Wie gestalte ich eine ansprechende Leseprobe?

  • Hallo ihr Lieben!
    Ich plane, zu meinem Fantasy-Roman eine kurze Leseprobe zu erstellen. Da sie für einen Werbe-Flyer bestimmt ist, sollte sie wirklich ziemlich kurz (ca. 600 Wörter), aber dennoch aussagekräftig sein. Den Anfang der Geschichte oder gar das erste Kapitel zu verwenden kommt hier also leider nicht in Frage, da die Anfangsszene nicht in 600 Worten aufgelöst wird und den Leser vermutlich nur verwirrt.
    Natürlich sollte der Textauszug in erster Linie einen Einblick in den Schreibstil geben und im besten Fall das Interesse des Lesers wecken.


    Allerdings bin ich mir noch unsicher, worauf ich bei der Leseprobe den Fokus legen soll und schwanke nun zwischen mehreren Optionen:
    - ein Abschnitt, der den Protagonisten einführt (erstes Auftauchen, kurze Vorstellung des Lebensumfeldes, Anriss der Vergangenheit und seine Ziele)
    - ein Abschnitt, der sich auf den Geschichtentitel bezieht ( Aha-Effekt für den Leser, Erleben des "fremden" Protagonisten in Interaktion mit anderen)
    - ein Abschnitt, der die moralische Problemstellung in der Geschichte darlegt (liegt etwa in der Mitte des Buches, blickt auf Ereignisse zurück, Fokus auf emotionale Ebene, könnte jedoch Spoiler enthalten)
    - ein spannender oder atmosphärischer Abschnitt (ich weiß allerdings nicht, ob so völlig aus dem Zusammenhang wirklich Spannung oder Atmosphäre aufkommen kann)
    - ein Abschnitt, der die Hintergründe der Welt beleuchtet (wenig Fokus auf den Protagonist oder Atmosphäre / dafür Informationen zur Rahmenhandlung)


    Worauf legt ihr euren Fokus, wenn ihr Leseproben erstellt?
    Und welche Art von Leseproben können euch überzeugen?


    Ich freue mich über eure Tipps, Anregungen und Erfahrungen!

  • Also ich würde sagen, dass du dich bei einer Leseprobe für einen Werbe-Flyer auf eine Passage konzentrieren solltest, wo der Protagonist deiner Geschichte mit seinem zentralen Konflikt in die Handlung eingeführt wird. Dadurch würde der Leser zum einen natürlich einen ersten Eindruck von deinem Schreibstil bekommen und sich zum anderen bereits ein Bild davon machen können, was ihn - und deine Hauptfigur - im weiteren Verlauf deiner Story für Probleme und Herausforderungen erwarten wird.


    Eine mutmaßlich dramatische oder besonders emotionale Sequenz aus der Mitte deines Romans für die Leseprobe zu verwenden, klingt verführerisch, die Gefahr liegt aber m.E. darin, dass der Leser - um dieselbe Emotionalität und Dramatik bei der Lektüre dieser Leseprobe zu empfinden wie du beim Schreiben - deine Hauptfigur mit ihrer Persönlichkeit und ihren seelischen Konflikten schon ein wenig kennengelernt haben muss, um sich mit ihr identifizieren und wirklich mitfühlen zu können.


    Sicherlich ist es auch möglich, eine solche Passage für seinen Flyer zu benutzen, da man ja so oder so einen Eindruck von dir als Autorin und deiner Geschichte erhält. Wenn du aber vemeiden möchtest, dass der potenzielle Leser den Fokus mehr auf seine eigene Ratlosigkeit richtet ("Mhm, worum geht es denn jetzt überhaupt, was sind das für Figuren, in welcher Beziehung stehen die denn, usw.") als auf das Eintauchen in deinen Text, würde ich persönlich empfehlen, eine einführende Passage vom Anfang deines Romans zu verwenden. Auch ein Prolog würde sich hierfür in meinen Augen gut eignen (sofern er in irgendeiner Weise figurenorientiert ist und nicht beispielsweise ein abstrakter und auktorialer historischer Abriss deiner Fantasy-Welt oder des Italiens des 16. Jahrhunderts, wo deine Geschichte spielt).

  • Hallo @polarfuchs,


    ich denke, dass Deine Zielsetzung "Leseprobe" etwas konträr zum eigentlichen Sinn eines Flyers ist. Da Dir nur ca. 600 Worte zur Verfügung stehen, wird es Dir kaum möglich sein, neben der eigentlichen Geschichte noch Deinen Schreibstil bzw. Deine Autorpersönlichkeit hineinzubringen. Dass der Inhalt so stark komprimiert werden muss, manipuliert Deinen Schreibstil unweigerlich.


    Also ich würde sagen, dass du dich bei einer Leseprobe für einen Werbe-Flyer auf eine Passage konzentrieren solltest, wo der Protagonist deiner Geschichte mit seinem zentralen Konflikt in die Handlung eingeführt wird.

    In der Hinsicht stimme ich @Susanne G voll und ganz zu. Das Wichtigste ist die Verknüpfung zwischen Protagonist und dessen Zentralkonflikt. Wenn Du dies auf ca. 600 Wörter darstellen willst, landest Du schlussendlich beim inhaltlichen Klappentext Deines Buches. Darüber handelt Deine Geschichte und darum gehört genau das auf den Flyer. Solltest Du dies so umsetzen wollen, wären die Schritte 1 - 4 der Snowflake-Methode von Randy Ingermanson eine gute Hilfe dabei (Link: englisch / deutsch).


    Eine moralische Entwicklung als Slogan oder Prämisse wäre ebenfalls eine gute Möglichkeit, mit wenigen Worten neugierig zu machen. Ein allgemeines Beispiel: "Krieg macht auch den Edelsten zum Unmenschen." Das wäre dann sozusagen ein Satz auf dem Flyer, in dem die Entwicklung vom Ausgang (edler Protagonist ...) über den Konflikt (... wird durch Krieg ...) zum Ergebnis (... zum Unmenschen) angedeutet wird. Eine solche Prämisse wäre übrigens auch der erste Schritt bei der Snowflake-Methode.


    ein Abschnitt, der die Hintergründe der Welt beleuchtet (wenig Fokus auf den Protagonist oder Atmosphäre / dafür Informationen zur Rahmenhandlung)

    Interessante Idee, aber für die Welt eignet sich der Flyer selbst als visuelles Medium. Warum einen Text über die Welt schreiben, wenn Du sie grafisch darstellen kannst? Je besser Du eine Vorstellung von Deiner Welt hast, umso anschaulicher wirst Du sie grafisch umsetzen können. Grafiker-Fähigkeiten sind von Vorteil, aber es muss ja kein Picasso werden. Die Verwendung von Concept Arts ist beispielsweise eine beliebte Alternative (Fans lecken sich danach immer die Finger).


    Ich habe bisher nur Lesezeichen selbst gestaltet, von Flyern habe ich abgesehen, da sie zu sehr den Ruf von "(anschauen und) wegwerfen" haben (wie oft werden einem auf der Straße ungewollt Flyer angedreht, die man im nächstgelegenen Mülleimer entsorgt?). Lesezeichen hingegen erfüllen für Lesebegeisterte einen nützlichen Zweck.
    Auf die Vorderseite kamen das Cover sowie einige allgemeine Informationen (Autor, Buchname, Verlag, Seitenzahl, Medium (TB / eBook), ISBN-Nummer, Preis, WebSite) während auf der Rückseite der Klappentext des Buches zu finden war.


    Appetizer sind natürlich nicht zu verachten - Andeutungen wie:
    - das beste Buch von @polarfuchs
    - die einzigartige Welt des @polarfuchs
    steigern ebenfalls das Interesse. Man sollte nur nicht zu dick auftragen und definitiv Vergleiche wie " @polarfuchs = der neue King of Horror" oder "eine Welt besser als Pandora" vermeiden wegen der rechtlichen Konsequenzen.


    Wenn der Flyer das Interesse des Lesers geweckt hat, informiert er sich von selbst näher über das Buch. Da wäre dann die Zugänglichkeit zu einer längeren, kostenfreien Leseprobe Deines Romans der Schlüssel. Eine Kaufentscheidung ausschließlich anhand des Lesezeichens / Flyers ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich.


    Liebe Grüße
    Chris Bennett

  • Ich würde an so eine kurze Leseprobe inhaltlich zwei wesentliche Kriterien anlegen:


    1.) Sie muss das Genre wiederspiegeln. Bei Fantasy sollte sie also ein fantastisches Element enthalten (und wenn auch das Subggenre ersichtlich wird, um so besser.
    2.) Sie sollte prägnant sein. Der Leser sollte sich nach dem Lesen an Teile davon erinnern können. Obwohl in einem guten Buch auch viele alltägliche Dinge gesschehen und Worte gewechselt werden, sollte eine kurze Leseprobe möglichst wenig davon enthalten.


    Ein Cliffhanger ist möglich. Es kann auch mit zwei bis drei sehr kurzen Zitaten gearbeitet werden, die durch Bilder und Zwischentext verknüpft werden.

  • Entschuldigt, dass ich mich erst jetzt melde, ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass mir jemand bei diesem Thema weiterhelfen kann und befinde mich zurzeit im Urlaub. Vielen lieben Dank für eure Antworten und Meinungen.


    @Susanne G Ich habe mir inzwischen auch meine Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es am sinnvollsten wäre, den Protagonisten einzuführen, wie du mir auch geraten hast. Eine aus der Luft gegriffene Szene, die mir vielleicht gut gefällt, weil ich die Atmosphäre "kenne" kann auf die neugierigen Leser schnell zusammenhangslos und verwirrend wirken.


    @chris_bennett Als visuelles Medium wird der Flyer ohnehin genutzt, es handelt sich um ein Klapp-Exemplar mit insgesamt sechs Seiten, nur die "inneren" drei sollen für eine Leseprobe herhalten. Die Titelseite enthält das Buchcover, hintendrauf kommt der Pitch und eine grafisch zum Cover passende Attribute-Liste (Action 5/5, Anspruch 3/5, etc.) Ich dachte mir, dass gibt dem Leser schon mal einen ersten Eindruck, bevor er den Flyer überhaupt öffnet. Auf der Innenseite sind dann kurze Informationen zum Buch zu finden. (Welches Genre, welche empfohlene Altersklasse, welche Themen, etc. und natürlich Informationen zum Autor, Homepage, Facebook etc.) So will ich den Interessierten mit diesem Flyer einen Rundumblick bieten. Dennoch hast du recht damit, dass diese Art Werbemittel vermutlich als Wegwerf-Artikel dienen wird. Aber bevor er weggeworfen wird, soll der die potenziellen Leser gut informieren und vielleicht sogar unterhalten, so dass etwas hängenbleibt. Du hast geschrieben, dass du Lesezeichen gestaltet hast. Darf ich fragen, über welchen Anbieter du den Druck dafür in Auftrag gegeben hast. Ich habe bis jetzt (im Internet) nur Druckereien gefunden, die keine Lesezeichen anbieten oder unverschämte Preise haben. Wenn du etwas oder jemanden empfehlen kannst, würde ich mich freuen.


    @Martin Hühn
    Ehrlich gesagt, habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht, dass im Genre Fantasy in der Leseprobe auch Fantasy enthalten sein sollte und habe darauf speziell gar nicht geachtet. Ich bin mir auch etwas unsicher, ob die meisten Leute wenn sie direkt mit zu viel "Fremdem" überschüttet werden, nicht den roten Faden in der Leseprobe verlieren. Ich kenne das von mit selber: Wenn mich zu viel Unbekanntes auf einmal am Anfang eines Buches anspringt, muss ich mich erst einmal da hineinlesen. Bei 600 Worten wird das ein schwieriges Unterfangen. Ich denke, du meintest auch nicht, dass ich den Leser direkt mit Fantasy bombardieren soll, sondern einfach nur darauf achte, dass sich auch ein gewisser Anteil Fantasy im Text befindet. Meinst du, da würde der Name einer fremden Rasse reichen, wenn auf den übrigen drei Flyerseiten bereits erklärt wird, dass es sich um einen Roman im Bereich High-Fantasy handelt?

  • Ich denke, du meintest auch nicht, dass ich den Leser direkt mit Fantasy bombardieren soll, sondern einfach nur darauf achte, dass sich auch ein gewisser Anteil Fantasy im Text befindet. Meinst du, da würde der Name einer fremden Rasse reichen, wenn auf den übrigen drei Flyerseiten bereits erklärt wird, dass es sich um einen Roman im Bereich High-Fantasy handelt?

    Ja, klar, das müssen und sollten nur Kleinigkeiten sein. Welche das sein können, hängt auch maßgeblich von deiner Geschichte und von den zur Verfügung stehenden Passagen ab. Wenn der Name der fremden "Rasse" als solcher zu erkenen ist und nicht etwa mit einem irdischen Volk zu verwechseln ist, sollte er den Zweck wohl erfüllen. Auch Zauberei, Monster/Fabelwesen, andere phantastische Naturphänomene usw. wären geeignet - aber natürlich nicht alles auf einem Haufen.


    Das gleiche Prinzip gilt für den Aspekt der Prägnanz. Schon ein einzelner unvergesslicher Spruch aus dem Mund eines Charakters kann z. B. ausreichen. Die Passage sollte auch mit so etwas nicht so überfrachtet sein, dass sie isoliert billig wirken könnte. Hauptsache irgendwas darin ist ein gutes Mem.