John Burnside - Lügen über meinen Vater (ab 02.09.2016)

  • Das siebte Kapitel muss ich ohnehin noch etwas sacken lassen bzw. noch einmal lesen. Ich empfinde es als ziemlich gehaltvoll.

    Da habe ich gestern Abend mal reingelesen und vor allem bei der Geschichte um den >gentle giant< können sich beim Leser schon die Nackenhaare aufstellen.
    Die Reaktion des kleinstädtischen Umfeldes ist ja so was von verdreht .......... ?(

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • kurzes Zwischenspiel:


    Wir haben uns ja schon öfter über das Thema Dunkelheit und die Grenze von Alltagswelt und Anderswelt bei Burnside unterhalten, weil es auch ein Grundthema in
    Burnsides Schriften zu sein scheint. In extremen Situationen der Alltagswelt scheint dieses Dunkle und Mysteröse immer durchzuscheinen und sozusagen die
    Führung zu übernehmen. Burnside begann ja als Dichter und in seinen Gedichten ist die Suche nach Erfahrungen jenseits des Alltäglichen immer Grundthema.
    Das lebt in seiner Prosa weiter und nimmt einen ganz natürlichen Platz ein. Ich habe gerade in seinem Gedichtband >Selected Poems< ein Gedicht gefunden, das
    ganz wunderbar zu diesem Thema und zu diesem ersten Memoir passt. Die Familie Burnside wohnt ja in den Industriestädten Cowdenbeath und später in Corby.


    @Farast leider gibt es keine deutsche Übersetzung dieses Gedichts, aber mit Grundkenntnissen und ein wenig Arbeit müsstest du es ganz gut verstehen können.


    The Pit Town In Winter


    Everything would vanish in the snow,
    fox bones and knuckles of coal
    and dolls left out in the gardens,
    red-mouthed and nude.


    We shovelled and swept the paths,
    but they melted away in the night
    and the cars stood buried and dumb
    on Fulford Road.


    We might as well be lost, she said;
    but I felt the neighbours dreaming in the dark,
    and saw them wrapped in overcoates and scarves
    on Sundays: careful, narrow-footed souls,
    become the creatures of a sudden light,
    amazed of how mysterious they were.


    Ich finde, dass passt so hervorragend zu der kleinstädtischen Gemeinschaft in die Burnside uns in seinem Memoir geführt hat und trägt trotzdem ein klein wenig Licht
    und Hoffnung in sich.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Danke für das Gedicht @taliesin! Der Titel kam mir bekannt vor und siehe da ich hatte ihn schon bei der Inhaltsangabe von "Anweisungen für eine Himmelsbestattung" gelesen. Bei dem Buch denke ich noch nach, ob ich es mir zulegen sollte oder nicht. Normalerweise reagiere ich bei Gedichtbänden wie das berühmte Zirkuspferd, aber hier bin ich mir noch nicht so sicher, was auch am Preis liegt und an meinen zig anderen Bücherwünsche :uups:
    Das Gedicht werde ich mir langsam zu Gemüte führen. Mit einem Lexikon dürfte es auf jeden Fall gehen.


    Ich beginne mal das 7. Kapitel zu kommentieren.


    Ich weiß jetzt echt nicht ob ich über die Reaktionen der Leute lachen, den Kopf schütteln oder mich einfach nur noch wundern sollte. Die Leutchen sind auf Arthur wütend, weil er ihre Erwartungen nicht erfüllt hat und sie darüber enttäuscht sind. Was wirklich geschehen ist, erfahren wir ja nur Bruchstückhaft und nach und nach im Kapitel. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hatte sich Arthur mit diesem jungen Mädchen mehrmals getroffen und aus irgendeinem Grund hatte er angefangen auf sie einzuschlagen und sie halbtot/bewusstlos liegen gelassen.


    Zuerst mal brodelt die Gerüchteküche und die guten Leutchen fangen schon mal mit des Menschen liebster Beschäftigung an: sie urteilen. Auf Seite 122 steht eine Wortspielerei mit dem Wort Vernunft:


    Zitat von Seite 122

    Denn warum vernünftelten sie, würde sie sonst noch leben?

    Hatte Burnside an dieser Stelle im Original auch eine neue Wortschöpfung gemacht? Das Wort passt auf jeden Fall zu ihrer Logik. Arthur ist unschuldig, wenn er gewollt hätte, dann wäre das Mädchen tot, er müsse wohl etwas mit ihr gehabt haben weil er sie verschont hätte. Und die Leute steigern sich langsam in ihrem Ärger auf ihn. Ich finde es grandios von Burnside wie er das alles aufbaut. Sie waren nicht ärgerlich, weil er das Mädchen fast getötet hätte, sie waren ärgerlich weil er es nicht (!) getötet hätte.Er hätte sich nicht erwischen lassen dürfen Er war ihren Anspruch nicht gerecht gewesen, weil jeder ihn für dumm hielt und sie sich in ihrer festgelegten Meinung über ihn betrogen gefühlt haben. Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn Menschen ihren Schubladen entschlüpfen und sich anders benehmen wie erwartet :roll::-# Und gleichzeitig zeigt Burnside: He, fühlt euch ja nicht allzu überlegen ob der Verurteilung über meinen Vater (oder sonstwen), denn auch in euch schlummert Schubladendenken. :uups:


    Auch bei der Familie Burnside wird über den Fall gesprochen. Das Gespräch bringt Burnside überhaupt auf seine Einsichten über das Ganze.

    Zitat von Seite 124

    "Ich will damit nur sagen", fuhr mein Vater mit übertriebener Geduld fort, "dass er es vermutlich getan hat, man ihn dafür aber nicht ins Gefängnis stecken sollte."

    Kurz danach seine Begründung:


    Zitat von Seite 125

    "Selbst wenn er schuldig ist. Ich meine, vielleicht war es ein Versehen. Er wird so etwas bestimmt nicht noch einmal tun."

    Ähm, ja, da ist wieder so ein Punkt, bei denen es an Worten bei mir fehlt. Man schlägt also "aus Versehen" jemanden bewusstlos und lässt ihn liegen. Burnsides Vater versteht sich darauf alles hinzubiegen wie es ihm gerade so passt. Und am schlimmsten fand auch er, dass Arthur es verpfuscht hat und das Mädchen nicht getötet hatte.
    Interessant die Gedanken die Burnsides Mutter dazu hatte:


    Zitat von Seite 126

    Man traf eine Wahl, und wenn man den falschen Weg einschlug, war es eine Sünde, für die man zu büßen hatte (...)

    Und Burnsides weitere Überlegungen und den Gedankenbogen den er schlägt, wieso ausgerechnet diese beiden Menschen, sein Vater und seine Mutter geheiratet haben.


    "Nett" war ja noch die Gerüchteküche was Arthur alles getan hatte, von Fäusten zu Einsetzen von Chemikalien, war alles dabei. Wie auch immer, aus welchen Grund auch immer und was er tatsächlich letzendlich getan hatte, Arthur hatte sich für schuldig bekannt und ist für 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Und Mary Fulton ist mit ihrer Tochter ausgezogen. Was ich gut verstehen kann.


    Die Gespräche der Frauen bei Burnsides Mutter war sehr interessant. Was auch immer Arthur getan hatte, letztendlich hätte Mary ihn glücklichen machen sollen, dann wäre das Ganze auch nie passiert. Ich denke Burnsides Mutter wird die entsprechenden parallelen zu ihrem eigenen Leben gezogen haben. So wie Burnside selbst im Rückblick seine Gedanken dazu hatte. Das wohl jeder mehr oder weniger Theater vorspielt.
    Im letzten Teil des Kapitels fand ich es sehr berührend, dass Burnside einen Ort für sich gefunden hatte, indem es still, indem er sich zu Hause fühlen konnte und dieser Ort war ausgerechnet das leerstehende Haus der Fultons.


    Zitat von Seite 132

    In diesem Haus war nichts, wovor ich mich ängstigen musste; hier gab es nur Schatten, kalte Stellen und Grün, das durch die Fenster wuchs. Mein eigenes Zuhause war beängstigender. Lieber die Geister vergangener Tage als das gegenwärtige Elend der Lebenden; lieber das Geflüster von Unbekannten als das wütende Gebrüll der allzu Vertrauten. Eine Zeit lang gehörte mir der leere Bau, mir ganz allein. Eine Zeit lang wenigstens hatte ich einen Ort, der für mich Zuhause war.


    Leider weiß ich ja nie im voraus ob ich am Wochenende am Laptop sitze oder nicht, von daher verabschiede ich mich mal bis Montag. Ich werde gemütlich ein Kapitel pro Tag weiterlesen. Sag mir einfach Bescheid wie weit du dann bist. Ich wünsche dir ein erholsames und schönes Wochenende @taliesin :winken:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • zu Kapitel 6 und 7

    Noch nicht einmal in seiner Fantasie wünscht sich Burnside, dass sein Vater tot wäre. Ich hätte es ihm in seinen Fall nicht verdenken können.

    Das ist schon erstaunlich, wieviel Mitgefühl und vielleicht auch Vergebung da noch mitschwingt. Gut fand ich seine Fantasie wie es hätte sein können, wenn er einfach
    so verschwunden wäre (in die Dunkelheit aus der er kam). Es hätte der Familie, dem Umfeld und auch ihm genutzt. (S. 120 d.Ü)



    Zitat von John Burnside

    I imagined he wasn`t coming back, that he had gone off into the moonlight on some country road between work and home, walking away on some wide
    road or vanishing down some alley of bricks and nettles, going back to the darkness from which he had come...(...)
    At the time I knew this was the best thing for everybody, even for him. He would be happier gone, he could even imagine himself missed, a treasured
    memory, loved more for beeing absent, butv free to live however he chose.


    Hatte Burnside an dieser Stelle im Original auch eine neue Wortschöpfung gemacht? Das Wort passt auf jeden Fall zu ihrer Logik.

    Nein, im Original heißt es: "Otherwise, they reasoned, why would she still be alive?" Die Übersetzung "vernünftelten sie " gefällt mir aber recht gut, weil sie auch
    eine unterschwellige Kritik an der Denkweise der Nachbarn ausdrückt.

    Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn Menschen ihren Schubladen entschlüpfen und sich anders benehmen wie erwartet Und gleichzeitig zeigt Burnside: He, fühlt euch ja nicht allzu überlegen ob der Verurteilung über meinen Vater (oder sonstwen), denn auch in euch schlummert Schubladendenken.

    Das ist unglaublich. Nie im Leben könnten sie zugeben, dass sie sich in ihrer Einschätzung geirrt haben, obwohl es klar ist, dass sie immer nur die Fassade sehen, denn
    alles andere geschieht nunmal hinter verschlossenen Türen und das nicht nur hinter den Haustüren, sondern auch hinter den Türen zum eigenen Charakter.

    Und Burnsides weitere Überlegungen und den Gedankenbogen den er schlägt, wieso ausgerechnet diese beiden Menschen, sein Vater und seine Mutter geheiratet haben.

    Ja, und darüber hinaus auch seine allgemeinen Gedanken zur Ehe. Das stimmt nicht gerade optimistisch, aber andererseits enthält es halt ein gutes Stück Wahrheit.


    Zitat von John Burnside

    I couldn`t imagine marriage was a very satisfying state: like a nautilus shell, it seemed an intricate, unknowable thing; it concealed all manner of secret hurts
    and slights, every variety of betrayal and unspoken disappointment

    Ok, das klingt übel, aber Burnside hat halt einen Erfahrungsschatz der überwiegend negativ ist. Es ist ihm wahrscheinlich gar nicht möglich die Sache positiv zu schildern.

    Im letzten Teil des Kapitels fand ich es sehr berührend, dass Burnside einen Ort für sich gefunden hatte, indem es still, indem er sich zu Hause fühlen konnte und dieser Ort war ausgerechnet das leerstehende Haus der Fultons.

    Das ist einfach wunderschön beschrieben. Auch die Passage vor dem von dir zitierten Abschnitt ist sprachlich einfach umwerfend.und entwickelt eine ganz besondere
    Stimmung. (S.131 d.Ü.)



    Zitat von John Burnside

    When a house falls empty, the angels arrive, coming one by one in the early dark to take up residence, lighting the blackest corners with candles
    of pollen and wax, blurring the doorways with ice and myrrh, filling the kitchen cupboards with an odd scent, half-incense, half-dust. (...)
    Afterv that first time, though, I felt at home there, accompanied by Sandra`s thin, lithe shadow as I remembered what we had done, what she had
    said to me, what I had said to her. I had nothing to be afraid of in that house: it was all shadows and cold spots and greenery coming in at the windows.

    Ein sehr intensives und vielfältiges Kapitel in dem es Burnside gelingt, vom Erschreckendem zum Meditativen zu wechseln ohne das es unnatürlich oder unpassend wirkt.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 8


    (...) and the realisation dawns that I live in an invented place whose only purpose is avoidance,
    and what I would avoid, I carry with me, always.


    Aus: John Burnside - Selected Poems / Suburbs


    In diesem Kapitel geht es wiederum um Fassade, um die Vermeidung von Dingen die unangenehm sein können. Bloß nicht ansprechen. Leider geht das
    im Falle des Jungen gewaltig schief.


    Den Vater zieht es mal wieder in die Ferne und natürlich muss die Familie sich über die neuen Pläne freuen. Diesmal soll es nach Canada gehen und John freut sich
    wirklich, denn i seiner Fantasie stellt er sich ein wunderbares neues Leben vor, bis er bemerkt, dass seine Mutter seltsam ruhig bleibt und weiter mit ihren alltäglichen
    Verrichtungen forfährt als gäbe es die Idee des Vaters gar nicht. Sie hat ihre Träume und Illusionen schon lange verloren.



    Zitat von John Burnside

    I still had hopes, but as I watched her calmly going about her usual business I realised we weren`t going anywhere. My father was lying.

    Um der ganzen Sache die Schärfe zu nehmen fahren alle in den Urlaub nach Blackpool und was da passiert passt schon wieder zur Vermeidung von Unannehmlichkeiten
    und Aufrechterhaltung der Fassade. John fügt sich einen Mehrfachbruch des Arms zu und man könnte fast sagen: "und keiner merkt es".
    Er hat zwar höllische Schmerzen, will aber niemand den Urlaub verderben und vor allen Dingen nimmt er sich das Verhalten des Vaters zum Beispiel. Ein Mann jammert nicht
    Letztendlich sind hier aber beide Elternteile in die Pflicht zu nehmen. Auch wenn der Junge nicht jammert, sollte sich vielleicht mal jemand den Arm anschauen.


    Nach drei Wochen erst schickt man ihn in ein Krankenhaus und natürlich ist der Arzt entsetzt und denkt an Kindeswohlgefährdung. Unbewusst hat John den Schutzschild
    der die Familie umgibt zerbrochen. Diesmal bleibt es nicht hinter geschlossenen Türen. Burnside beschreibt das so.


    Zitat von John Burnside

    I didn`t know it then, but I had blown our cover as a family. From that point on, nothing we did in Cowdenbeath would be a private matter.
    It was all subject to scrutinity.


    Während des Urlaubs lässt sich Burnside wieder in seine Fantasien fallen. Er will verloren gehen, all das hinter sich lassen und dann beschützt von neuen Menschen
    ein anders Leben haben, ein normales Leben wie er es sich ausmalt. (S.139 d.Ü.)


    Auch 40 Jahre später lässt ihn die Erinnerung an diesen Sturz und die Einsamkeit dannach nicht los. Er hat vielleicht vergeben, aber vergessen wird er es nie.
    S. 141 d.Ü,)


    Zitat von John Burnside

    Forty years later, I remember it all, and I dream those same dreams. Night after night I populate the dark.


    Man fragt sich schon, wie Burnside es gelingt diesen Par Force Ritt durch Angst, Hoffnungslosigkeit und Depression so zu gestalten, das der Leser trotzdem weiterliest
    und nicht nur weiterliest, sondern unbedingt wissen will, wie diese oft unerträgliche Zeit des Erwachsenwerdens enden wird. Burnside schreibt es sich von der Seele und
    wir verfolgen seine Fantasien, seine Fluchten und hoffen, dass ihm die letzte Flucht heil an Leib und Seele gelingen wird. Man mag es kaum glauben, aber es ist wohl
    tatsächlich Lesefreude die da trotz allem aufscheint. So wie auch bei Burnside bei der Beschreibung seiner Fantasien so etwas wie Licht und Hoffnung aufscheint.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 9


    Auch dieses Kapitel hat zwei ganz unterschiedliche Stimmungen. Auf der einen Seite der schreckliche Unfall des Vaters und in der Folge dann die zwiespältige
    Idylle die im Hause Burnside einkehrt. Obwohl niemand zugibt, dass diese idyllische Zeit auf der Abwesenheit des Hausherrn beruht.


    Burnside beschreibt den ersten Besuch der Kinder im Krankenhaus sehr eindringlich. Vor allem der Schock den der Zustand seines Vaters bei Burnside auslöst
    ist dieses Mal ohne die sonstige Distanz beschrieben. Wenn man den Vater nicht kennen würde, könnte er einem glatt leid tun. Da ist nichts mehr von Kraft, Stärke
    und Durchsetzungsvermögen, das der Vater so gerne für sich beansprucht. Er wirkt gebrochen und sogar reumütig, kurz wie ein Mann den dieser Unfall zur Besinnung
    gebracht hat. Allerdings glaube ich, dass es nur vorübergehend so wirkt. Der Kerl wird nie über seinen Schatten springen.


    Mit einer Bemerkung konnte sich Burnside aber eines gewissen Zynismus nicht enthalten. (S. 142)
    .


    Zitat von John Burnside

    For once he didn`t need to make anything up: it was all true.


    Dann, durch die Abwesenheit des Vaters erleben die Burnsides das erste Mal in ihrem Leben das so oft in John`s Fantasie erlebte ganz normale Familienleben.
    Es scheint fast als hätte der Vater nie wirlich existiert. Die Familie hält zusammen und es ist klar, dass niemand ein Ende dieses Zustands erhofft. Sicher aber
    ist, dass dieses Ende mit der Rückkehr des Vaters unvermeidlich ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er geläutert und als anderer Mensch zurückkehrt.
    Vielleicht ist seine Verbitterung dann noch größer.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 8

    Den Vater zieht es mal wieder in die Ferne und natürlich muss die Familie sich über die neuen Pläne freuen.

    Zur Abwechslung mal so richtig weit weg :roll:

    (...) bis er bemerkt, dass seine Mutter seltsam ruhig bleibt und weiter mit ihren alltäglichen
    Verrichtungen forfährt als gäbe es die Idee des Vaters gar nicht. Sie hat ihre Träume und Illusionen schon lange verloren.

    Was ihre Reaktionen zu den Plänen des Vater betrifft, da kann ich sie gut verstehen; sie kennt ihren Mann und seine "Pläne" mittlerweile ja zu Genüge und weiß sich entsprechend darauf einzustellen. Bei deinem letzten Satz sprichst du was interessantes an, was mir noch gar nicht so wirklich bewusst war. Was sind eigentlich ihre Träume? Man erfährt so viel über den Vater und Burnsides Träume, aber so gut wie nichts über ihre eigenen. Da bleibt wirklich nur noch der Rückschluss, dass sie gar keine mehr hat. Oha.....


    ohn fügt sich einen Mehrfachbruch des Arms zu und man könnte fast sagen: "und keiner merkt es".
    Er hat zwar höllische Schmerzen, will aber niemand den Urlaub verderben und vor allen Dingen nimmt er sich das Verhalten des Vaters zum Beispiel. Ein Mann jammert nicht
    Letztendlich sind hier aber beide Elternteile in die Pflicht zu nehmen. Auch wenn der Junge nicht jammert, sollte sich vielleicht mal jemand den Arm anschauen.

    Immer wenn ich denke, mich kann nichts mehr schockieren, kommt etwas was mich eines besseren belehrt. Es ist unglaublich, dass man erst nach drei Wochen das Kind zum Arzt schickt. Es ist unfassbar, was der Kleine da alles an Schmerzen ertragen durfte bzw. in seinem kindischen Gemüt meinte ertragen zu müssen, um wie sein Vater zu sein, der sich ja auch immer zusammenreißt (zumindest behauptet er das....). Ich kann mir übrigens beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Kind überhaupt nicht gejammert hatte. Ich denke, es wurde einfach überhört. Und vielleicht ist es in seiner Erinnerung verschütt gegangen.


    Nach drei Wochen erst schickt man ihn in ein Krankenhaus und natürlich ist der Arzt entsetzt und denkt an Kindeswohlgefährdung. Unbewusst hat John den Schutzschild
    der die Familie umgibt zerbrochen. Diesmal bleibt es nicht hinter geschlossenen Türen.

    Klingt ja erst Mal gut, aber ich denke das da auch das gepflegte Wegsehen praktiziert wurde, wie es in vielen Fällen ja leider immer noch geschieht.


    Während des Urlaubs lässt sich Burnside wieder in seine Fantasien fallen. Er will verloren gehen, all das hinter sich lassen und dann beschützt von neuen Menschen
    ein anders Leben haben, ein normales Leben wie er es sich ausmalt.

    Dieses normalere Leben hätte ich ihm von ganzem Herzen gewünscht.



    Man fragt sich schon, wie Burnside es gelingt diesen Par Force Ritt durch Angst, Hoffnungslosigkeit und Depression so zu gestalten, das der Leser trotzdem weiterliest und nicht nur weiterliest, sondern unbedingt wissen will, wie diese oft unerträgliche Zeit des Erwachsenwerdens enden wird. Burnside schreibt es sich von der Seele und wir verfolgen seine Fantasien, seine Fluchten und hoffen, dass ihm die letzte Flucht heil an Leib und Seele gelingen wird. Man mag es kaum glauben, aber es ist wohl tatsächlich Lesefreude die da trotz allem aufscheint. So wie auch bei Burnside bei der Beschreibung seiner Fantasien so etwas wie Licht und Hoffnung aufscheint.

    Ich bin an einem Punkt der Geschichte angelangt, wo mir ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Ich kann mir zwar denken, dass die letzte Flucht wohl eine eher holprige war, aber irgendwie und irgendwann muss er es wohl geschafft haben, alles soweit zu verarbeiten, aber ohne zu verurteilen und sogar mit einem Hauch von positiven Gedanken. Wie du ja geschrieben hast "vergeben, aber nicht vergessen".


    Kapitel 9


    Auch dieses Kapitel hat zwei ganz unterschiedliche Stimmungen. Auf der einen Seite der schreckliche Unfall des Vaters und in der Folge dann die zwiespältige Idylle die im Hause Burnside einkehrt. Obwohl niemand zugibt, dass diese idyllische Zeit auf der Abwesenheit des Hausherrn beruht.

    Burnside versteht sich so gut darauf, diese unterschiedlichen Stimmungen rüberzubringen. Auf der einen Seite der Unfall und die dann doch leicht geschockte Familie, aber auf der anderen Seite diese wundervolle ruhige Zeit, die sie dann haben durften. Fast so wie in den Fantasien Burnsides. Noch nicht mal der noch härtere Geldmangel konnte da etwas anhaben.



    Allerdings glaube ich, dass es nur vorübergehend so wirkt. Der Kerl wird nie über seinen Schatten springen.

    Das glaube ich auch! Lass ihn wieder in die Nähe eines Pubs oder von irgendwelchen alkoholischen Getränken und schon ist alles wieder wie gehabt.



    Dann, durch die Abwesenheit des Vaters erleben die Burnsides das erste Mal in ihrem Leben das so oft in John`s Fantasie erlebte ganz normale Familienleben.
    Es scheint fast als hätte der Vater nie wirlich existiert. Die Familie hält zusammen und es ist klar, dass niemand ein Ende dieses Zustands erhofft.

    :uups: Ehrlicherweise wäre ich nicht traurig gewesen, wenn der Vater niemals nie heimgekehrt wäre. Es wäre für die Familie mit Sicherheit besser gewesen. Es geht immer weiter und ohne diesen Kerl bestimmt um Längen besser.



    Sicher aber ist, dass dieses Ende mit der Rückkehr des Vaters unvermeidlich ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er geläutert und als anderer Mensch zurückkehrt. Vielleicht ist seine Verbitterung dann noch größer.

    Da befürchte ich auch, dass er noch schlimmer wird. Das ist so ein Moment wo man gerne eines besseren belehrt werden würde, aber man -leider- genau weiß, wie es weitergehen wird.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Eine Rezension zu Nobodaddy´s Kinder von Arno Schmidt hat mir das "Aha-Erlebnis" beschert. "Nobodaddy ist eine Anspielung auf ein Gedicht von William Blake und ist eine Umschreibung für eine Vorstellung von Gott, die in Gott keine Vaterfigur ( = nobody's daddy), sondern jemanden sieht, der ständig um seine Allmacht fürchtet und daher vielleicht sogar die Wurzel allen Übels ist)." (hier wäre das Gedicht von Blake zu finden: Klick)
    Das passt auch perfekt zu unserem Buch. Über Brigit Pegeen Kelly habe ich herausgefunden, dass sie eine Dichterin ist und sogar den Pulitzer-Preis bekommen hatte. Leider habe ich bis dato noch nie von ihr gehört. Das Gedicht lässt so gar nichts gutes erahnen. Wobei ich es ziemlich schwer zu interpretieren finde und mich da nur auf mein Gefühl verlassen muss darf.


    Zweiter Teil - 1. Kapitel
    Ich bin da sehr bei der Einschätzung von Burnside, dass sein Vater nur deshalb weiter über Umzugmöglichkeiten nachdenkt, weil er sich seinem eigentlichen Problem (Alkoholismus) nicht stellen kann und mag, Und ich bin ehrlich, ich hätte es nicht geglaubt, dass er es tatsächlich fertigbringt und -sehr heimlich- Erkundigungen über Corby einzuholen um dort eine Stelle als Industriearbeiter zu bekommen. Und nicht nur das, er bringt es sogar fertig eine Stelle zu bekommen und ein Haus zu mieten. Für Burnside muss das ein harter Schlag gewesen sein. Von den Träumereien über Kanada, die herrlichen Landschaften und Freiheiten zu Corby. Seine Beschreibungen klingen ziemlich trübselig.


    Das hier ist mir noch besonders aufgefallen, weil es sehr traurig klingt:


    Zitat von Seite 152

    Selbst Jahrzehnte später gab es Momente, etwa wenn ich an einem Winterabend von der Arbeit nach Hause fuhr oder auf einem ländlichen Bahnhof auf den Zug wartete, in denen ich begriff, dass ich immer noch hoffte, die Reise beenden zu können, die ich vor all den Jahren in meiner zehnjährigen Fantasiewelt begonnen hatte.

    Es muss für Burnside ein Strohhalm gewesen sein, der ihm so etwas ähnliches wie Hoffnung auf Glück und Geborgenheit gegeben hatte und doch nie erfüllt werden konnte, weil es nur Fantasie war.



    Für die Familie wird es schlimmer, denn nun steht dem Vater mehr Geld zum saufen zur Verfügung. Und er verliert die letzten Hemmungen. Er schlägt zu, wenn die Mutter wegschaut. Nie weiß man wann und warum das geschieht. Eine ständige, entsetzliche Bedrohung für die Kinder.
    Und dann macht dieser Kerl auch noch auf großzügig und verteilt Geld für Eis....Aber nicht für seine Kinder, nur für andere....

    Zitat von Seite 153

    Die Einzigen, die nichts bekamen, waren die eigenen Kinder. Wir rannten ihm auch nicht entgegen, wir wussten es besser. Selbst wenn er gut gelaunt war, spendierte er uns kein Eis, weil wir ja keines verdienten.

    Ich frage mich gerade, wie lange er noch seine Arbeit behalten wird, wenn er so hemmunslos säuft.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • zu Nobodaddy

    Eine Rezension zu Nobodaddy´s Kinder von Arno Schmidt hat mir das "Aha-Erlebnis" beschert. "Nobodaddy ist eine Anspielung auf ein Gedicht von William Blake und ist eine Umschreibung für eine Vorstellung von Gott, die in Gott keine Vaterfigur ( = nobody's daddy), sondern jemanden sieht, der ständig um seine Allmacht fürchtet und daher vielleicht sogar die Wurzel allen Übels ist).

    Ja toll, du hast es entdeckt. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl das Wortspiel >Nobodaddy< irgendwoher zu kennen. Nun ist es klar, es ist bei William Blake zu finden,
    dessen Gedichte ich sehr mag. In meiner Ausgabe ist das Gedicht noch länger und du hast recht, es passt hervorragend zum Charakter des Vaters.
    Vor allem die letzte Strophe fand ich wie für den Vater geschrieben.


    Zitat von William Blake

    Trug ist auf Heimlichkeit beschränkt,
    Der nur an seinen Vorteil denkt;
    Bedacht, gesetzestreu, beengt
    Er den Geist in Fesseln zwängt.


    Über Brigit Pegeen Kelly habe ich herausgefunden, dass sie eine Dichterin ist und sogar den Pulitzer-Preis bekommen hatte. Leider habe ich bis dato noch nie von ihr gehört. Das Gedicht lässt so gar nichts gutes erahnen

    Ich kannte die Dame auch nicht und das Gedicht wirkt erst einmal schwer zugänglich und auch sehr traurig So wenig Hoffnung..........


    Kind. Wir sind erledigt
    auf ganz besondere Weise


    Ich fürchte du liegst richtig, dass lässt nichts Gutes erahnen. Ich denke es geht hier um die Mutter.


    Ich muss jetzt leider aufhören, werde aber morgen zum Rest von Kapitel 1 schreiben.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Das Gedicht von Blake ist tatsächlich wie zugeschnitten für den Vater.


    Ich hoffe, dass es o.k. ist, wenn ich mit dem zweiten Kapitel weitermache? Wenn wir dann eine Pause machen sollen, sag bitte Bescheid :)


    Die Erklärungen warum Burnside sich einen Phantasie-Gefährten -er nennt es passend "Geistbruder-Syndrom"- erschaffen hat, ging ziemlich nah. Ich denke, dass musste er tun, sonst wäre er wohl völlig durchgedreht. Ein Ausgleich zur Wirklichkeit oder so ähnlich. Jemanden finden, mit dem man sich messen kann. Irritiert war ich nur, dass er es mit 14 Jahren getan hat. Da hätte ich mir andere Möglichkeiten vorgestellt, mit gleichaltrigen Kindern. Wobei Burnside wohl eher introvertiert ist und nicht so viele Freunde hat. Zumindest erwähnt er keine.


    Toll fand ich, dass er durch Unterstützung einen Klavierlehrer gefunden hatte, der ihm die Möglichkeiten gibt über den eigenen Tellerrand zu blicken und neues zu entdecken. Gestolpert bin ich über diesen Satz. Der geht schon nah:

    Zitat von Seite 156

    Die Musikstunden verhalfen mir jedenfalls zu all der Bildung, die ich je erhalten sollte.


    Burnside hat schon recht wenn er schreibt, wie schwer es zu beschreiben (und als Leser zu verstehen) ist, wie er dann seinen Geistbruder durch die Musik entstanden ließ. Er lässt uns an einer Erinnerung teilnehmen über eine Frage die er als sechsjähriger seiner Mutter stellte, warum er keinen Zwilling hat. Mal abgesehen davon, dass ich es niedlich finde wie seine Vorstellung davon war, wie man die Babys bekommt. Man stellt sich in eine Reihe ins Krankenhaus, sucht sich einen Namen aus und bekommt dann das passende Baby. Anfang der sechziger war die Aufklärung wohl noch nicht so weit gewesen :lol: Abgesehen davon, finde ich seine Fragen die er an seine Mutter stellt sehr interessant. Sie zeigt einen offenen Geist, der über vieles nachdenkt. Es hätte mir selbst Spaß gemacht mit ihm darüber zu reden. Das er der Antwort seiner Mutter "Wir haben nicht nach zwei Babys gefragt. Wir waren mit dir allein glücklich." nicht glaubt, ist wohl mehr als nachvollziehbar.


    Wie man schon oben gemerkt hat, irgendwie verstehe ich es nur teilweise, was er mit seinem Geistbruder kompensieren wollte. Auch der letzte Abschnitt gibt mir da nicht so die Antwort. Da verknüpfen sich einige Gedankengänge zusammen. Zum einen, dass er sich selbst sieht und wahrgenommen werden möchte. Und zum anderen, dass er es haben möchte, dass sein Bruder Andrew nicht vergessen wird. Das er ein Teil seines Lebens bleibt. Das klingt irgendwie seltsam für mich.Liegt vermutlich daran, dass ich der Meinung bin, dass man Verstorbene nicht vergessen sollte. Trotzdem leben sie ja nicht mehr mitten unter uns, als Person. Bei Burnside habe ich das Gefühl, dass er in seinen Geistbruder Andrew mehr sieht. Als wäre er eine Art Gefährte oder so ähnlich. Realer wie die Fantasie selbst.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ich hoffe, dass es o.k. ist, wenn ich mit dem zweiten Kapitel weitermache? Wenn wir dann eine Pause machen sollen, sag bitte Bescheid

    Bescheid!!!!!! Bin nur kurz zuhause, weil ich gleich zum Elternabend muss und morgen wird auch ein langer, anstrengender Tag. Wenn du einverstanden bist,
    würde ich gerne am Donnerstag weitermachen. Ich brauche ein wenig Ruhe und volle Konzentration für den Herrn Burnside und die kommt wohl frühestens
    ab Donnerstag. (hoffe ich 8-[ ) Vor allem die Sache mit dem Geist-Bruder will gründlich überlegt sein, denn die Vorstellung wie Burnside sie beschreibt, ist recht
    schwer zugänglich. Eine Idee habe ich schon, aber dazu dann später. :ergeben:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Bescheid!!!!!!

    Alles klar, machen wir am Donnerstag weiter. :) Auf deine Idee wegen des Geistbruders bin ich gespannt. Ich tappe noch völlig im Dunkeln.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Zweiter Teil - Kapitel 2

    Wie man schon oben gemerkt hat, irgendwie verstehe ich es nur teilweise, was er mit seinem Geistbruder kompensieren wollte. Auch der letzte Abschnitt gibt mir da nicht so die Antwort. Da verknüpfen sich einige Gedankengänge zusammen. Zum einen, dass er sich selbst sieht und wahrgenommen werden möchte. Und zum anderen, dass er es haben möchte, dass sein Bruder Andrew nicht vergessen wird. Das er ein Teil seines Lebens bleibt. Das klingt irgendwie seltsam für mich.Liegt vermutlich daran, dass ich der Meinung bin, dass man Verstorbene nicht vergessen sollte. Trotzdem leben sie ja nicht mehr mitten unter uns, als Person. Bei Burnside habe ich das Gefühl, dass er in seinen Geistbruder Andrew mehr sieht. Als wäre er eine Art Gefährte oder so ähnlich. Realer wie die Fantasie selbst.

    Warum er diesen Geistbruder erschaffen hat, kann ich durchaus nachvollziehen. Er fühlt sich wohl wie der einsamste Junge der Welt, denn er ist sich durchaus bewusst,
    dass er ein Außenseiter ist. Freunde, denen er seine Vorstellungen und Fantasien erklären kann, kurz Menschen denen er so weit vertraut, dass er aus tiefster Seele mit ihnen
    sprechen kann, gibt es nicht. Er schreibt in einem der ersten Kapitel, dass ihn seine Mitschüler wie die Nachfolger eben der Menschen vorkommen, die er im Umfeld von Cowden-
    beath täglich erlebt. Schon in dieser Zeit beginnt er ja seine ganz eigenen Methoden zu entwickeln, den Repressionen seines Vaters mit einer Reise in eine Fantasiewelt zu
    begegnen.
    Burnside bemüht sich sehr, die schwer verständliche Verbindung der Klavierstücke von Gould und seiner Idee eines Geistbruders zu vermitteln, wohl im vollen Bewusssein, dass
    solche Gedanken und Gefühle in ihrem Ursprung einfach nur schwer oder gar nicht in Worte zu fassen sind. Was aber bleibt, ist die wunderschne und sogleich todtraurige Vor-
    stellung, dass sein Bruder ja nicht wirklich tot sein kann, weil er ja nie ein Leben hatte. So ist der Bruder irgendwo in einer Fremdwelt, einer Anderswelt und wird von ihm ins
    Leben geholt, damit er sich an einem Menschen messen kann und einen Menschen hat, den er in der Realität niemals finden wird. Folgendes Zitat geht aber dann so weit, dass
    man schon Zweifel darüber bekommt, ob das nicht in einer Psychose enden könnte..


    Zitat von John Burnside

    Er würde weitermachen, wo ich aufhörte, und ich würde für ihn leben, eingestimmt auf den Rhythmus einer Fremdwelt, den niemand sonst hören konnte, ein
    ganzes Königreich von Geistbrüdern, verborgen im Dunklen.

    Das das hier nicht nur ein harmloses Spiel eines Vierzehnjährigen ist, das im Erwachsenenalter schwindet wird klar, wenn man an sein zweites Memoir
    >Waking up in Toytown< denkt. Ein Grundthema bei Burnside ist nunmal der Tanz auf des Messers Schneide. Bei Burnside ist Schönheit immer gepaart mit Schrecken
    und umgekehrt Schrecken mit Schönheit. Die Beiden sind nur zwei Seiten einer Münze und in späteren Jahren lässt dieser Hang zur Fremdwelt nicht nach, sondern wird
    noch intensiviert durch Exzesse und tiefen Fall, dessen Resultat dann der zeitweilige Aufenthalt in einer Psychiatrie ist.
    Ob die späteren Ereignisse jetzt insgesamt auf diese Fluchten in die Fantasie einer Fremdwelt zurückzuführen sind, kann ich nicht beurteilen,aber eine Rolle spielen sie gewiss.


    Eine allgemeingültige Erklärung gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich glaube dass man das alles nur ganz individuell mit eigenen Erfahrungen, eigenen Gefühlen vergleichen
    kann, um so einen Zugang zu finden, der zwangsläufig ein ganz persönlicher sein wird.


    .

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • @taliesin Ich habe deine Erklärung gestern Abend gelesen und musste sie erst mal etwas sacken lassen. Du hast das schlichtweg wunderbar und sehr nachvollziehbar erklärt! Wenn es auch tieftraurig ist, je länger man darüber nachdenkt.

    Ob die späteren Ereignisse jetzt insgesamt auf diese Fluchten in die Fantasie einer Fremdwelt zurückzuführen sind, kann ich nicht beurteilen,aber eine Rolle spielen sie gewiss.

    Mit Sicherheit!


    Ich hatte noch beim nachdenken -bevor du deine Eindrücke geschrieben hast- über dieses Kapitels kurz an eine Art von Dissoziativen Störung gedacht. Das hatte ich allerdings verworfen, aber wenn ich mir den von dir zitierten Satz "Er würde weitermachen, wo ich aufhörte, und ich würde für ihn leben, eingestimmt auf den Rhythmus einer Fremdwelt, den niemand sonst hören konnte, ein ganzes Königreich von Geistbrüdern, verborgen im Dunklen." und deine Gedanken dazu lese, dann habe ich doch nicht so völlig verkehrt gelegen.



    Die Beiden sind nur zwei Seiten einer Münze und in späteren Jahren lässt dieser Hang zur Fremdwelt nicht nach, sondern wird
    noch intensiviert durch Exzesse und tiefen Fall, dessen Resultat dann der zeitweilige Aufenthalt in einer Psychiatrie ist.

    Womit mir jetzt fast schon klar ist, woher Burnside das Grundgerüst dazu hatte so unglaublich reflektiert über seine Kindheit und seine Familie zu berichten. Ich frage mich das schon die ganze Zeit, je mehr man über sein Leben erfährt.


    Das nächste Kapitel - Kapitel 3- zu kommentieren fällt mir sehr schwer. Schon beim ersten Satz von Burnside habe ich schlimmes befürchtet. Dieses Kapitel ist seiner Mutter gewidmet. Der erste Satz - finde ich - beschreibt sie unheimlich gut:


    Zitat von Seite 162

    Übereinstimmenden Meinungen zufolge war meine Mutter eine einfache und anständige Frau.

    Eine Frau mit sehr bescheidenen Wünschen. Die die Familie zusammenhielt. Am Punkt wo Burnside durchschimmern ließ, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn sie das Ganze zusammenbrechen gelassen hätte, konnte ich ihm nur leise zustimmen. Aber so ein starker Typ, der auf den Tisch haut, wenn es nötig ist, war sie nicht. Konnte sie auch von ihrem Charakter her nicht sein. Dazu noch die äußerlichen Zwängen der Zeit (wobei heutzutage schleppt sich ja auch die eine oder andere Ehe trübe vor sich hin, ohne Konsequenzen zu ziehen, nur um den Anschein zu bewahren...), die sie daran hinderte dem Trauerspiel ein Ende zu bereiten.


    Ein klein wenig Licht in dieses Kapitel brachte Burnsides Erzählung über die Bibliothek. Bücher erweiterten seinen Horizont. Und ich kann mir bildlich das Erstaunen der Bibliotheks-Angestellten vorstellen, wenn sie seine Bücherauswahl sahen. Allerdings nur ein winzigkleines Licht, denn als er analysierte, warum seine Mutter eine bestimmte Sorte von Büchern las, welche Bedürfnisse sie damit abdeckte... Das war schon heftig.



    Zitat von Seite 164

    Meine Mutter war nicht nach den kitschigen Liebesgeschichten süchtig, sondern nach dem Ungesagten. Das Ungesagte, in das man so viel Vertrauen legen und aus dem man so viel Trost gewinnen kann.In meinen Augen hing sie unentwegt einer Illusion an, die sie zwar durchschaute, aber nicht aufgeben wollte.

    Sehen aber nichts ändern wollen/können.


    Und Burnside schreibt treffend weiter:

    Zitat von Seite 164

    So lange wie irgend möglich wollte sie die Tatsache ignorieren, dass die Grenzen jeder Ehe von dem gezogen werden, der am wenigsten geben kann.

    Da kann ich nur zustimmend nicken.


    Ich gestehe, dass ich doch leicht überrascht war, dass das neue Miethaus und seine Lage, dann doch besser war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Beweggründe warum sich Burnsides Mutter mit dem Umzug und dem neuen Miethaus nicht abfand, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Ohne ihr schützendes Netzwerk ist sie allem was der Vater plant und tut komplett ausgeliefert.


    Eigentlich ist es nicht überraschend, dass sie ihren Mann dazu drängt, die Entschädigungszahlung in den Kauf eines Hauses zu investieren. Für sie ein Lebenstraum und gut angelegtes Geld (besser jedenfalls als wenn er es komplett versäuft.....). Es war quälend zu lesen, wie ihr Traum platzte und das Leuchten in ihren Augen verschwand. Burnside findet passende Worte dafür:


    Zitat von Seite 167/168

    Diesmal nicht nur eine Hoffnung - das durchkreuzte Abenteuer eines Nachmittags, einem verrückten Traum, der zunichte gemacht wurde.

    Damit wäre sie wohl fertig geworden.


    Aber:

    Zitat von Seite 168

    Diesmal war es ihr innerstes Licht, ihr Lebensfunke, ihre Seele. Ausgelöscht.

    Und wenn sie vorher noch so etwas wie ein gemeinsames Miteinander mit ihrem Mann hatte, dann ist es nun vorbei.


    Zitat von Seite 169

    Von diesem Tag an gab sie sich kaum mehr die Mühe, ihren Ärger über meinen Vater, gar ihren Widerwillen gegen ihn zu verbergen. Von diesem Tag an war sie nicht länger seine Frau, weil sie es wollte, sondern nur noch weil sie es für ihre Pflicht hielt.

    Der Punkt an der Geschichte, wo man als Leser gerne hingehen würde, die Frau mal kurz auf die Seite nehmen möchte und ihr zu zeigen, dass es absoluter Unsinn ist aus einem religiösen und mütterlichen Pflichtgefühl her diese Ehe die nur noch Schein wie Sein ist aufrechtzuerhalten.


    Der letzte Satz ging mir noch so nah:

    Zitat von Seite 169

    Ich sollte diesen Blick in den kommenden Jahren noch öfter an ihr bemerken, und ich sah ihn in ihren Augen, kurz bevor sie starb, als sie von ihrem Totenbett zu mir aufschaute, verwirrt on Morphin, um mich - der ich in diesem Moment für sie nicht ihr Sohn, sonden irgendein Fremder war - zu fragen, worum es bei alldem eigentlich gegangen war.

    Wenn man stirbt sollte man auf ein erfülltes Leben zurückblicken dürfen und nicht auf das was Burnsides Mutter sah oder besser gesagt, nicht sah.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Kapitel 3

    Ich hatte noch beim nachdenken -bevor du deine Eindrücke geschrieben hast- über dieses Kapitels kurz an eine Art von Dissoziativen Störung gedacht.

    Während seinem Aufenthalt in der Psychiatrie wurde eine Form der Schizophrenie festgestellt, die sich >Apophanie< nennt.

    Und wenn sie vorher noch so etwas wie ein gemeinsames Miteinander mit ihrem Mann hatte, dann ist es nun vorbei.

    Ich fand dieses Kapitel auch sehr schwer zu lesen, weil die Hoffnungslosigkeit der Mutter, ausgelöst durch die Zerstörung ihres Lebenstraumes, so endgültig ist.
    Was ist von diesem Leben letztendlich geblieben?
    Kaum zu ertragen, wie ein einziger Mensch eine komplette Familie so gründlich zerstören kann und das wohl bis weit über seinen Tod hinaus.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 4


    Der Umzug nach Corby verursacht bei Burnside eigentlich nur Trotz und Wut auf sich selbst und seine komplette Umgebung. Er will keiner Gruppe angehören
    und zieht sich immer mehr zurück.



    Zitat von John Burnside

    I didn`t want anything from life other than to be left alone. (....)
    As far as I was concerned, the group, whatever form it took, was an instrument of tyranny

    Der Vater verbreitet auch in Corby wieder Angst und das nicht nur in der Familie, sondern auch in seinem üblichen sozialen Umfeld. Seine Opfer sind mittlerweile
    auch Freunde und Saufkumpane. Er wird immer gefährlicher und seine Angriffe sind immer weniger vorraussehbar.



    Zitat von John Burnside

    I realised that my father was more than just routinely dangerous, the first time I realised he was capable of doing real and permanent harm.

    Die Ausflüge nach Schottland in die alte Heimat erscheinen dem Jungen wie eine seltsame, traumartige Theatervorstellung. All das scheint nicht mehr real, nicht mehr
    wirklich greifbar zu sein.
    Dann kommt wieder eine Passage die das Vater/Sohn Verhältnis bitter beleuchtet. Eine Zeit lang ist er gut in der Schule und wünscht sich, dass der Vater zumindest bei
    einem kleinen Triumph zugegen ist. Schlimm dabei ist, dass er auch hier einen idealen Vater herbeiwünscht, einen Vater, den er nur aus Büchern oder Erzählungen
    Anderer kennt und nicht seinen eigenen, innerlich zerstörten Vater.


    Zitat von John Burnside

    I wanted the regard not of this wounded, inadequate individual, but of the father I had invented from scraps of literature and hearsay.

    ER versucht das Nichterscheinen seines Vaters zwar auch eine positive Seite abzugewinnen, aber das hört sich nicht sehr ehrlich an. Ich denke, ein richtiger Vater, der
    ihm Bewunderung und Stolz ob seiner Leistung zeigt, ist nicht ersetzbar. Das Zitat von Marianne Moore >If I do well, I am blessed, whether any bless me or not< kann
    für einen Erwachsenen vielleicht noch ein Trost sein, aber für einen 14jährigen Jungen scheint das doch schwierig.


    Es bleibt also nicht aus, dass er sich in der Schule nicht mehr bemüht. Er schafft sich so etws wie ein ganz eigenes Curriculum.


    So langsam scheint er abzurutschen und zusammen mit Bernard, der wie er von der Schule suspendiert wird, beschäftigt er sich damit kleine Feuer zu legen, Dinge
    zu zerstören und zuzuschauen wie sie vergehen. An dieser Stelle hatte ich böse Vorahnungen, aber bei Burnside gibt es noch so etwas wie eine Sicherung im Kopf.
    Als Bernard ein altes viktorianisches Haus abbrennen will, stellt er sich vor wie man aus diesem Haus noch ein neues Zuhause erschaffen könnte, und weigert sich
    mitzumachen. man kann nur hoffen, dass er sich diese Kontrolle weiter bewahren kann.



    Zitat von John Burnside

    Absurdly, I even thought of being that person, I thought of how I could live there, make it into a home, hang pictures on the walls. Invite my mother
    to tea. Show her my library of leather-bound books:

    Das nächste Zitat zeigt noch einmal, wie nah für Burnside Schönheit und Schrecken zusammenliegen. Die öffentliche Bibliothek brennt ab und er steht vor den Trümmern.
    Hier seine Gedanken dazu...........


    Zitat von John Burnside

    I stood there a long time, though by the end I wasn`t sure if it was regret for the library that detained me, or the beauty of this ruin.
    By that time a book was the closest thing to holy that I knew, but I couldn`t deny the frisson of pleasure I experienced, seing those ashes
    - those words, those ideas, the foreign beauty of those texts
    - melting away in the snow.


    Dieses Kapitel weist schon darauf hin, dass Burnside all die Erlebnisse, all diese Enttäuschungen in der Familie nicht mehr lange für sich halten kann. So langsam
    wird der Druck wohl zu groß. Die ersten Versuche mit Alkohol und Cannabis, der Ausschluss aus der Schule, deuten darauf hin, dass er diesem Druck nun nachgibt.
    Allerdings nicht wie der Vater, der es an anderen Menschen auslässt, sondern an sich selbst.


    lg taliesin

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 5

    Zuerst einmal habe ich mir die Bilder von George Shaw angeschaut die in ihrer Einsamkeit, ihrer Darstellung von Verfall schon ziemlich beeindruckend sind.
    Leider habe ich das Bild >The New Star< nicht gefunden, aber ich kann mir vorstellen wie passend dieses Bild sein wird, wenn man die anderen Bilder als
    Mittel nimmt.
    Die Kneipe >The Hazel Tree< ist des Vaters neues Zuhause in Corby und wie Burnside diese Gesellschaft von harten, unnachgiebigen Männern beschreibt,
    Männer, die ein bestimmtes Bild von Härte, Verrückheit und auch Brutalität ausstrahlen müssen, um der Fassade gerecht zu werden, ist schon sehr gut gelungen.


    Großgeworden bin ich in einem Arbeiterviertel von Köln und ich kann mich gut erinnern, dass diese elektrisierte Stimmung an manchen Tagen sehr gut zu Burnsides
    Beschreibung passt. Dann muss man sich überlegen, ob man lieber geht, oder dabei sein will.


    Zitat von John Burnside

    I was in the Hazel Tree again, with the usual crowd. My father was on good form, but there was an edge to the evening, a certain electricity in the air.
    It`s a cliche, I know, but that is how it feels, like electricity, like the charge before a lightning storm.


    Sehr treffend ist auch die Beschreibung der verschiedenen Typen Männer, denen man irgendwie entsprechen muss um dazuzugehören. Die Fassade muss stimmen.....


    Zitat von John Burnside

    It was 99 per cent act, all this hard-man stuff. These men couldn`t smile, or laugh in a certain way, or talk about certain things. Not in public.
    It was all about display: the strong silent type; the nutter who was too crazy to mess with; the hard man; the heid case; the ex-army, disciplined
    kills-with-his-bare-hands bampot. You had to fit a recognized profile, or you`d better stay away.


    Am Ende gibt es dann den Kampf zwischen dem Vater und einem Gegenspieler. Was aber in Erinnerung bleibt, ist was der Vater, als er zurückkommt mit einem
    Lächeln dem Jungen vermittelt. Das ist fast wie ein Warnung. Leg dich nicht mit mir an. Ich bin immer noch gefährlich.


    Zitat von John Burnside

    (....) and he smiled dangerously, as if he knew something I didn`t know, something secret and, until that moment, beyond confirmation, a little piece
    of information that only just come to light, not about the world, but about me.


    Es scheint wohl nicht vermeidbar, dass es irgendwann zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen wird. Irgendwie fühlt sich das alles nach Eskalation an, oder?


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Kapitel 4



    Der Vater verbreitet auch in Corby wieder Angst und das nicht nur in der Familie, sondern auch in seinem üblichen sozialen Umfeld. Seine Opfer sind mittlerweile
    auch Freunde und Saufkumpane. Er wird immer gefährlicher und seine Angriffe sind immer weniger vorraussehbar.

    Den Angriff auf seinen Saufkumpan fand ich heftig. Es war auch das erstemal (zumindest von dem wir erfahren), dass sich Burnside körperlich gegen seinen Vater stellt. Noch kann er da nicht viel entgegensetzen. Man kann froh sein, dass sich der Vater in seinem besoffenen Kopf noch beruhigen ließ. Eine sehr widerliche Szene, die mich entsetzt hatte.



    Die Ausflüge nach Schottland in die alte Heimat erscheinen dem Jungen wie eine seltsame, traumartige Theatervorstellung. All das scheint nicht mehr real, nicht mehr
    wirklich greifbar zu sein.

    Diese Stimmung die er dort rüberbringt, hat mich an Stimmungen erinnert, die er in den Büchern beschreibt, die ich gelesen hatte. Wie du es schreibst, alles scheint nicht mehr real zu sein, nicht mehr wirklich greifbar.



    Dann kommt wieder eine Passage die das Vater/Sohn Verhältnis bitter beleuchtet. Eine Zeit lang ist er gut in der Schule und wünscht sich, dass der Vater zumindest bei
    einem kleinen Triumph zugegen ist. Schlimm dabei ist, dass er auch hier einen idealen Vater herbeiwünscht, einen Vater, den er nur aus Büchern oder Erzählungen
    Anderer kennt und nicht seinen eigenen, innerlich zerstörten Vater.

    Weißt du, Kinder freuen sich so, wenn man bei ihren kleinen oder großen Auftritten dabei ist. Wenn man liest, was da bei Burnside passiert ist .... :cry: Und wenn er dann noch schreibt, welchen Vater er sich bei diesen Auftritten als Zuschauer gewünscht hat, ist das doppelt traurig...



    ER versucht das Nichterscheinen seines Vaters zwar auch eine positive Seite abzugewinnen, aber das hört sich nicht sehr ehrlich an. Ich denke, ein richtiger Vater, der
    ihm Bewunderung und Stolz ob seiner Leistung zeigt, ist nicht ersetzbar. Das Zitat von Marianne Moore >If I do well, I am blessed, whether any bless me or not< kann
    für einen Erwachsenen vielleicht noch ein Trost sein, aber für einen 14jährigen Jungen scheint das doch schwierig.

    Es wäre das optimale gewesen, dass ein Kind hätte haben können, Eltern die dabei gewesen waren. Es muss ihn so unglaublich tief verletzt haben, dass sie es nicht waren. Wobei er die Mutter ja noch entschuldigt, aber der Vater hätte es theoretisch einrichten können. Und man liest den Schmerz so bitter raus, wenn er darüber schreibt, dass er es nicht mehr für seinen Wunsch-Vater macht, sondern für sich selbst. Der Gedanke war eine Art Anker, aber nicht an dem man sich ständig klammern könnte. In dem Alter jedenfalls nicht. Da fängt langsam die Mischung an zwischen Unterstützung Elternhaus und der Einsicht, dass man alles im Grunde für sich selbst macht.

    Es bleibt also nicht aus, dass er sich in der Schule nicht mehr bemüht. Er schafft sich so etws wie ein ganz eigenes Curriculum.

    Der komplette Ausstieg lässt vermutlich nicht mehr lange auf sich warten.




    So langsam scheint er abzurutschen und zusammen mit Bernard, der wie er von der Schule suspendiert wird, beschäftigt er sich damit kleine Feuer zu legen, Dinge
    zu zerstören und zuzuschauen wie sie vergehen. An dieser Stelle hatte ich böse Vorahnungen, aber bei Burnside gibt es noch so etwas wie eine Sicherung im Kopf.
    Als Bernard ein altes viktorianisches Haus abbrennen will, stellt er sich vor wie man aus diesem Haus noch ein neues Zuhause erschaffen könnte, und weigert sich
    mitzumachen. man kann nur hoffen, dass er sich diese Kontrolle weiter bewahren kann.


    Bernard? :shock: In der deutschen Ausgabe steht Raymond. Wobei mich ein Unterschied zwischen der deutschen und englischen Ausgabe nicht wundern würde. Hat man ja oft genug.
    Das sich Burnside in dem Moment noch beherrschen konnte, dieses leerstehende Haus nicht abzubrennen war schon erstaunlich. Ich dachte da auch, jetzt brennt er es ab. Wenn da nicht der Klick im Kopf gewesen wäre. Burnside muss sich so sehr ein richtiges Zuhause gewünscht haben :(
    Ich hoffe auch, dass er weiterhin die Kontrolle soweit noch wie möglich über sich selbst behalten kann.


    Dieses Kapitel weist schon darauf hin, dass Burnside all die Erlebnisse, all diese Enttäuschungen in der Familie nicht mehr lange für sich halten kann. So langsam
    wird der Druck wohl zu groß. Die ersten Versuche mit Alkohol und Cannabis, der Ausschluss aus der Schule, deuten darauf hin, dass er diesem Druck nun nachgibt.
    Allerdings nicht wie der Vater, der es an anderen Menschen auslässt, sondern an sich selbst.

    Es macht mich immer wieder sauer, wie tief der Einfluss dieses "Vaters" geht.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Kapitel 5

    Zuerst einmal habe ich mir die Bilder von George Shaw angeschaut die in ihrer Einsamkeit, ihrer Darstellung von Verfall schon ziemlich beeindruckend sind.
    Leider habe ich das Bild >The New Star< nicht gefunden, aber ich kann mir vorstellen wie passend dieses Bild sein wird, wenn man die anderen Bilder als
    Mittel nimmt.

    Gut, dass du mich daran erinnert hast. Das wollte ich eigentlich als erstes machen, aber habe es vergessen. Das musste ich natürlich erst mal nachholen. Die Bilder sind wirklich äußerst beeindruckend. Am ehesten meine ich, dass das Bild hier dem "The New Star" entsprechen könnte? So stelle ich mir jedenfalls dieses Pub vor. Es hat schon so etwas trostloses, fades.


    Die Kneipe >The Hazel Tree< ist des Vaters neues Zuhause in Corby und wie Burnside diese Gesellschaft von harten, unnachgiebigen Männern beschreibt,
    Männer, die ein bestimmtes Bild von Härte, Verrückheit und auch Brutalität ausstrahlen müssen, um der Fassade gerecht zu werden, ist schon sehr gut gelungen.

    "The Hazel Tree" ist eine völlig fremde Welt für mich. Das ist eine Atmosphäre die richtige Fluchtgefühle bei mir auslöst, so gut ist es beschrieben :uups: Und ich stelle gerade fest, in was für einer fast schon wohlbehüteten Welt ich aufgewachsen bin. Bei einem Außenbezirk einer Stadt, zwar durch die räumliche "Enge" der Siedlungshäuser immer auf dem silbernen Tablett präsentiert und dadurch immer im Blickfeld aller, aber irgendwie dadurch auch sehr behütet. Was wiederum nicht immer zwingend das Beste ist und andere Nachteile hat...


    Am Ende gibt es dann den Kampf zwischen dem Vater und einem Gegenspieler. Was aber in Erinnerung bleibt, ist was der Vater, als er zurückkommt mit einem
    Lächeln dem Jungen vermittelt. Das ist fast wie ein Warnung. Leg dich nicht mit mir an. Ich bin immer noch gefährlich.

    Diesen Teil musste ich zweimal lesen, weil ich nicht glauben konnte, dass das was ich gelesen hatte stimmt bzw. um überhaupt mal zu verstehen was da alles abgelaufen war.

    Es scheint wohl nicht vermeidbar, dass es irgendwann zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen wird. Irgendwie fühlt sich das alles nach Eskalation an, oder?

    Ja, ich befürchte das auch. Und ehrlicherweise wünsche ich mir in dem Moment für Burnside, dass er wenn es denn soweit sein muß, ein bißchen älter, stärker wie sein Vater und vor allem selbst klar genug ist um sich entsprechend wehren zu können :cry: Mannomann, was für Gedanken...

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Bernard? In der deutschen Ausgabe steht Raymond.

    :uups: .....wie komme ich denn auf Bernard????? Natürlich heißt er auch in der englischen Ausgabe Raymond. Bernard kommt aus einem anderen Roman.
    Mein Namensgedächtnis zeigt Lücken. Vielleicht brauche ich aber auch (schon wieder) etwas Urlaub. 8-[

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen