Clamp - X/1999

  • Der Kampf um das Schicksal der Erde findet in Tokyo statt !



    Lange habe ich gezögert. Dieser Comic war einer meiner ersten. Er ist einer von denen, die mich am meisten geprägt haben. Und er ist mir bis heute einer der liebsten. Das wird hier in diesem Forum meine erste Rezension sein und gleich einen meiner absoluten Favoriten vorzustellen, ist vielleicht etwas gewagt. Und einen passenden Kommentar kann ich wohl kaum schreiben, der in Worte fassen kann, was ich von ihm halte. Dennoch will ich es heute versuchen.
    Heute will ich Euch den Comic "X" (1992 - ?) von der Zeichnergruppe Clamp vorstellen. Meine Meinung über diesen Comic steht seit vielen Jahren fest, deswegen sollt Ihr auch direkt wissen, dass ich wohl kaum ein Wort der Kritik äußern werde (und es auch nicht kann !). Denn an diesem Comic ist meiner Meinung nach so gut wie nichts kritisierbar. Ich werde hier auch tatsächlich über den ganzen Comic schreiben und nicht nur über den ersten Band.


    18 Bände sind es, die Clamp bereits zu X geschrieben und gezeichnet hat. Und sie haben ein übergeordnetes Thema: den Kampf um das Schicksal der Erde. Denn dieses Schicksal steht auf Messersschneide: einerseits zerstören die Menschen langsam, aber sicher ihren Planeten, andererseits will die Erde die Reform, um sich von der Zerstörungswut der Menschen regenieren können. Deshalb ist es so vorherbestimmt, dass im schicksalshaften Jahr 1999 14 mächtige Magier gegeneinander kämpfen: 7 Erddrachen kämpfen gegen 7 Himmelsdrachen. Die Himmelsdrachen sind von dem tiefen Glauben an die Menschheit erfüllt und verteidigen die Menschheit und den derzeitigen fatalen Zustand der Erde, denn sie hoffen darauf, dass die Menschen ihre Fehler erkennen und die Erde selbst retten. Die Erddrachen hingegen kämpfen stellvertretend im Sinne der Erde für die Reform und wollen den Planeten von der Menschheit befreien. Ihrer Überzeugung entsprechend ist es nämlich beinahe zu spät für die Rettung des Planeten und die Menschen werden ihre Fehler niemals erkennen.
    Also versammeln sich alle Menschen, "die mit dem Ende der Welt zu tun haben", vor oder im Jahr 1999 in Tokyo, um das Schicksal in ihrem Sinne zu entscheiden. Weil sich in Tokyo die meisten und mächtigsten magischen Schutz- und Bannkreise der Welt befinden, wird es das Zentrum des brutalen Kampfes: mit Gewalt versuchen die Erddrachen die alten und großen Symbole, die die Menschheit beschützen, zu zerstören und mit Verzweiflung, aber fester Entschlossenheit versuchen die Himmelsdrachen diese zu schützen. Doch nach und nach fallen immer mehr der Schutz- und Bannkreise.



    Doch Clamp verleiht der Handlung auch sehr viel an Emotionen, an Erwartungen, an Wendungen und an Hoffnungen. Denn wir folgen mit der Handlung meistens eben nicht diesem übergeordneten Rahmen, sondern den Erd- und Himmelsdrachen: und wir sehen, dass sie trotz ihrer Magier, trotz ihrer Macht, trotz ihrer Besonderheiten und trotz all der Kampfswut doch im Innersten nur eines sind: Menschen, die Wünsche haben.
    Der erste von denen, "die mit dem Ende der Welt zu tun haben", ist Kamui Shiro. Er ist nicht nur mächtig, kalt und derjenige, der das Schicksal der Welt entscheidet, sondern er ist auch unsicher. Mit ihm beginnt der Kampf um die Welt und mit ihm wird er enden. Seine erste schicksalsträchtige Entscheidung ist, ob er zu den Erddrachen oder zu den Himmelsdrachen gehören will. Erst als er innerlich auftaut, entscheidet er sich für eine der beiden Seiten und zu seinem größten Schmerz wird sein bester Freund zu seinem Gegenpart auf der anderen Seite, der auch noch seine beste Freundin (oder gar Geliebte ?) umbringt.
    Besonders seit diesem Moment lernen wir die 14 "Menschen" hinter den Bezeichungen der "Erddrachen" und "Himmelsdrachen" richtig kennen. Und wir lernen, dass praktisch keine einzige Kategorisierung möglich ist, denn die Gruppen sind nicht statisch; sie sind leicht fließend, gehen punktuell sogar ineinander über. Auf beiden Seiten herrschen Hass, aber auch Liebe; Respekt, aber auch Verrat.



    Himmelsdrachen und Erddrachen.
    Gut und Böse.
    Emotion und Kalkül.
    Grausamkeit und Rücksichtnahme.
    Schicksal und Selbstbestimmung.


    Das sind einige der Gegensätze, die in X herrschen. Doch früh genug müssen die Drachen, aber auch wir als Leser erkennen, dass es mehr Farbschattierungen gibt, als nur jeweils diese 2.




    Der Anlass für diesen kurzen Kommentar ist, dass ich in den letzten Wochen nach einigen Jahren wieder einmal X gelesen habe und wieder (wie beim letzten Mal) überrascht darüber war, wie unglaublich mitreißend und fantastisch X ist.
    Die Zeichnungen sind detailiert, liebevoll und vielsagend. Manchmal passieren schlimmste Ereignisse in einem einzigen Panel (= Bildkasten sozusagen), manchmal wird ein kurzer Moment in vielen Seiten und Panelen wiedergegeben, je nach dem was wie betont werden soll. Und genau das hat Clamp hier jedesmal richtig gemacht. Es gibt keinen Kitsch, keine Übertreibungen, keine überspitzten Zeichnungen.
    Die Handlungen zwischen den Protagonisten sind auch stets vollends plausibel. Ihre Charaktere sind glaubwürdig gezeichnet, haben allerdings auch Veränderungen und Widersprüche in sich. Sorata Arisugawa, einer der Himmelsdrachen, beispielsweise ist kurzangebunden, spontan, entschieden, laut, aber ist auch witzig/locker und zugleich tiefsinnig und ernst, wenn es angebracht ist. Kusanagi Shiyu, einer der Erddrachen, ist hingegen einer der Personen, die die Grenzen zwischen Himmels- und Erddrachen und zwischen "Gut" und "Böse" stark verwischen. Denn da er eine intensive Verbundenheit zur Natur hat, wird besonders an ihm die Motivation der Erddrachen einnehmend deutlich und sympathisch.
    Zum Handlungsrahmen habe ich zwar bereits einige Worte gesagt, doch möchte ich nochmal betonen, wie umfassend angelegt X auch an dieser Stelle ist. Da die Handlung so eng mit einem realen Schauplatz und realen Begebenheiten verknüpft ist (zB arbeitet der Himmelsdrache Seiichiro Aoki in einem wirklich existierenden Verlagshaus) gewinnt sie deutlich an Plausibilität, behält durch die stark magischen, religiösen und moralischen Aspekte dennoch eine intensive Distanz bei.



    Eigentlich will ich Euch noch vielmehr zu X erzählen, denn X ist es einfach wert. Wenn es euch ähnlich (oder vielleicht ganz anders ?) geht oder ich Euch sogar (ich will es gar nicht erhoffen) dazu verleiten konnte, mal in X reinzulesen: schreibt mir einen kurzen Kommentar hier drunter !


    Denn X ist einfach ein emotional befriedigender Comic. "Befriedigend" hört sich evtl. seltsam an, doch trifft es das vielleicht ganz gut. Auch bei mir als Leser wallen nämlich die Emotionen auf, wenn ich X lese, und ebenso so die Hoffnungen und Erwartungen. Dabei habe ich X schon so oft gelesen.




    Manchmal sind leider die Dialoge etwas seltsam abgehakt oder die Bilder leicht undifferenziert, doch ist das so selten, dass das überhaupt nicht in die Waagschale fällt.
    Das einzige, was mich an X wirklich fertig macht, ist: er ist bereits seit knapp 14 Jahren (2002) pausiert und endet abrupt mitten in der Handlung mit Band 18. 21 soll er evtl mal haben.




    Bloß in groben Zügen und in einfacheren Umschreibungen wollte ich Euch diesen Comic näher bringen. Dabei hoffe ich, dass es den Ansprüchen dieses Forums entspricht, wie ich hier geschrieben habe. Das soll ein erster Versuch sein. =)