Pierre Lemaitre - Wir sehen uns dort oben / Au revoir là-haut

  • Wir sehen uns dort oben (Pierre Lemaitre, Christian de Metter)


    Erschienen:


    Juni 2016


    Seitenzahl: 176


    Verlag: Splitter Verlag


    Hardcover: 29,80 €


    ISBN: 3958393934


    Die Autoren



    Pierre Lemaitre ist ein französischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Für seinen Roman Au revoir là-haut (Wir sehen uns dort oben) wurde er 2013 mit dem bedeutendsten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet.


    Christian de Metter ist französischer Comicbuchautor und schafft mit der Zeichnung von Wir sehen uns dort oben ein ansprechendes Werk.


    Wir sehen uns dort oben



    Nachdem im Jahr 1918 die Gräuel des Ersten Weltkriegs endlich beendet zu sein scheinen und gerade Frankreich versucht, krampfhaft wieder in die Normalität zurück zu finden, gibt es für Kriegsveteranen kaum noch Platz. Zahlreiche Wiederkehrer von den Schlachtfeldern können nichts zum Wiederaufbau des Landes beitragen und sind zu Krüppeln verunstaltet. So ergeht es auch Albert und Edouard. Einer der beiden ist schwer traumatisiert, während der andere entstellt ist. Doch Frankreich hat für Krüppel keinen Platz. So bleibt den beiden nichts anderes übrig, als sich gemeinsam durchzuschlagen. Doch in ihrem Herzen keimt noch etwas anderes als der pure Überlebenstrieb: sie wollen Rache. An demjenigen, der sie verraten hat. Dafür hecken sie einen Plan aus, denn man sieht sich immer zweimal im Leben. Und schließlich stehen sie ihrem Widersacher gegenüber…


    Fazit


    Der vorliegende Comic, welcher eine Verbildlichung des Romans „Wir sehen uns dort oben“ von Pierre Lemaitre ist, beinhaltet das vom Ersten Weltkrieg gezeichnete Frankreich. Zwei vom Krieg ebenfalls gezeichnete Soldaten, Albert und Edouard kommen nach Hause und nichts ist mehr wie es war.


    Der Autor versucht die Gräuel des Ersten Weltkrieges nachzuempfinden. Einen Krieg, den er selbst nie erlebt hat. Seine beiden Hauptprotagonisten jedoch schon. Lemaitre verarbeitet in seinem Buch jedoch viel mehr, menschliche Abgründe, Realitäten fernab jeglicher Vorstellungskraft, Freundschaft und Zusammenhalt. Aber auch Rache, Kriegsgewinner und – Verlierer finden in seinem Buch Erwähnung. Christian de Metter versucht dieses Themenspektrum und den Anspruch des Autors nun in einem Graphic Novel umzusetzen.


    Besonders bei dem gefühlvollen Antihelden Albert, der in jedem Menschen das Gute zu sehen scheint und dem es sichtbar schwer fällt, Rache üben zu wollen, fällt die Lebendigkeit der Figuren im Comic auf. Ihn möchte man an einigen Stellen gern noch einmal darauf hinweisen, was ihm angetan wurde, aber ich denke genau das ist im Roman auch gewollt. Durch eine gebückte Körperhaltung und zahlreiche Mimik und Gestik, wird eine große Melancholie sichtbar, die von Albert ausgeht. Sein Freund Edouard ist entstellt und ihm fehlt jeglicher Lebenswille. Zu seiner Familie will er in seinem Zustand schon gleich gar nicht zurück. Auch er wird unglaublich authentisch dargestellt.


    Besonders durch düstere Farben und schraffierte Szenen, wird die Atmosphäre des Romans gut eingefangen und umgesetzt. Jede Figur erhält durch eine eigenwillige Gestaltung ihren Charakterzug. Auch die schnörkellose Darstellung der Figuren und Sprechblasen, finde ich äußerst passend. Ich denke im Roman spielt die Frage nach dem Helden und dem Antihelden eine wichtige Rolle, dies kommt jedoch im Comic nicht ganz so gut heraus, wie es das im Roman tut. Gerade, weil nicht alle Sprechszenen dargestellt werden können.


    Alles in allem eine gelungene Darstellung eines Romans, welcher unglaublich fesselt und aufwühlt. Dieser Comic fasst besonders für Wenigleser die wichtigsten Punkte zusammen.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    http://immer-mit-buch.blogspot…en-uns-dort-oben-der.html

  • “Wir sehen uns dort oben” war ein absolutes Lesehighlight! Von der ersten bis zur letzten Seite war es ein Genuss diese Geschichte zu lesen. Ein Genuss sowohl im positiven als auch im negativen Sinn, denn die Handlung ist alles andere als genüsslich.
    Die Hauptakteure in dieser manchmal doch recht makaber anmutenden Geschichte sind Albert, Édouard und der Offizier Pradelle. Während der letzten Kriegstage kommt der schüchterne Albert beinahe zu Tode. Schuld daran hat Hauptmann Pradelle. Als Albert auf dem Schlachtfeld seltsames entdeckt, ist dies beinahe sein sicherer Tod. In letzter Sekunde rettet Édouard ihn und wird dabei selber schwer verwundet. Fortan sieht sich Alber verpflichtet seinem Retter und Kriegskammeraden beizustehen. Es entwickelt sich eine seltsam anmutende Freundschaft, die sich für beide nicht immer als einfach gestaltet. Nach dem Krieg ziehen die Freunde zusammen. Das hat naheliegende Gründe, darauf möchte ich aber an dieser Stelle nicht näher eingehen um nicht zu viel von der Geschichte zu verraten. Im Verlauf der Monate nach dem Krieg hat sich Pradell ein eigenes Unternehmen aufgebaut, durch das er sich Reichtum und Anerkennung erhofft. Seine Geschäftsstrategie ist aber alles andere als anständig. Für ihn zählt vor allem sein eigenes auskommen. Derweil fristen Albert und Édouard ein weniger gutes Dasein. Denn Albert musste Édouard das Versprechen geben, seiner Familie nicht zu sagen, dass er den Krieg überlebt hat. Als Édouard eine Geschäftsidee entwickelt um sie aus diesem Elend zu bringen, ist Albert alles andere als angetan. Denn auch Édouard will sich auf Kosten anderer bereichern ……
    Schon nach den ersten paar Seiten wusste ich, dass diese Geschichte etwas Besonderes ist und sie mir gefallen wird. Der Autor versteht es die Situationen bildhaft darzustellen. Das Kriegsgeschehen, die trübe Stimmung und die Verzweiflung der Männer sorgt für ein bedrückendes Gefühl bei Lesen. Im nächsten Moment passiert etwas, dass so ernst ist, aber so komisch dargestellt wird, dass man sich ein Lachen kaum verkneifen kann. Manchmal hatte ich das Gefühl in einer dieser urkomischen französischen Komödien festzustecken, deren Handlung zwar ein ernstes Thema in sich hatte, aber so groteske Szenen und Dialoge bot, dass man einfach nur lachen muss. Auch wenn der Roman einiges an Situationskomik zu bieten hat, ist er doch auch sehr ernst. Man liest über Korruption auf der einen Seite – Geld war schon immer ein Wegebner. Auf der anderen Seite sind die Kriegsheimkehrer, die Verwundeten, die Krüppel, die psychischen Wracks. Um sie schert sich niemand, sie müssen selber schauen wie sie zurecht kommen. Pierre Lemaitre hat diesen Spagat der Gesellschaft gut dargestellt und auch wenn sich neben Pradelle auch die beiden Freunde Albert und Édouard auf skurrile Art bereichern, kann man den beiden gar nicht mal böse sein. Selten habe ich einen Roman gelesen, dessen Protagonisten ich allesamt als gelungen bezeichnen würde. Pierre Lemaitre ist dies in “Wir sehen uns dort oben” aber gelungen. Sowohl die Sympathieträger Albert und Édouard, als auch Widerlinge wie Pradelle und all die anderen dubiosen, netten, liebenswürdigen käuflichen, deprimierten, verzagten Charaktere sind gut durchdacht und verkörpern die ihnen angegebene Rolle zu 100 Prozent. Pierre Lemaitre wurde in Frankreich für diesen Roman mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Das Buch erschien bereits 2014 als deutschsprachige Ausgabe. Ich bin erst in diesem Jahr durch die Taschenbuchausgabe darauf aufmerksam geworden.
    Das Cover finde ich auch sehr gelungen. Auf der einen Seite der junge Mann, der mit geschlossenen Augen auf dem Stuhl ruht und dann der andere Mensch ohne Gesicht, nur die Beine sind zu sehen. Sehr passend für Albert und Édouard.
    Mein Fazit:
    Das Ende makaber, aber passend. Eine lange nachhallende Geschichte. Besonders Édouards Part hat mich schockiert und fasziniert. Alber der liebenswürdige Jüngling, verzweifelter Freund, über ihn muss ich schmunzeln. Tage später geistern mir die beiden immer noch im Kopf herum. So soll es sein!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich entdecke diesen Fred erst jetzt, und zwar zu einem Buch, das in Frankreich echt Aufmerksamkeit fand. Zwar habe ich es, aber noch nicht gelesen. Nun musste ich aber doch stutzen, denn leider ist irgendetwas - eventuell auch eine kleine Modifizierung? - in diesem Fred schiefgegangenschief gegangen. Die ursprüngliche Rezension bezog sich eindeutig auf die "Comic" oder Graphic Novel Version, die LieLu in ihrer Rezi klar angab. Eingestellt als Cover wurde aber die Buchversion (während unter dem Beitrag dann doch die richtige Fassung steht?!), die natürlich seitenmässig viel umfangreiucher ist, und an die 530 Seiten hat. Vielleicht kann man hier noch eingreifen?


    Bitte an die Mods!

  • Eingestellt als Cover wurde aber die Buchversion (während unter dem Beitrag dann doch die richtige Fassung steht?!), die natürlich seitenmässig viel umfangreiucher ist, und an die 530 Seiten hat. Vielleicht kann man hier noch eingreifen?

    aus technischen Gründen können wir das leider nicht, aber wie Du selbst bemerkt hast, bleibt die direkt in der Rezension verlinkte Ausgabe die wirklich gelesene, in diesem Fall die Graphic Novel :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Exzellente Verfilmung von und mit Albert Dupontel des Romans von Pierre Lemaitre Au revoir là-haut über den 1. Weltkrieg und seinen Nachwehen. Toller Rhythmus, großartige Schauspieler und Kulissen, fantastische Masken. An wenigen Stellen war mir der Film zu melodramatisch, trotzdem unter dem Strich eine gelungene Literaturverfilmung.
    Hier geht es zum Trailer.