Joseph Heller - Catch 22 / Catch-22

  • Inhalt
    Catch 22, also Falle 22 oder Trick 22 - das ist die ebenso irrsinnige wie ausweglose Dienstanweisung für das amerikanische Bombengeschwader, der zufolge Bomberpilot Yossarián nur dann von weiteren Einsätzen verschont bleibt, wenn er als verrückt anerkannt wird. Verrückt aber kann niemand sein, der sich weigern will, immer weitere großenteils sinnlose Einsätze zu fliegen. Also muss Yossarián ebenso wie seine Kameraden weiterfliegen, obwohl er sich die größte Mühe gibt, als verrückt zu erscheinen.
    (amazon.de)


    Nur, weil du paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind...


    Catch-22 (oder auch Catch 22, auf Deutsch zunächst als Der IKS-Haken veröffentlicht) – das ist heute ein stehender Begriff für paradoxe Situationen, für einen logischen Widerspruch, der jede Lösung unmöglich macht. Geprägt hat ihn Joseph Hellers Roman von 1961, vielleicht der (Anti-) Kriegsroman schlechthin. Heller bedient sich der Grotesken, um dem Leser den gesamten Wahnsinn des Krieges vor Augen zu führen: absurd, sinnlos, repetetiv und aberwitzig gestaltet er seine Geschichte, Adjektive, die sich leicht auch auf jedes beliebige Kriegsgeschehen übertragen lassen. Heller nimmt aber nicht nur den Krieg aufs Korn und damit zusammenhängend Obrigkeitshörigkeit, Patriotismus, Nationalismus und vor allem die Kriegsbürokratie, sondern auch die kapitalistische Gesellschaft und Religion.


    Catch-22 besteht aus 42 kurzen Kapiteln, die alle bis auf drei jeweils einer bzw. manchmal auch zwei Personen gewidmet sind. Tatsächlich dienen die titelgebenden Personen – Geschwaderkameraden und Freunde des Bombenschützen Yossariáns, Vorgesetzte und Bettbekanntschaften – nur als Aufhänger, um immer erneute absurde Episoden aus dem Alltag der US-amerikanischen Fliegerstaffel auf der italienischen Insel Pianosa zu schildern. Das Kriegsgeschehen an sich steht dabei nicht im Vordergrund. Die Geschichte verläuft nicht linear, sondern springt vor und zurück in der Zeit, macht es dem Leser dabei nicht immer ganz leicht herauszufinden, wann genau das jeweilige Kapitel stattfindet, wie es sich in die Chronologie einordnen lässt. Erst nach und nach fügt sich das Puzzle zusammen. Der Roman hat durchaus Struktur; die Pointe kommt manchmal spät, aber wenn sie kommt, dann weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.


    Als Groteske, als Karikatur ist Catch-22 natürlich stark überzeichnet, die Ereignisse genauso wie Personenbeschreibungen und Dialoge. Der absurde Humor baut darüber hinaus auf ständiger Wiederholung auf. Das, sowie Hellers Angewohnheit, auch alle Personenbeschreibungen gleich aufzubauen und Charaktere mit unglaublichen Ansammlungen von Adjektiven zu beschreiben, drei, vier, manchmal fünf hintereinander, oft paradox – das kann schon auf die Nerven gehen. Ich verstehe vollkommen, dass dieses Absurditätenkabinett nicht jedermanns/jederfraus Humorzentrum trifft. Ich habe das Buch sehr langsam gelesen, da fielen die ständigen Wiederholungen weniger auf. Das war vielleicht ganz gut so. Die schlichte Prosa ist wahrlich keine Offenbarung, die Einfachheit ist aber wohl auch gewollt.


    Selbst, wenn man wie ich über den eigenwilligen Humor lachen kann: Catch-22 ist einer dieser Romane, wo einem das Lachen irgendwann im Halse stecken bleibt. Die Grausamkeit des Krieges kommt hier an den Ecken durch; fast unmerklich zunächst, immer drastischer dann im weiteren Verlauf. Alle Absurdität, all die Marotten der amerikanischen Soldaten, all ihr wahnwitziges Verhalten: All das maskiert nur dünn, dass es hier um junge Männer geht, Jungs teilweise, nicht mal volljährig, die ihr Leben für „Ehre und Vaterland“ und ähnlichen Unsinn riskieren. Normal ist, wer Angst hat - eine Scheißangst zu sterben. Denn diese Angst ist berechtigt, wie sich immer wieder herausstellt. Hellers Geschichte, soviel sei verraten, endet aber nicht ohne Hoffnung.


    Urteil
    Wer Bücher mit klarer, chronologischer Handlung mag und Wiederholungen nicht leiden kann, wird mit Catch-22 vermutlich wenig Freude haben. Auch ich fand das Buch nicht immer einfach zu lesen, manchmal war es nervraubend, besonders aufgrund Hellers Adjektivitis. Gerade durch die absurde Erzählweise traf mich die Tragik der Ereignisse aber umso tiefer. Und obwohl sie Karikaturen waren, konnte ich als Leser doch eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufbauen, habe Aarfy gehasst, Milo genauso verabscheut wie bewundert, den Kaplan bemitleidet und hätte Nately manchmal am liebsten adoptiert. Außerdem mag ich das Absurde einfach, ich mochte ja auch M*A*S*H, die Serie, an die mich Catch-22 sehr erinnert hat. Da vergebe ich Heller auch mal, dass alle seine weiblichen Figuren willige Soldatenliebchen sind, die beim Anblick der Amerikaner sofort die Beine breit machen.
    Die Übersetzung von Irene und Günther Danehl fand ich auch recht gelungen, von einem "Say Uncle"-Witz mal abgesehen, der sich nicht so recht ins Deutsche übertragen lässt ("sag Onkel" ist hier einfach kein stehender Begriff).


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    (Es war allerdings eine eher dumme Idee, Catch-22 parallel zu Pynchons Die Enden der Parabel/Gravity's Rainbow zu lesen.)


    Über den Autor
    Joseph Heller wurde am 1. Mai 1923 in Coney Island in Brooklyn, New York geboren. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus der Ukraine. Mit 19 Jahren ging er zur Twelth Air Force, wurde auf Korsika stationiert und flog von dort 60 Kampfeinsätze als Mitglied eines B-52-Bomberkommandos. Das erste Kapitel zu Catch-22 veröffentlichte Heller 1955 unter dem Titel Catch-18 in einer Anthologie. Da zeitgleich zu seinem Roman auch ein Buch mit dem Titel „Mila 18“ erschien, wurde er auf Catch-22 umgetauft. Die Kritik reagierte verhalten auf Hellers Debüt, zunächst sah es nicht danach aus, als ob der Roman zum Erfolg werden würde. Als der Vietnam-Krieg ausbrach, traf Catch-22 allerdings den Nerv der Zeit, Mike Nichols Verfilmung von 1970 machte das Buch endgültig zum Welterfolg. 1994 brachte Heller die Fortsetzung Closing Time heraus, daneben schrieb er sechs andere Romane und drei Theaterstücke, darunter eine Bühnenadaption von Catch-22. Es sollte Hellers erfolgreichster Roman bleiben. Heller starb 1999 in East Hampton bei New York. (mit Material des Süddeutsche Zeitung Verlags und der Wikipedia)

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño