Dietmar Kienast - Cato, der Zensor

  • Die mythische und mythisierte Person des M. Porcius Cato Censorius zwischen Interpretation und eigener Persönlichkeit: eine "Biographie" von Kienast.




    Ob rationaler Kapitalist (Gummerus) oder oppositioneller Reformer (Mommsen), in der älteren Altertumswissenschaftdes später 19. und frühen 20. Jahrunderts rief unsere Figur viele kontroverse Reaktionen hervor: M. Porcius Cato Censorius oder auch kürzer Cato Maior (= der Ältere). Neuere Ansichten aus unserem späten 20. und beginnenden 21. Jh. werde ich nicht erwähnen, da das Buch, das ich Euch, werten Lesern, heute präsentieren will, selbst bereits recht alt ist: "Cato der Zensor. Seine Persönlichkeit und seine Zeit" von Dietmar Kienast aus dem Jahr 1954. Somit kann der Autor bereits zeitlich betrachtet keine neuere Literatur miteinbinden.


    Aber das ist auch nicht unbedingt nötig ! Also, trotzdem werde ich mir natürlich irgendwann einmal aktuellere Werke über Cato ansehen. :D Dennoch sind bereits in späterer römischer Zeit nach Cato (er lebte etwa 230 bis 149) zur Zeit Ciceros (106-43) und Livius' (etwa 60 v. bis 20 n.) mehrere idealisierte und widersprüchliche Bilder entstanden. Einerseits galt Cato als der Römer schlechthin, als Verteter und strenger Repräsentant des Altrömertums, und andererseits existierte von ihm das Bild eines griechenhassenden und unmoralischen Geizhalses (S. 24). Diese Tradition der widersprüchlichen Bewertungen setzte sich anscheinend die letzten Jahrhunderte immer weiter fort, wie die Beurteilungen Catos durch Gummerus und Mommsen in meinem 1. Satz zeigen (das entspricht den S.7-9). Das heißt, wir haben es hier mit einer Person zu tun, die auf sehr interessante Weise von vielen Personen späterer Zeiten (nach Catos eigener Zeit also) immer wieder instrumentalisiert reinterpretiert wurde. Ähnliches passiert mit zahllosen Personen der Antike: Alexander (menschenverachtender Invasor ODER glänzender militärischer Taktiker), Caesar (brutaler Tyrann ODER weitblickender Staatsmann), Cicero (stolzer und tatkräftiger Republikaner ODER selbstüberheblicher Jammerlappen).
    Und mit diesen zeitgenössischen Bildern beginnt sich auch unser Autor Dietmar Kienast auseinanderzusetzen, wenn er sein Werk mit Quellenarbeit beginnen lässt ("I. Die Catobiographie Plutarchs und ihre Quellen", S. 10-25). Hier betreibt textgebundene Quellenforschung und versucht die literarischen Thematisierungen über Cato bachzuzeichnen. Unsere Hauptquelle zu Cato ist die antike Biographie über ihn vom römischen Griechen Plutarch. Plutarch selbst lebte jedoch selbst lange Zeit nach Cato, nämlich um 100 n. (das sind 200-300 Jahre später ! Ein allgemeines Problem innerhalb der Altertumshistoriographie <.<). Daher bezieht Kienast in diesem Kapitel auch all die Quellen mit ein, die es in der Zwischenzeit zusätzlich noch zu Cato gab. Eine ganze Cato-Biographie soll der historische Biograph Nepos geschrieben, wenn ich das richtig verstanden habe. Doch diese leider im Laufe der letzten beiden Jahrtausende verloren gegangen (nur eine kurze für den Schulgebrauch ist noch übrig). Doch nimmt Kienast eine große Wirkmächtigkeit für diese an (S. 12). Eine weitere Person, die viel über Cato geschrieben hat und diesen als großen Römer feierte war Cicero.




    Nach der obligatorischen groben Nachzeichnung der zeitgenössischen römischen Geschichte ("II. Die römische Gesellschaft um 200", S. 25-33) zeigt uns in groben chronologischen Etappen das Leben des Cato. Denn alles in allem muss man über unsere Quellen zu diesem Mann doch sagen, dass sie einfach sehr wenige sind. Demenstprechend muss auch die Besprechung der jüngeren Zeit (bis zum Umzug nach Rom 210) und des räumlichen und familiären, sowie sozialen Umfelds (S. 33-8) sehr knapp ausfallen. Cato stammte aus dem römischen Municipium (eine italische Stadt mit römischen Bürgerrecht ?) Tusculum und aus einer dortigen reichen und alteingesessenen Landadelfamilie (das "reich" ist schon nicht mehr zu 100% sicher). Noch vor seinem Umzug nach Rom und kurz danach (im Rahmen des 2. Pun. Krieges bei Sena Gallica 207) macht Cato seine ersten militärischen Erfahrungen. Bezeichnend für die schlechte Quellenlage benutzt Kienast Wendungen wie "Schon im Jahre 202 hört man wieder von Cato...". Trotzdem lässt sich sein Cursus honorum (die Ämterlaufbahn) nachvollziehen, die er im Jahre 205 als Quästor beginnt und sich durch seine Verwaltungspräzision direkt in Konflikt mit dem amtierenden Konsul P. Cornelius Scipio begiebt (S. 38). 199 wird er Ädil und durch seine hervorragenden Spiele und Gewissenhaftigkeit direkt 198 zum Prätor gewählt (S. 42). Und als Prätor kümmert er sich darum, die schlimmsten Auswüche des im ihm zugelosten Sardinien einzudämmen. In seinem Konsulat (195) zeigt er in Spanien seine militärischen Fähigkeiten und kann vorübergehend die dortigen Unruhen niederschlagen (S. 43-47).



    Auch nach seinem Konsulat bleibt Cato, wie es üblich ist bei der römischen Obershicht, politisch aktiv ("IV. Catos politische Stellung in den Jahren nach seinem Konsulat", S. 47-57). Er intensiviert seine politischen bsnde mit der römischen Stadtaristokratie, indem er eine Frau aus der Familie der Licinier heiratet (Cato wurde schon seit früheren Jahren von den Valerii Flacci unterstützt, ebenfalls aus der römischen Aristokratie; zur Heirat: Ehen waren in Rom meistens politisch). Er wird als Gesandter nach Griechenland geschickt, um dort die römische Sache zu vertreten, und erringt dort auch weitere militärische Erfolge bei seiner Beteiligung an der Schlacht bei den Thermopylen 191 im Römisch-Syrischen Krieg. Innenpolitisch hielt Cato Reden gegen einen gewissen Thermus, wegen der Auspeitschung von Munizipialmagistraten und wegen dessen kaltblütigen Hinrichtung von Geiseln (in den späten 190ern ?). Bis 189 hatte er sich scheinbar auch sehr eigennützig zu profilieren versucht, um in diesem Jahr Zensor zu werden. Im gegensatz zu allen anderen Ämtern ist dies ein Amt, dass lediglich alle 5 Jahre zur Wahl stand und dann allerdings anderthalb Jahre andauerte. Formell betrachtet war natürlich der Konsul der höchste Magistrat, nicht der Zensor. Dennoch war dieses Amt nur wenigen vorbehalten, hatte immer noch sehr weitreichende Befugnisse (Sittenaufsicht und die lectus senatus, also die Erlaubnis Leute in den Senat zu bringen oder sie daraus zu verstoßen) und war somit sehr prestigereich.
    Doch Cato fiel durch. Aber keine Sorge, werte Leser. Er würde wohl kaum Cato "der zensor" heißen, wenn er nicht doch noch Zensor werden würde. Und er wurde es auch, nur nicht jetzt. Dennoch hatte sich Cato bis hierher einen sehr guten Namen gemacht und hatte die Ämterlaufbahn zügig (Ädil und Prätor direkt hintereinander ! Das ist recht ungewöhnlich) und erfolgreich abgeschlossen (die Ämterlaufbahn war natürlich nciht juristisch fixiert, doch bildete der Konsulat bestimmt auch schon in dieser Zeit gewissermaßen den Endpunkt) (S. 56).


    In einer (für mich) recht undurchsichtigen Affäre kam es 187 in Rom zu einem Skandal mit den sog. Scipionenprozessen ("V. Die Scipionenprozesse", S. 57-68). Betroffen waren davon 2 Scipionen, die in den letzten Jahren militärisch überaus erfolgreich und politisch sehr einflussreich geworden waren. Einer von ihnen sollte nach seinem Krieg in Asien seine Rechnungsbücher offenlegen und sich daraufhin rechtfertigen. Der ältere Bruder zerriß anschließend die Bücher vor den Auger aller Senatoren, einerseits aus Stolz, andererseits bestimmt auch, um gewisse Einzelheiten zu vertuschen (S. 63). Cato etablierte sich hier als Ankläger und Redeführer. und das tat er erfolgreich, sodass er das hier gewonnene Ansehen tatsächlich dazu konnte, 184 mitsamt seinem Freund L. Valerius Flaccus zum Zensor gewählt zu werden.


    Und erst diese Zensur ("VI. Catos Zensur", S. 68-87) hat unserem Cato seinen Beinamen verschafft: Censorius (= der Zensor). Rom war zu dieser Zeit zwar schon seit vielen Jahren Hauptstadt eines sehr großen Machtbereiches, doch eine "Stadt" im wahrsten Sinne des Wortes war sie nicht wirklich. Die Zensoren dieses jahres (184) hatten also die dringliche Aufgabe, Baumaßnahmen einzuleiten und vor allem dafür die Geldmittel zu besorgen (S. 74). Und darum hat sich Cato anscheinend viel besser udn umfassender gekümmert als andere Zensoren in den Jahren vor ihm. Worin er sich auch als sehr tüchtig erwiesen hat, war die lectus senatus (vllt. erinnert Ihr euch: die Lesung der Senatsliste, um Senatoren ggf. rauszuwerfen und/oder aufzunehmen). Hier hat er mehrere Senatoren aus dem Senat geworfen. Das haben dann jedoch die Zensoren in den nächsten Amtsperioden nicht mehr so rigoros getan, sas wohl die Meinung über die Strenge dieses Vorgehens Catos gesteigert hat (S. 80-1). Doch bzgl. der Bautätigkeit ähneln sich die Zensoren nach Cato einander. Bes. bedeutend waren jedoch seine Handlungen bei einer Luxussteuer (die er einführte), bei einem Streit mit Pächtern (um die Vergabe von Bauaufträgen) und beim Rang der Senatoren, die er aus dem Senat verstieß (S. 86-7).


    In den folgenden Kapiteln bespricht Kienast einzelne Teilaspekte, die er für wichtig erachtet, um Cato in seiner Persönlichkeit besser zu verstehen. So hat Cato stets für die Integrität und Bedeutung des Senats als Gesamtinstitution gekämpft und damit die Mehrzahl der Senatoren "vertreten" ("VII. Catos politische Haltung", S. 88-101)- Andererseits war er ein Gebildeter selektiv-utilitaristischer Nutzer der griechischen Sprache und der hellenistischen Kultur und trat strikt dafür ein, das Griechentum keinesfalls unreflektiert zu übernehmen, was einigen Meinungen widerspricht, die nach Plutarch Cato als "Griechenhasser" betrachten ("VIII. Catos Verhältnis zur griechischen Kultur", S. 101-116). Nach außen hin in die Außenwelt war Cato ein rationaler und kalter Machtpolitiker, der immer wieder für die Zerstörung Karhagos eintrat, weil dort und in den nordafrikanischen Machtverhältnissen eine potenzielle Gefahr für die römische Herrschaft war ("IX. Cato und die römische Außenpolitik", S. 116-133).








    Diese Nacherzählung soll zeigen, wie intensiv sich Kienast mit dem zeitgenössischen Rom beschäftigt. In jedem Kapitel spricht Kienast sehr viel über Hintergrundkenntnisse, wie militärische Ereignisgeschichte, Kuturgeschichte des Eindringens des Griechentums in das römische Umfeld, Darstellung der Aristokratie, Präsentierung anderer wichtiger Personen dieser Zeit (zB Scipio Africanus) und so weiter. Denn wie gesagt, die Quellenlage zur Person (!) Catos ist mehr als bescheiden. Und daraus macht Kienast eine sehr gute Analyse der Zeit und der Umstände. Denn aus ihnen (und aus den sehr spärlichen Nachrichten zu Cato slebst) leitet unser Autor eine recht umfassende Charakterisierung Catos ab. Es ist tatsächlich weniger eine Biographie, doch macht Kienast das beste daraus. Methodisch geht er nämlich sehr vielfältig und flexibel vor. Bereits im Kapitel über die antike Quellenlage betreibt er bspw. eine gehörige Portion Quellenkritik, um die Catobilder anderer antiker Literaten zu rekonstruieren. Zusätzlich leistet er eine umfassende Re-/Interpretationsarbeit mit den überlieferten Redefragmenten Catos (die allesamt im Buch in der Originalsprache mitabgedruckt sind), um Positionen und Ansichten Catos herauszukristallisieren. Ähnlich methodisch interessant ist sein politischer Vergleich der Zensuren von Cato und den Zensoren der Folgezeit, die äußerst plausibel verläuft.
    Und das alles gelingt Dietmar Kienast wirklich gut.
    Was ihm ebenfalls sehr gut gelungen ist, sind die sehr pointierten und auf Cato zugeschnittenen, hist. Exkurse. Ich will nur auf die beiden Abhandlungen über die Aristokratiegeschichte und die griechische Kulturgeschichte hinweisen.





    Lest, wenn ihr die Möglichkeit und die Zeit/Lust dazu habt, auch in die folgenden Rezension rein:
    1. Rezension von Till, in: Gnomon 31,1 (1959), S. 62-66.
    Er schätzt das Buch ähnlich wie ich ein.
    2. Rezension von Hoffmann, in: Gymnasium 63 (1956), S. 462-4.
    Hoffmann setzt diese Untersuchung von Kienast in eine größere Forschertradition um Cato Mior und fragt nach weiteren Interpretationsmöglichkeiten und -ansatzpunkten. Sehr hilfreich und interessant. Prinzipiell bewertet er jedoch das Buch auch positiv.