Autor: Max Frisch
Titel: Der Mensch erscheint im Holozän, erschien erstmals 1979
Seiten: 160 Seiten
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 9783518372340
Der Autor:
Max Rudolf Frisch, am 15. Mai 1911 in Zürich geboren und dort am 04. April 1991 gestorben, war ein Schweizer Schriftsteller und Architekt. Bekannt wurde er sowohl durch seine Theaterstücke (Andorra, Biedermann und die Brandstifter,...) als auch mit seinen Romanen (Homo Faber, Stiller,...), die häufig auch an Schulen zum Unterricht durchgenommen werden.
Inhalt:
Herr Geiser ist Witwer und lebt alleine in einem kleinen Dorf im Tessin, das derzeit wegen Unwetters von der Aussenwelt abgeschottet ist. Tagelang regnet es, sodass keine Gartenarbeit möglich ist und Herr Geiser sogar befürchtet, dass der Berghang ins Rutschen kommt und das Dorf begraben wird. Die einzigen Bücher zuhause sind Lexika, Sachbücher über Gartenpflege und die Geschichte des Kantons Tessin. Er beginnt darin zu lesen, und da man sich schwer Namen und pure Daten merken kann, beginnt er zuerst wichtige Fakten aufzuschreiben und später einfach die Artikel auszuschneiden. Die Zettel mit Fachwissen zu Dinosauriern, Gletschern, die Entstehung des Menschen, den Bahnanschlüssen nach Basel, mathematischen Formeln, etc werden im Haus verteilt. Zunächst noch wenig besorgniserregend, ändert sich sein Verhalten in dieser Einsamkeit zunehmend. Plötzlich mag er nicht mehr aus dem Haus, und Gäste sollen seine Zettelwirtschaft auch nicht unbedingt sehen. Weshalb er den Hut den ganzen Tag in der Wohnung trägt, weiss Herr Geiser auch nicht recht. Die Katze stört schon länger, und wo hing das Bild der verstorbenen Gattin ursprünglich? Erstmal hinter den Schrank damit. Irgendwann macht er sich zu Fuss über den Pass auf den Weg nach Basel zur Tochter, aber wozu eigentlich?
Kurz gesagt ist es eine Parabel über das Altern und dem häufig damit verbundenen Gedächtnisverlust. So wie der Regen das Tessiner Dorf beherrscht und ein Bergrutsch droht, so beginnt Herrn Geisers Gedächtnis allmählich "den Anschluss zur Aussenwelt" zu verlieren.
Meinung:
Eine Geschichte über das Altern, welche Max Frisch 1979 nach "Montauk" veröffentlichte. Inwieweit die Geschichte autobiographisch ist (Dorf im Tessin, Angst vor Gedächtnisverlust), darüber können sich Literaturwissenschaftler streiten. Im direkten Vergleich gefiel mir "Montauk" auf jeden Fall besser, vielleicht auch, weil mir die collagenhafte Erzählung und der knappe Erzählstil zunächst nicht zusagten. Die Lexikoneinträge, Notizen, Artikel in Frakturschrift, die Herr Geiser für wichtig erachtet, sind sozusagen im Text "eingeklebt" - der eigentliche Text ist somit ständig unterbrochen von Skizzen und Zettel, die auf den ersten Blick nichts mit dem Unwetter oder Herrn Geisers Leben zu tun haben. Ausserdem wird die eigentliche Geschichte mit häufig ganz kurzen, "verdichteten" Sätzen erzählt. Nicht mühsam, aber etwas ungewohnt. Dennoch, mit ein paar Tagen Abstand, beschäftigt mich die kurze Lektüre doch weiterhin, was für mich meist ein Qualitätsmerkmal bedeutet. Beim zweiten Durchblättern bemerkt man nun weitere Hinweise, Deutungsmöglichkeiten, liest die zunächst für langweilig gehaltene Lexikoneinträge doch sorgfältiger und entdeckt Referenzen zu einigen Bemerkungen (so erschien der Mensch gar nicht erst im Holozän...) Mit zunehmendem Abstand gefällt mir die Geschichte doch etwas besser als ich sie zuerst bewertet hatte. Ein experimentelles Buch, vor allem für Max Frisch-Fans interessant, aber ganz sicher nicht geeignet zum Einstieg in sein Werk.