Filip Florian – Alle Eulen / Toate bufnițele

  • Filip Florian – Alle Eulen / Toate bufnițele
    (Deutsche Übersetzung aus dem Rumänischen von Georg Aescht)


    Filip Florian, geboren 1968, ist ein rumänischer Schriftsteller und Journalist. Nach dem Studium der Geologie und der Geophysik an der Universität Bukarest arbeitete er als Redakteur bei einem rumänischen Kulturmagazin, später für Radio Free Europe und die Deutsche Welle. Heute ist Filip Florian einer der erfolgreichsten jungen rumänischen Autoren (Kleine Finger; Alle Eulen) mit Übersetzungen in zahlreichen Ländern.

    Zitat von Matthes & Seitz Berlin

    Ungleiche Freunde sind Luca, der Junge aus der Kleinstadt, und Emil, der nach einem bewegten Leben in der großen Stadt Bukarest unverhofft in der Provinz landet. Emil öffnet Lucas Blick und Geist für Literatur und Musik, Luca schenkt ihm seine Neugierde und liefert den letzten Dorfklatsch. In den Nächten des Karpatensommers streifen die beiden durch die Wälder, durchdringen die wilde, mythenreiche Berglandschaft und lernen die Sprache der Eulen. Ein zarter, mit spitzbübischem Humor erzählter Roman von großer Klugheit, der mit Sprach- und Fabulierlust die großen Geschichten zweier kleiner Leben erzählt. Filip Florian gelingt mit diesem Buch ein leidenschaftliches Lob der Freundschaft und zeigt, dass es bisweilen reicht, seinen Blickwinkel leicht zu ändern, um glücklich zu sein und die Fülle des Lebens zu sehen.

    Wir schreiben das Jahr 2000. Eine Kleinstadt in den Karpaten und ein Bubenstreich, dem die Strafe in Form von handfesten Prügeln folgt. Da schreitet ein älterer Herr ein und erlöst den Lausbub. Ein Zufall, der die beiden Menschen – den 1940 geborenen Emil und den im Revolutionsjahr 1989 geborenen Luci - miteinander verbinden wird. Der pensionierte, herzkranke Ingenieur gehört zur Generation der Kriegskinder, die ihr Erwachsenenleben unter dem rumänischen Kommunismus verbracht haben. Der bald pubertierende Luci kennt nur die Zeit der großen gesellschaftlichen Umwandlungen in einem weiterhin rückständig verbleibenden Land.


    Einzeln und auch zusammen durchstreifen die beiden Freunde die umliegende waldige Bergwelt der Karpaten. Diese Wanderungen, gemischt mit den Familien- und Lebenserinnerungen des einen, dem jugendlichen Schabernack des anderen, geben die wechselnden Kapitel des Romans ab.


    Welcher Charme geht von einem Text aus, der seinen Leser subtil gefangen nimmt? Kunstvoller Leichtigkeit der Prosa Filip Florians, anschauliche Sprachbilder, überraschende Metapher, subtile Beiläufigkeit von ausufernden Sätzen.


    Luci, von seinen Eltern vernachlässigt und ohne Kontakt zu seinem großen Bruder, hofft in Emil einen Lehrmeister jenseits der Schule zu finden.

    Zitat von Filip Florian

    Ich sah mir auch die anderen Bücher an, alle hatten sie, egal in welcher Sprache, nichts als Vögel zum Gegenstand und enthielten unzählige Zeichnungen, Fotografien und Schaubilder zum Wander- und Nistverhalten. Von den insgesamt sieben Büchern handelten vier von Eulen, und das in einer Vielfalt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. In mir keimte, während ich darin blätterte, die Hoffnung, der Mann in der Küche sei ein Weiser, der Bescheid wüsste über alle Dinge unterm Sternenzelt und der mich mit seinen braunen Augen und reglosen Pupillen lehren könnte, im Dunkeln zu sehen.

    Luci wird nicht enttäuscht werden. Emil lehrt ihn nicht nur die Natur zu ehren und zu verstehen, er legt ihm auch subtil Literatur und Musik ans Herz.


    Bald schon entdeckt Luci, dass Emil sich auf die Sprache der Eulen versteht:

    Zitat von Filip Florian

    Wieder führte er den Finger an die Lippen, seine andere Hand schnitt kurz durch die Luft, damit klar war, dass ich stumm zu bleiben hatte, er räusperte sich leise, ohne auch nur zu hüsteln, dann stieß er einen merkwürdigen Schrei aus, in mehreren Tonlagen, die alle mal lang, mal kurz anklangen, laut, voller Wehmut, aber auch voller Entzücken, einen Schrei, der mich erst recht verstummen ließ, weit über das hinaus, was ich ihm versprochen hatte und was der Anstand gebot. … Wieder und wieder sandte er den Schrei in die Stille rundum, bis er aus der Ferne, aus dem Innersten des Waldes und den Dünsten des Abends, eine gleichlautende Antwort bekam, eine Art Jauchzer mit einem Singsang aus herzzerreißendem Gram, Anklängen von Wehmut, dem Rauch der Einsamkeit und Freudentönen, dabei schien die Stimme, jenseits der Klage und Gemütslagen, nicht von dieser Welt. … Alsbald schwebte durch die Schatten der Dämmerung ein träger Vogel, wie ein Adler kreiste er mit weit gebreiteten Schwingen einige Male über der Wiese, immer tiefer, bis er schließlich eine Buche zu seinem Sitz erkor.

    Es sind keine besonderen außergewöhnlichen Leben von denen Filip Florian erzählt. Sie sind ihrer Zeit gemäß unscheinbar, jedoch fein detailliert beobachtet. Luci wird Angestellter von einer Wetterstation. Emil verschwindet wieder aus der Kleinstadt inmitten der rumänischen Karpaten, nicht ohne Luci ein Heft mit autobiografischen Notizen überlassen zu haben. Zwischen seinen zeitlich genau abgestimmten Meldungen, findet Luci Muse seine Kindheitserinnerungen in ein Heft einzutragen, das ihm Emil geschenkt hat.


    Beide Niederschriften ergeben abwechselnd das vorliegende Buch. Absolut lesenswert, nicht nur für Naturliebhaber und Leser, die Lebenserinnerungen mögen.

  • Die Bücher im Buch (nur ein Beispiel von mehreren)
    Der rumänische Schriftsteller Filip Florian lässt in "Alle Eulen" den älteren pensionierten Ingenieur Emil von seinem Großvater erzählen, der im Gefängmis der Securitate mit einem Mitgefangenen eine Liste der besten Lyrik-Sammlungen zusammenstellt.


    - Kopfkissenbuch von Sei Shonagon
    - Duineser Elegien von Rainer Marie Rilke
    - Alkohol von Guillaume Apollinaire
    - Auf das Leben der Madonna Laura von Francesco Petrarca
    - Balladen von François Villon

  • Die Musik im Buch (ein Beispiel unter mehreren):


    "Mit Emils Schallplatten entdeckte ich Amerika stets aufs Neue, mir war, als sähe ich nach so manchen auf See zugebrachten Monden das Ufer, manchmal spürte ich, wie mein Herz raste, als wollte es die Brust sprengen. Damals, von Juni bis September, überquerte ich dreimal den Ozean: einmal mit Janis Joplin und Piece of My Heart, dann mit dem Requiem von Mozart, jenem jungen Mann mit Perücke, dessen Bildnis die Verpackung von Schokoladenbonbons zierte, und schließlich mit Nino Rosso und seiner Trompete in Uomo Solo." (Kapitel IV)