Tim Parks - Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen / Where I'm Reading From

  • Klappentext:
    Als Autor, Übersetzer und Kritiker ist Tim Parks geradezu prädestiniert dafür, alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Buch stellen – sei es als Leser, Autor, Kritiker, Juror –, zu untersuchen: Muss man jedes Buch, das man angefangen hat, auch auslesen? Was prägte mein Lesen? Was ist literarischer Stil? Brauchen wir Geschichten? Ist Copyright wichtig? Warum sind Leser unterschiedlicher Meinung? Was bedeuten literarische Preise?
    Für Tim Parks gibt es keine Gewissheiten. Die Neugier und die Skepsis, mit der er den Literaturbetrieb und seine Protagonisten betrachtet, sind so provozierend wie amüsant. Was Leser von Büchern wollen und welche Bedeutung Literatur heute hat, leuchtet Tim Parks neu aus. Seine Essays sind voller literarischer Anspielungen und Anekdoten, so klug wie witzig und lebensnah. Wie wollen wir lesen? So, wie Tim Parks es vorschlägt.
    (von der Antje Kunstmann-Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Tim Parks, geboren 1954 in Manchester, wuchs in London auf und lebt seit 1981 in Italien. In vielen seiner Romane und erzählenden Sachbücher hat er das Leben in Italien thematisiert. Er hat das Werk von Italo Calvino, Roberto Calasso, Alberto Moravia und Machiavelli ins Englische übersetzt und lebt als Professor für Literarisches Übersetzen in Mailand. Zuletzt erschien von ihm "Italien in vollen Zügen" (Kunstmann 2014). (von der Antje Kunstmann-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Where I’m Reading from
    Erstmals erschienen 2014 bei Harvill Secker, London
    Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker und Ruth Keen
    Einführung, 4 Teile, diese in Kapitel untergliedert:
    1. Die Welt des Buches
    2. Das Buch in der Welt
    3. Die Welt des Schriftstellers
    4. Schreiben rund um die Welt
    Danksagung
    237 Seiten



    Persönliche Meinung:


    Einführung
    Parks informiert und provoziert. Er stellt gewagte Thesen auf und zwingt Bücherliebhaber dazu, sich mit dem eigenen Leseverhalten auseinander zu setzen, und stellt verblüffende Thesen auf.
    Schon in der Einführung stellt er alles auf den Prüfstand, was dem Leser bisher heilig war und an was er glaubt und was höchstens von ein paar Mutigen in Frage gestellt wird: Den professionellen Feuilleton, die Literaturpreise, die Buchbesprechungen durch Laien im Internet (eine solche liest Du gerade) und die akademische Literaturwissenschaft.


    1. Die Welt des Buches
    „Die Welt braucht Geschichten“ – ein Grundsatz, der bisher unwidersprochen von jedem Schreiber und jedem Leser verkündet wurde. Und wenn nicht? Darüber denkt Parks nach. Mit verblüffendem Ergebnis.
    Er propagiert, Bücher nicht zu Ende zu lesen, nicht nur dann, wenn sie nicht gefallen. Welch ein Gedanke! Ein Aufschrei sämtlicher gewissenhafter Leser ist dem Autor sicher! Parks Argumentation – man sollte sie zumindest durchdenken.
    Parks ist kein Gegner des elektronischen Lesens, aber er veranschaulicht, warum E-Books Medien für Erwachsene sind.
    Gibt es falsches oder richtiges Lesen? Warum missfallen dem einen die Bücher, denen der andere applaudiert? Was haben Kindheitserfahrungen mit der Auswahl der Lektüre zu tun?


    2. Das Buch in der Welt
    Wie suchen Preisrichter eines Literaturpreises ihre Kandidaten aus? – Wer sich jemals fragte, warum Autor XY einen Preis bekam, obwohl sein Buch bei der breiten Leserschaft weder bekannt noch beliebt ist, findet hier Antworten.
    Als Übersetzer und Dozent, der mit seinen Studenten Übersetzungsübungen macht, richtet Parks den Fokus hier auf die Übertragungen von einer Sprache in die andere, berücksichtigt dabei vor allem die englische Sprache. Aber: Englische Übersetzungen sind nicht immer, wie wir annehmen könnten, mit dem amerikanischen Markt kompatibel. Während Europa keine Probleme mit fremden Namen, fremdem Geld, Temperatur, Essen, usw. hat, gibt es für Amerika eigene Gesetze.
    Wissen wir eigentlich, wie viele Biographien geschönt werden, um Schriftsteller ins rechte Licht zu rücken und zu anbetungswürdigen Zeitgenossen zu machen? Parks führt (nicht immer amüsante) Beispiele auf, und man muss sich von lieb gewordenen Ansichten über einige Autoren verabschieden.


    3. Die Welt des Schriftstellers
    Man liebt die Künstler; sie werden bewundert, geachtet und wert geschätzt. Doch sind Autoren nicht eher Handwerker, die mit Sprache umgehen wie der Tischler mit Holz? Beide können kreative Ideen verwirklichen, beide können simple und dröge Machwerke abliefern
    Parks fragt, woher der Personenkult um einen Autor rührt, während dessen aktive Leser weniger werden. Er überlegt, wie sich der Charakter und die Lebensweise eines Autors auf seine Schreibkunst auswirken, und wie die Sache mit dem schnöden Mammon, dem Geldverdienen aussieht.
    Die Frage bleibt, was ein Autor erzählen darf und was nicht. Denn er kann noch so gut verschlüsseln, irgendjemand erkennt sich dennoch. Ist es möglich, etwas zu erzählen und zugleich nicht zu erzählen?
    Wenn die Handlung seiner Bücher das Leben und die Art des Autors spiegelt, müsste ihm eine Entwicklung zugestanden werden – damit aber sind die Leser nicht immer einverstanden.


    4. Schreiben rund um die Welt
    Früher schnitt man einen Dichter von seinen kreativen Wurzeln ab, wenn man ihn aus seiner Heimat verbannte. Heute ist jeder Autor mit der Globalisierung konfrontiert, oft in Gestalt des amerikanischen Marktes. Man kann sich entscheiden: Schreibt man Geschichten ohne lokale Bezüge oder schreibt man „amerikanisch“.
    Ein besonderer Fall sind Übersetzungen, für die die Rechte bisweilen schon vor der Erstveröffentlichung in andere Länder verkauft werden. Das bedeutet Zeitdruck für die Übersetzer und mindert die Qualität.
    Ein weiterer besonderer Fall sind Literaturverfilmungen. Schon wir Leser sind mitunter entsetzt über das Ergebnis einer Buchverfilmung, wie muss es dann erst in einem Autor aussehen, wenn er dies erlebt, und wie kann er mit den Verfälschungen seiner Ideen umgehen?



    Es ist hier nur ein Teil der Themen angeschnitten, die Parks in seinem Buch über Bücher, Autoren und Leser aufwirft. Gewürzt ist der eigentlich trockene Stoff mit Anekdoten aus seinem eigenen Schriftstellerleben und mit unzähligen Beispielen aus der modernen Literatur; dadurch und durch seinen Witz nimmt Parks ihm das Nüchterne. An einigen Stellen sagt er mehr oder weniger deutlich, was er von diesem oder jenem Kollegen hält.


    Das Buch liest sich sehr gut; man begegnet alten Bekannten und konfrontiert sich mit Parks zum Teil abenteuerlichen Thesen. Man bildet und amüsiert sich – eine gute Mischung für eine anregende Lektüre.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • IST interessant!!! Falls Du bis 1.12. warten kannst ... :wink:

    ?( Das verstehe ich jetzt nicht...


    Auf jeden Fall vielen Dank für die Rezi, auch ich bin nun neugierig auf das Buch und habe meine WuLi verlängert.



    Wissen wir eigentlich, wie viele Biographien geschönt werden, um Schriftsteller ins rechte Licht zu rücken und zu anbetungswürdigen Zeitgenossen zu machen? Parks führt (nicht immer amüsante) Beispiele auf, und man muss sich von lieb gewordenen Ansichten über einige Autoren verabschieden.

    Wobei ich mich schon frage, woher der Autor meint, das besser zu wissen...aber genau das ist ein Punkt, der mich neugierig auf das Buch macht!



    Warum missfallen dem einen die Bücher, denen der andere applaudiert?

    Auch hier scheint die Antwort auf den ersten Blick klar.....aber ich lasse mich gerne überraschen! :)

    Isenhart musste grinsen, ihre Blicke begegneten sich. "Du hast nur tausend Mal", wisperte er.
    Konrads müdes Schmunzeln wuchs sich zu einem breiten Grinsen aus. "Ich verrat dir was", flüsterte er zurück, "das ist Mumpitz."


    Mein Angebot bei booklooker

  • klingt interessant, die WuLi ist mal wieder gewachsen

    detto

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study: