John Burnside - Lügen über meinen Vater (ab 02.09.2016)

  • In der ersten Ferienwoche, dürfte ich -spätestens am Mittwoch- ungestört schreiben können. In der zweiten Ferienwoche sieht es wieder schlechter aus. Das heißt, der Rest unserer MLR dürfte etwas verzettelter werden. Wie schaut es bei dir aus?

    Ich habe zwar jetzt etwas mehr Zeit, aber bin auch eine Zeit lang auf Wandertour. Da ist dann nix mit W-Lan.............. :wink:


    Lass es uns also etwas ruhiger angehen und einfach schreiben wenn wir Zeit haben. Herr Burnside braucht nun mal Aufmerksamkeit und Muße.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • zu Kapitel 9

    Überhaupt finde ich seine Gedanken über das Verschwinden können sehr spannend zu verfolgen. Bis er zu dem Schlus kam, dass es doch eigentlich recht einfach wäre und zwar indem man einfach sich still verhält. Gärtner zu sein und sich treiben zu lassen. Und sein Leben so zu stutzen, zu schneiden und zu bearbeiten wie man in einem Garten arbeitet

    Unerreichbar sein, in dieser Welt zu verschwinden und sich seinen Bildern und Träumen zu überlassen. Das klingt für Burnside wie eine Möglichkeit der Heilung durch
    einen physischen und psychischen Abstand zu der Welt die ihn immer wieder zum "Fallen" bringt. Das ist hier sehr schön beschrieben. (Seite 322)



    Zitat von John Burnside

    Man bringt uns bei, die Bilderwelt unseres Traumlebens zu verbergen, und doch formen diese Bilder eine Welt für sich, einen eigenen Lebenszusammenhang,
    und ich male mir aus, zu dieser Welt, diesem Leben zu reisen, wenn ich mich an einem ruhigen Nachmittag dem Traum vom Verschwinden hingebe, mich fort
    und in die Ferne denke, in der Tasche eine Handvoll Münzen, und eine frische Windbö fährt durchs Gras.

    Ernsthaft, sowas kann doch nur am Anfang funktionieren. Wo man noch "zart" rumtastet, aber auf Dauer ist es überlebensnotwendig Fragen zu stellen, keine Interpretationen vorzunehmen sondern gemeinsame Regeln aufzustellen, miteinander zu sprechen.

    Ich habe so das Gefühl, die beiden haben den Anfang irgendwie ausgelassen. Da spürt man doch keinen Funken von Verliebtheit, oder? Das klingt irgendwie wie ein
    Abtasten der Stärken und Schwächen. Wie weit kann man gehen? Die Suche nach dem Ausmaß der Dunkelheit in beider Seelen. Diese Verbindung hat etwas sehr
    gefährliches, etwas, das zumindest für Caroline, ohne Grenze, ohne Kontrolle daherkommt. Das Burnside da heil herauskommt, liegt, wie du schon geschrieben hast,
    @Farast an dem kleinen Rest Kontrolle, oder besser dem Instinkt für unmittelbare Gefahr, den Burnside noch hat, Caroline aber nicht.

    Der Vater kann keine "Macht" mehr über ihn haben. Es ist nur noch das "Bild des Vaters", "der kleine Vater in seinem Kopf", der da ist. Und mit dem gilt es umzugehen. Keine Ahnung ob ich verständlich rüberkomme, aber das ging mir so ungefähr beim lesen durch den Kopf.

    Vielleicht so etwas wie eine Schlüsselstelle, die ihm hilft dieses "Vatergespenst" dorthin zu befördern wo es ihn nicht mehr verfolgen kann. Er muss an sich arbeiten um die
    last der Trauer und der Vergehen seines Vaters loszuwerden. Die Lügen des Vaters kommen ihm hier beinahe verständlich vor. (Seite 328)


    Zitat von John Burnside

    Kein Wunder, dass wir lügen, dachte ich, während ich durch die Straßen lief, die für meinen Vater noch am ehesten so etwas wie Heimat gewesen waren.
    Wir wollen, dass das Leben gut ist.

    Zu diesem Aufenthalt gäbe es so viel zu sagen, zu schreiben und zu zitieren. Stichwort Tulpe z.B. Oder seine Gedanken über das unsichtbar sein. Die Geschichte mit den Gänsen, die letztendlich die Wendung brachte.

    Stimmt, Im Gegensatz zu seinem ersten Aufenthalt in Fulbourn kommt Burnside hier zu einer absoluten Gewissheit, hier ist er nicht mehr hin- und hergerissen, sondern
    seine Gedanken und Gefühlswelt geht in eine postive Richtung. Dieses Bild von Stärke und absolutem Willen, das ihn in diesem erinnerten Augenblick an einer Bucht
    erreicht, ist grandios. Deshalb muss ich das auch zitieren. (Seite 339)


    Ich habe es gerne gelesen mit wieviel Achtung er es tat, mit wieviel Interesse für deren Leben. Und wie er wieder diese neu gewonnenen Erkenntnisse dazu nützte um seine Beziehung zu seinem Vater weiter aufzuarbeiten.

    Erstaunlich aber für diesen Menschen besonders nachvollziehbar. Das ist ja wirklich keine schöne Arbeit, aber wie er damit umgeht zeigt, dass er sich Menschliches, dass
    er sich Mitgefühl erhalten hat. Mit dieser Arbeit entwickelt er dann eine neue Überlebensstrategie und auf den Punkt bringt er es mit diesen einfachen Worten. (Seite 344)


    Zitat von John Burnside

    Mir war eine ausgeklügelte Lüge angedreht worden, jetzt aber musste ich mich in meine neu gefundene Unsichtbarkeit einüben.
    Hole Wasser, hacke Holz, atme. Sag nichts.


    Ein Kapitel, dass dann am Ende doch so etwas wie eine vage Hoffnung auf Abstand und mit der Zeit vielleicht auch Versöhnung beinhaltet. Was ihm aber wohl bleibt,
    ist diese schwer fassbare Dunkelheit, die Dämonen und Phantome, die tief in ihm schlummern und immer mal wieder zum Leben erwachen.
    So beginnt dann auch das zehnte Kapitel mit einer furchtbaren Erscheinung zwischen Erwachen und Albtraum.


    Zitat von John Burnside

    Ich habe keine Angst vor dem Tod, keine besondere Furcht oder Befürchtung, über die ich bei Tageslicht reden könnte, nur eines habe ich:
    den Albtraum, das Erwachen, diese blutgezeugten Gespenster.


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  • Kapitel 10


    Wie schon gesagt, geht es in diesem Kapitel um diese blutgezeugten Phantome, aber auch um den Vater, den Tod und ein Versprechen, das nicht eingehalten
    werden kann. Was Burnside da über das Phantom, die Dunkelheit die er in sich trägt schreibt, ist schon furchterregend. Zwar umfängt ihn diese Vision nicht oft,
    aber sie ist intensiv, auch wenn er sie als Albtraum wegerklären will, weiß er tief in seinem Inneren, dass es kein Traum ist, sondern Realität und mit der muss
    er zurechtkommen, wie sein Vater und Großvater. Er beschreibt diese Erscheinung so: (Seite 348)


    Zitat von John Burnside

    - doch weiß ich, dass ich unehrlich zu mir bin, dass diese Erscheinung zu oft kommt, um ohne reale Existenz zu sein, hier in diesem Zimmer, in
    meinem Blut, meinem Verstand, dass sie älter ist als ich selbst, tiefer wurzelt in Blut und Nervenbahnen, in Gedächtnis und Ahnung.

    Die Erkenntnis dieser Präsenz, so denkt Burnside zurück, entstand wohl an einem Morgen den er mit seinem Vater an einer Bushaltestelle verbrachte. Der Vater
    ist in einer seltsam nachdenklichen Stimmung. Er hatte vom Tod eines Freundes der Familie gehört, der das Geheimnis seiner schweren Erkrankung für sich behielt
    und am Ende in einem Bus starb, unter fremden Menschen, begrapscht von fremden Händen. Der Vater denkt noch an ein anders Ereignis bei dem er einen Jungen
    im Krankenzimmer sterben sah, da war er der Fremde der den Tod begleitete. Die panische Angst die der Vater vor so einem Tod unter Fremden hatte, lässt ihn
    fast zerbrechen und Burnside erinnert sich plötzlich voller Trauer an die Zeit in der sein Vater für ihn noch überlebensgroß war. (Seite 354)


    Zitat von John Burnside

    damals glaube ich, gab es Tage, an denen ich meinen Vater für unsterblich hielt.

    Das Versprechen nicht zuzulassen , dass er unter Fremden stirbt, ist natürlich nicht zu halten, und genau wie der Freund der Familie stirbt der Vater an einem
    öffentlichen Ort, unter ein paar Saufkumpanen. Dem Vater muss an diesem Morgen an der Haltestelle klar geworden sein, dass er sich aus dieser letzten Begegnung
    mit dem Tod.nicht herauswinden kann. Und so beginnt er, aus Hilflosigkeit und Wut die Scheiben des Bushäuschens zu zerschlagen. Das war wohl Burnsides erste
    echte Begegnung mit der Dunkelheit, der Schwärze die in seinem Vater lauerte und die er, im Gegensatz zum Großvater nie auf Armeslänge halten konnte. Er hatte
    diese Dunkelheit als Bruder angenommen, aber er konnte sie nie kontrollieren, war ihr immer ausgeliefert.
    Burnside versucht sich dieser Dunkelheit zu stellen, wie der Großvater, sie auf Distanz zu halten um sie kontrollieren zu können, aber er weiß auch, dass sie immer da
    sein wird, in der Dunkelheit lauernd, fest in seinem Blut verankert. (Seite 362)


    Zitat von John Burnside

    Seine Dunkelheit ist auch meine Dunkelheit, aber eigentlich gehört sie niemandem. Sie setzt sich fest, wo sie kann - vielleicht, wo sie will, -
    und von diesem Augenblick an bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit ihr zu arrangieren.

    Ein schwieriges, und auch sehr belastendes Kapitel, weil es den Leser natürlich auch mit eigenen Erfahrungen mit dem Tod von Freunden oder Familieangehörigen
    konfrontiert. Dieses Kapitel neutral und distanziert zu lesen ist kaum möglich. Burnsides Gedanken und Gefühle, seine Phantome, wirken zu lebensecht, zu intensiv
    um sie so einfach wieder zu vergessen.


    @Farast Nun sind wir schon beinahe am Ende des Memoirs angekommen. Noch ein Kapitel, dann kommt schon der vierte und letzte Teil und der ist nur noch ein paar
    Seiten lang.


    lg taliesin :winken:

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  • Ich habe zwar jetzt etwas mehr Zeit, aber bin auch eine Zeit lang auf Wandertour.

    Oh wie schön! Viel Spaß dabei! Ich liebe es ja heiß und innig im Wald zu sein, da kann ich mich entspannen und wieder Energie tanken :D Allerdings gehöre ich eher zu den langsameren Läufer 8)



    Mittlerweile habe ich das Buch ausgelesen, war ja wirklich nicht mehr viel gewesen. Ich werde nach und nach meine Eindrücke aufschreiben.



    Kapitel 9


    Da spürt man doch keinen Funken von Verliebtheit, oder?

    Noch nicht mal ansatzweise. Da geht es -wie du ja schon geschrieben hast- um Macht und um Dominanz. Das hätte arg böse ausgehen können, wenn ein Partner davon keinen Funken Selbstbeherrschung hat. Burnside hatte da wirklich ziemliches Glück, dass er sich im passenden Moment umgedreht hat.

    Vielleicht so etwas wie eine Schlüsselstelle, die ihm hilft dieses "Vatergespenst" dorthin zu befördern wo es ihn nicht mehr verfolgen kann.

    Wobei, ist es in dem Fall nicht eher ein "Vatergeist"? Burnside unterscheidet das ja gerne. Aber ich greife da ja schon vor.

    Ein Kapitel, dass dann am Ende doch so etwas wie eine vage Hoffnung auf Abstand und mit der Zeit vielleicht auch Versöhnung beinhaltet.

    Zumindest Vergebung wurde erreicht. Vergeben heißt ja nicht vergessen und das hat Burnside wirklich erreicht. Sonst wäre der komplette Tonfall im Buch ein anderer. Und das finde ich sehr schön!

    Was ihm aber wohl bleibt,
    ist diese schwer fassbare Dunkelheit, die Dämonen und Phantome, die tief in ihm schlummern und immer mal wieder zum Leben erwachen.

    Ja, diese Art von "Dämon" bleibt ihm wohl leider sein Leben lang erhalten :( Scheint so eine Familiengeschichte zu sein (wobei ich wieder vorgreife :uups: )

    So beginnt dann auch das zehnte Kapitel mit einer furchtbaren Erscheinung zwischen Erwachen und Albtraum.

    Das war ein sehr, sehr unheimlicher Anfang!

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  • Kapitel 10



    Wie du selbst schon geschrieben hast, das war ein sehr schwieriges Kapitel.

    Was Burnside da über das Phantom, die Dunkelheit die er in sich trägt schreibt, ist schon furchterregend. Zwar umfängt ihn diese Vision nicht oft,
    aber sie ist intensiv, auch wenn er sie als Albtraum wegerklären will, weiß er tief in seinem Inneren, dass es kein Traum ist, sondern Realität und mit der muss
    er zurechtkommen, wie sein Vater und Großvater.

    Es muss schrecklich sein, wenn einem immer wieder solche Phantome heimsuchen. Diesen Versuch das Ganze als Alptraum wegzuerklären, das kaufe ich ihm auch nicht ab. Und so muss auch Burnside mit diesem Dunklen und Schwarzen zurechtkommen. Aber wenn man in einer ruhigeren Stunde darüber nachdenkt, jeder von uns trägt diese Phantome mit sich auf die eine oder andere Weise mit sich rum. Das ist nicht so eine Burnsid´che Familiensache, finde ich.

    Die Erkenntnis dieser Präsenz, so denkt Burnside zurück, entstand wohl an einem Morgen den er mit seinem Vater an einer Bushaltestelle verbrachte. Der Vater
    ist in einer seltsam nachdenklichen Stimmung. Er hatte vom Tod eines Freundes der Familie gehört, der das Geheimnis seiner schweren Erkrankung für sich behielt
    und am Ende in einem Bus starb, unter fremden Menschen, begrapscht von fremden Händen. Der Vater denkt noch an ein anders Ereignis bei dem er einen Jungen
    im Krankenzimmer sterben sah, da war er der Fremde der den Tod begleitete.

    Das war wohl wirklich das "Aha-Erlebnis" von Burnside. Dem ersten bewusst werden darüber. Begegnet war er ihm ja schon leider ziemlich oft.
    So von einem gewissen Abstand betrachtet, fand ich es erstaunlich, dass sich Burnsides Vater doch verhältnismäßig spät darüber Gedanken macht und dann gleich so in Panik verfällt. Vermutlich dürfte auch sein eigener schwerer Unfall ihn empfänglicher für derartige Erkenntnisse gemacht haben.
    Das er Angst vor dem Tod hat, kann wohl jeder nachvollziehen. Wobei ich nie auf den Gedanken gekommen war, dass jemand vor allem Angst darüber haben kann, dass ihm fremde Menschen dabei zusehen könnten. Vor was hat er dann eigentlich mehr Angst? Davor zu sterben? Oder vor dem Kontrollverlust, dass jemand anders ihn in seiner schwächsten Stunde zuschaut? Vermutlich eine Mischung zwischen beiden.

    Die panische Angst die der Vater vor so einem Tod unter Fremden hatte, lässt ihn
    fast zerbrechen und Burnside erinnert sich plötzlich voller Trauer an die Zeit in der sein Vater für ihn noch überlebensgroß war.

    Es war gut für Burnside, dass er sehen konnte, dass sein Vater eben nicht unsterblich ist. Und damit von seinem Sockel gestossen wurde. Das wäre ein Vatergespenst oder -geist geworden, vor dem man sich wirklich fürchten hätten können, mit all seinen Konseqenzen für das ganze eigene Leben und den eigenen Vorstellungen über den Tod. Das meine ich jetzt nicht in Richtung von Wiederkehr des Vaters als echtes Gespenst (Gespenster im Sinne von Gruselfilmen exestieren ohnehin nicht -zumindest in meiner Welt 8) ), aber das ist bestimmt klar.

    Dem Vater muss an diesem Morgen an der Haltestelle klar geworden sein, dass er sich aus dieser letzten Begegnung
    mit dem Tod.nicht herauswinden kann. Und so beginnt er, aus Hilflosigkeit und Wut die Scheiben des Bushäuschens zu zerschlagen. Das war wohl Burnsides erste
    echte Begegnung mit der Dunkelheit, der Schwärze die in seinem Vater lauerte und die er, im Gegensatz zum Großvater nie auf Armeslänge halten konnte. Er hatte
    diese Dunkelheit als Bruder angenommen, aber er konnte sie nie kontrollieren, war ihr immer ausgeliefert.

    Da habe ich wirklich staunend vor der Reaktion des Vaters gesessen. Ich meine jeden von uns trifft früher oder später die absolute Erkenntnis nicht sterblich zu sein und der Wahrhaftigkeit des Wesens des Sterbens vor Augen zu haben, aber wenn jeder von uns derartig panisch reagieren würden, könnten wir wohl einpacken.

    Burnside versucht sich dieser Dunkelheit zu stellen, wie der Großvater, sie auf Distanz zu halten um sie kontrollieren zu können, aber er weiß auch, dass sie immer da
    sein wird, in der Dunkelheit lauernd, fest in seinem Blut verankert.

    Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich die drei mit dieser Dunkelheit umgehen. Jeder für sich auf seine eigene Art. Und da trifft mich wieder Burnside, weil ich auch viel über mich selbst anfange nachzudenken. Da packt er wirklich den Leser.

    Ein schwieriges, und auch sehr belastendes Kapitel, weil es den Leser natürlich auch mit eigenen Erfahrungen mit dem Tod von Freunden oder Familieangehörigen konfrontiert. Dieses Kapitel neutral und distanziert zu lesen ist kaum möglich. Burnsides Gedanken und Gefühle, seine Phantome, wirken zu lebensecht, zu intensiv um sie so einfach wieder zu vergessen.

    Das hast du sehr schön ausgedrückt!

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  • Kapitel 11

    Nächstes schwieriges Kapitel, das Begräbnis. Burnside ist wieder nach langer Zeit in Corby. Fast hätte ich geschrieben, in seinem Elternhaus, aber das war es im Grunde ja nie gewesen. Es war ein Mietshaus, ein Ort in dem man aß und schlief, mehr nicht. Es war kein Zuhause. Leer wirkt das Haus, vieles gibt es nicht mehr. All die Dinge, die seine Mutter liebevoll gepflegt und wie ihren Schatz gehütet hat sind verschwunden.


    Burnside frägt sich da zurecht was damit passiert war.

    Zitat von Seite 365

    Waren sie im gewöhnlichen Lauf der Zeiten und Dinge einfach untergegangen oder hatte mein Vater sie absichtlich fortgeworfen?


    Margaret gibt ihrem Bruder ein Päckchen mit einer Uhr, damit er etwas hat, dass ihn an seinen Vater erinnern kann. Ich kann Burnsides Gedanken darüber sehr gut nachvollziehen:

    Zitat von Seite 366

    Obwohl wir beide wussten, sagte ich nicht, dass mir nicht danach war, mich an ihn erinnern zu wollen.

    Aber er versteht was Margaret damit meinte und steckt die Uhr ein. Er hätte genau so gut anders handeln können.


    Überraschend auch für mich war, dass Burnsides Vater noch Geld hinterließ. Ich hätte das jetzt auch geglaubt, dass er alles versoffen hätte. Und ich ziehe den Hut vor Burnside, dass er das Geld seiner Schwester überlassen hatte.


    Die Beerdigung war "überraschend gut besucht". Und wie schon erwartet ein "Fiasko". Dass das für Margaret zu viel war, ist wohl für jeden (außer den Kumpanen des Vaters) klar. Burnside schleßt sich den Kumpanen an und geht mit ihnen zu dem Ort wo sein Vater gestorben ist, dem Silver Band Club. Und mir geht es so wie Burnside, sie trauern um einen Mann, der so ganz anders war wie er sein Vater in Erinnerung hatte. Diese unterschiedlichen Bilder eines Menschen muss man erst mal unter einen Hut bringen. Auf der einen Seite der "Vater", den Burnside kannte. Und auf der anderen Seite der "Fußballspieler", der Mann mit der Ähnlichkeit mit Robert Mitchum usw usf. All die Geschichten die er, der Vater, erzählt hatten, waren für sie wahre Geschichten gewesen. Die ganze Situation wirkt so sureal. Und auf eine seltsame Art nickt man zu den Worten von Mull, aber mit ganz anderen Gedanken darüber, dass Burnside seinen Vater vermissen wird. Wenn man sich klar darüber ist, dass es das Bild eines Vater ist, dass er vermissen wird. Und nicht der Mensch selbst.


    Ich gebe Burnside recht wenn er über diese Männer schreibt

    Zitat von Seite 373

    Sie trauerten weniger um das Ableben ihres Freundes als darum, was sein Tod für sie bedeutete: die Leben die sie vergeudet oder zerstört hatten, die Unfähigkeit, einander ihre Gefühle zu bekennen, der einsame Tod, der jeden von ihnen erwartete.


    Interessant seine Gedanken darüber warum man "säuft".

    Zitat von Seite 373

    (...)säuft man aus zweierlei Gründen: Weil man sterben will oder weil man Angst vorm Sterben hat.


    Und es tut weh zu lesen, wenn Burnside zu Mull sagt:

    Zitat von Seite 373

    Ich habe ihn (den Vater) mein Leben lang vermisst. Glaub nicht, dass ich jetzt damit aufhören werde.

    Das ist weder törricht noch grausam was er da über seinen Vater sagt, denn das ist auf die schmerzvollste Art wahr.

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  • Und so nähern wir uns dem Schluss. Ich fand das Zitat aus dem "Thomas-Evangelium" sehr passend zu dem Buch und der Herkunft des Vaters gewählt.


    Zitat von Seite 375

    Jesus sagte: "Wenn ihr den seht, der nicht von einer Frau geboren wurde, werft euch mit dem Gesicht auf die Erde und betet ihn an, denn das ist euer Vater."


    Es ist das Jahr 2002 und wir befinden uns in einem Fischerdorf in Schottland ein Tag nach Halloween. Der Kreis schließt sich auf eine wundervolle hoffnungsvolle Weise, denn Burnside ist nicht allein. Sein dreijähriger Sohn ist bei ihm. Ja, es macht mir echt Freude zu lesen wie Burnside diese Szene beschreibt. Und so kurz dieser Epilog ist, so gehaltvoll ist er und es lässt sich so vieles rauslesen.


    Ich mochte Burnsides Überlegung zu dem was er sah:


    Zitat von Seite 378

    Das ist es, was wir unter Leben verstehen: Meeresvögel, Fischfang, die eine oder andere sieben Meter hohe Welle, die gegen die Mole brandet, der dunkle Gerucht unbekannten Wassers, und auch wenn es peinlich ist, es zu sagen, müssen wir es sagen, müssen uns trotz und wegen all unserer Sorgen daran erinnern, dass dies die wirkliche Welt ist, unser fortdauerndes Geheimnis.

    Und es freut mich ungemein zu lesen was er über seinen Vater schreibt. Da könnte ich jetzt den ganzen Abschnitt zitieren. Aber ich wähle nur einen Teilt, der mir mit am besten gefiel, weil er so viel versöhnliches enthält:


    Zitat von Seite 379

    Die Erinnerung, die mir dieses Halloween kommt, zeigt meinen Vater nicht als den brutalen, unglücklichen Säufer, den ich so gut kannte, jenen Mann, der seine Tage in einem konfusen Nebel verbrachte und sich verwundert fragte, seine Inkonsequenz verantwortlich war, sondern jemanden, auf den ich früher, damals in Cowdenbeath, einen Blick erhascht haben musste, obwohl ich selbst nicht mehr genau weiß, wann das war oder warum er dort war, eines Abends, vor unserem Haus, allein im Dunkeln, als der Regen von den nahen Bäumen tropfte. In dieser Erinnerung kehrt er mir den Rücken zu, doch spüre ich eine Stille, eine tiefe Ruhe, wenn auch nicht unbedingt einen innerren Frieden, wie er da am Rand von Mr. Kirks Wald steht, siche eine Zigarette anzündet, namenlos und einen Augenblick lang frei, der zu sein, der er sein möchte.

    Vielleicht kann Burnside seinen Vater doch noch nicht ganz vergeben, wie es die eine oder andere Bemerkung in diesem Epilog zeigt, aber er ist wirklich auf einem ganz tollen Weg dazu, finde ich.


    Faszinierend seine Gedanken über "Geschichten" zu folgen, die im Laufe eines Lebens erzählt werden. Mindestens so faszinierend wie Burnsides Unterscheidung zwischen "Geister" und "Gespenster". Für mich war das immer alles gleich :uups: Allerdings werde ich es ab sofort nie wieder über einen Kamm scheren können. Und ich gehe da mit Burnside konform, dass man die Geister nur mit Hilfe der eigenen Geschichte erkennen kann, um mit ihnen umgehen und ihn die entsprechenden Schranken verweisen zu können. Und so stößt er damit uns Leser zu einiges an eigenen Überlegungen über das Leben an.


    @taliesin ich bin wieder schon sehr gespannt auf deine Eindrücke!

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  • zu Kapitel 11

    All die Geschichten die er, der Vater, erzählt hatten, waren für sie wahre Geschichten gewesen. Die ganze Situation wirkt so sureal.

    Sureal ist der richtige Ausdruck, denn Burnside befindet sich da in einer unmöglichen Situation und ich muss seine Kontrolle da bewundern. Ich dachte, er platzt
    jetzt jeden Moment, vor allem als die "Robert Mitchum Story" wieder aufs Tapet kommt. Das hat ja schon tragikomische Züge. tatsache ist, dass der Vater seine
    Fassade perfekt und glaubwürdig vorgetragen hat, denn seine Freunde betrachten ihn tatsächlich als überlebensgroß. Die Distanz zwischen Burnside und der Welt,
    in der diese Leute leben ist nicht überbrückbar und Burnside tut gut daran, dass Bild, das sie sich vom Vater gemacht haben nicht anzurühren.

    Das ist weder törricht noch grausam was er da über seinen Vater sagt, denn das ist auf die schmerzvollste Art wahr.

    Das erinnert mich an diese Zeilen am Anfang des Buches:
    "Wäre mein Vater hier, um mit mir darüber zu reden, gäbe er mir bestimmt recht, wenn ich sagte, es sei ebenso wahr zu behaupten, dass ich nie einen
    Vater, wie dass er nie einen Sohn hatte."


    Es ist trotz alle Unterschieden zwischen Mull und Burnside ein unendlich trauriges und endgültiges Bild, das Burnside hier am Ende des Kapitels beschreibt.


    Zitat von John Burnside

    Dann schlug er die Tür zu, und wir fuhren los, ließen Mull auf dem Bürgersteig zurück, ein todgeweihter Mensch, der uns nachsah, im
    Sonnenlicht, allein, an einem ganz gewöhnlichen Tag.


    Lügen und Träume

    Der Kreis schließt sich auf eine wundervolle hoffnungsvolle Weise, denn Burnside ist nicht allein. Sein dreijähriger Sohn ist bei ihm. Ja, es macht mir echt Freude zu lesen wie Burnside diese Szene beschreibt.

    Ja, dass ist nach all der Dunkelheit, den zerstörten Hoffnungen und Burnsides Versuchen durch Drogen zu den letzten dunklen Geheimnissen zu gelangen, wie ein
    >Nachhausekommen< nach einer langen, intensiven Reise. Endlich durchatmen, endlich so etwas wie Frieden und Hoffnung finden.

    Ich mochte Burnsides Überlegung zu dem was er sah:

    Hört sich zuerst einmal banal an, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es genau das, was unser von Alltag und täglichen Sorgen vollgepackten Lebens den Unterschied
    ausmacht. Die Besinnung auf die kleinen, die einfachen Dinge des Lebens. Sei es ein Sonnenstrahl auf einem Blatt, sei es ein warmer Sommerregen, oder ein alter
    Song im Radio, der Erinnerungen weckt und uns für einen kleinen Augenblick anhalten lässt. Oft verlieren wir diese Betrachtungen, wir verlieren diese Möglichkeiten, kurz
    innezuhalten um diesem Gefühl Platz zu machen. Dabei ist es doch im Grunde so einfach, oder?

    Und es freut mich ungemein zu lesen was er über seinen Vater schreibt. Da könnte ich jetzt den ganzen Abschnitt zitieren. Aber ich wähle nur einen Teilt, der mir mit am besten gefiel, weil er so viel versöhnliches enthält:

    Da hat Burnside nun einen guten Weg gefunden das Bild seines Vaters auf eine gute Weise zu erinnern. Nicht der dunkle, zerstörerische Vater, sondern dieses
    friedliche, stille Bild. Wichtig ist, dass es das Bild eines Vaters ist, dem er vergeben könnte. Die Erinnerung des schlechten Vaters wird nie ganz weggehen, aber er
    hat eine Möglichkeit der Versöhnung gefunden und das macht Hoffnung. Hoffnung auch für ihn selbst und seinen kleinen Sohn, dem er irgendwann diese Geschichte
    erzählen muss, denn auch diesem muss bewusst werden, dass die blutgezeugten Geister erscheinen können, und dass man sie am besten auf Armeslänge von sich
    weg hält, um sie besser beobachten zu können..............


    Enden möchte ich mit einem Zitat. Die letzten Zeilen des Memoirs sind ein sehr schöner Abschluss. Das spricht ganz für sich selbst und braucht keine
    erklärenden Worte mehr.


    Zitat von John Burnside

    Es ist die Geschichte eines Vaters, eine Sage, und ich muss die beste Weise finden, sie dem Kind weiterzugeben, mit dem ich nun, an diesem Morgen
    am Tag der Heiligen, spazieren gehe. Ich werde ihm etwas geben müssen, und sei es noch so dürftig, damit er sich selbst als Mann zu sehen vermag, als
    Mann mit eigener Geschichte, eigenen Bildern und mir seinen ureigenen, ganz besonderen Geistern - und wenn ich mit nichts als einem einsamen Phantom
    und weißem Hemd beginnen kann, einem Phantom, das in der ewigen Kälte einer Winternacht darauf wartet, erlöst zu werden, nun, dann soll es so sein.


    Vielen Dank, liebe @Farast für diese schöne Leserunde zu einem Buch, das den Leser durch eine wahre Achterbahnfahrt von Gedanken und Gefühlen führt
    und das oft auch eine Reise entlang der dunklen Flüsse des Herzens war. Ich finde, dass ist uns ganz gut gelungen, oder? :wink:


    lg taliesin :winken:

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  • Ich finde, dass ist uns ganz gut gelungen, oder?

    Absolut!


    Ich bedanke mich auch ganz herzlich bei dir @taliesin für unsere wirklich sehr schöne Leserunde! Ich habe gestern noch davon bei meiner Familie darüber geschwärmt wieviel Freude -trotz des Themas- dieser Austausch mir gemacht hatte. Es ist ewig lange her (um genauer zu sagen, eigentlich seid meiner Schulzeit *hüstel*), dass ich Kapitel aus einem Buch mehrmals gelesen habe und immer wieder neues entdeckt habe. Einfach herrlich :applause:


    Das Buch hat viel bei mir angestossen. So soll gute Literatur sein! Und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung. Vielleicht eine weitere Leserunde? :wink::)

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  • Und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung. Vielleicht eine weitere Leserunde?

    Aber sehr gerne............Sag einfach Bescheid, wenn du für >Waking up in Toytown" Zeit und Lust hast.

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  • Aber sehr gerne............Sag einfach Bescheid, wenn du für >Waking up in Toytown" Zeit und Lust hast.

    Mache ich dann :winken:

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