Katharina Höftmann - Erst wenn du tot bist

  • Fanny kommt nach Jahren als Kriegsreporterin in ihre Heimatstadt Stralsund zurück. Sie ist ausgebrannt, von Panikattacken heimgesucht und braucht dringend einen Neuanfang. Sie will buchstäblich bei Null beginnen, so beginnt folgerichtig auch das Buch mit Kapitel 0. Sie wird als Journalistin und Redakteurin der Ostsee Nachrichten arbeiten, also zurück zu ihren Reporterwurzeln gehen. Doch gleich nach ihrer Rückkehr findet sie beim Joggen eine angeschwemmte Tote am Strand.
    Die junge Frau, Melanie, gehörte zu der großen Zahl der Verlierer, sie stammt aus einer Alkoholikerfamilie, hat mehrere Kinder von verschiedenen Vätern, konsumiert wahllos Alkohol, Drogen und Sex; dass ihr kein normaler Tod beschieden ist, scheint folgerichtig.
    Fanny ist empört, dass der ermittelnde Kommissar, auch noch ihr Zwillingsbruder Lars, den Fall so schnell abschließen will und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Das Schicksal der jungen Frau geht ihr nahe. Außerdem ärgert sich über den kühlen Empfang ihres Bruders, die Entfremdung kränkt sie. Je weiter sie in das Milieu der heruntergekommenen Plattensiedlungen und ihrer lethargischen Bewohner eintaucht, desto drängender werden ihre Fragen. Ihr empathisches Wesen macht es ihr leicht, Kontakt zu Freunden und Begleiter der Toten zu finden. Vielleicht manchmal zu leicht.
    Das ist ein besonderer Krimi, die Journalistin als Ermittlerin hat einen ganz anderen Ansatz. Sie sucht nach gesellschaftspolitischen Bezügen und Aussagen, die Trennung Ost-West zu Beispiel, ist immer noch ein Thema und durch alte Vorurteile untermauert. Sie spürt die Angst der Stralsunder quer durch alle Gesellschaftsschichten über die große Zahl der Flüchtlinge, sie ist entsetzt über die Bunkermentalität der Einwohner und die dumpfen Parolen, die immer öfter laut werden. Dazu kommen überforderte Eltern und Kinder, die am Rand der Gesellschaft aufwachsen und trotz staatlicher Hilfen ausgegrenzt bleiben. Diese Themen hat die Autorin ihrer Protagonistin sehr geschickt mitgegeben. Gerade deshalb empfinde ich diesen Krimi als aktuell und lesenswert, der mir im Gedächtnis bleibt und viel Nachdenkliches mitgibt.
    Natürlich kommt auch die Spannung nicht zu kurz und die Annäherung der Geschwister durch den Fall ist sehr natürlich und sympathisch erzählt. Viele Nebenhandlungen und Bezüge lassen hoffen, dass Fanny in ihrer journalistischen Laufbahn noch öfters Möglichkeiten erhält, sich als Detektivin zu betätigen.
    Das Buch hat mir – bis auf eine Schlussszene, die ich etwas aufgesetzt und übermotiviert fand - gut gefallen und ich denke, dass Fanny Wolff noch viel Entwicklungspotenzial hat und freue mich auf weitere Fälle.
    Für mich eine tolle Entdeckung :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: