen vor Ort Mitte des 20. Jahrhunderts. Ich hatte vor allem Schwierigkeiten mit der Erzählerfigur: Ist es der zwölfjährige Junge, der aus dem Moment berichtet, oder der älter gewordene Junge, der aus der Rückschau berichtet? Es hört sich weder nach einem Zwölfjährigen an, noch tut er Dinge, die Zwölfjährige gemeinhin tun. Doch durch diesen Kniff wird dem Leser nach und nach der Boden unter den Füßen weggezogen. Man wird eingewoben in einen Erinnerungsstrudel, der ein sehr allumfassendes Gefühl der Nostalgie erzeugt. Der Alkohol trinkende, neunmalkluge Junge ist auch ein Bild der Wünsche eines Zwölfjährigen, eine Facette der Möglichkeiten, die ein Junge, der zu großer Selbstständigkeit erzogen wird und der in einem seltsamen Schutzraum aus alter Wohlanständigkeit lebt, verwirklichen kann oder möchte.


    Dass der Roman oftmals mit „Der Fänger im Roggen“ verglichen wird, liegt meiner Meinung hauptsächlich daran, dass der herausragende, von mir geschätzte US-Schriftsteller Walker Percy den Roman öffentlich für besser als den „Fänger im Roggen“ gehalten hat. Dabei verdankt "Edisto" doch im Grunde dem „Huckleberry Finn“ fast mehr … „Edisto“ ist auf jeden Fall ein bemerkenswerter Coming-of-Age-Roman mit einer originellen Erzählerstimme, der ich nach langer Einlesezeit – in der ich fast versucht war, den Roman in die Ecke zu pfeffern – gerne gelauscht habe. Obwohl viele Aspekte der Geschichte an mir aus Unkenntnis wahrscheinlich vorbeigerauscht sind, bin ich am Ende doch sehr glücklich, den Roman gelesen zu haben. Ich kann mir gut vorstellen, irgendwann diesen sprachtrunkenen Erinnerungsort mit seiner mal ominösen, mal luziden Atmosphäre erneut mit Genuss aufzusuchen. :drunken:
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    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)


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    O:-) Letzter Kauf: Everett "Erschütterung" (27.03.)

  • Eine englische Ausgabe, bei Profile Books im November 2012 erschienen.

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  • Eine französische Ausgabe unter dem Titel "Edisto", übersetzt von Marie-Claude Peugeot. Im November 2013 im Verlag Belfond erschienen.

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