Diana Preston - In den eisigen Tod / A First Rate Tragedy: Captain Scott's Antarctic Expeditions

  • Inhalt
    Am 1. Juni 1910 sticht die "Terra Nova", ein britisches Expeditionsschiff unter dem Kommando des Marineoffiziers Robert Falcon Scott, in See. Die Mannschaft hat die beschwerliche Reise aber nicht nur mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, als erste Nation den Südpol zu erreichen, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse über diesen noch völlig unerforschten und lebensfeindlichen Kontinent zu gewinnen.
    Als der Kapitän in Melbourne die Nachricht erhält, dass sich der Norweger Roald Amundsen ebenfalls auf dem Weg zum Südpol befindet, beginnt gegen Scotts Willen ein Wettlauf mit der Zeit. Die am 1. November 1911 aufgebrochene Gruppe erreicht nach unvorstellbaren Strapazen am 17. Januar 1912 den Südpol, doch die Freude ist getrübt, haben die Norweger ihre Flagge bereits ein ganzes Monat vorher gehisst.
    Der etwa 1500 km lange Rückweg wird Robert Scott und seinen vier Begleitern, Edward Wilson, Henry Bowers, Lawrence Oates und Edgar Evans letzten Endes zum tödlichen Verhängnis.


    Mein Eindruck
    Die vor rund 100 Jahren so tragisch verlaufene Südpolexpedition hat die englische Schriftstellerin, Journalistin, Radio- und Fernsehautorin Diana Preston in ihrem Buch außerordentlich gut beschrieben, und faszinierend darzustellen vermocht.
    In der ersten Hälfte erfährt der Leser von Scotts beruflichem Werdegang und ersten Polarerfahrungen in der Antarktis. 1902 erreicht die Expedition ihren südlichsten Punkt, und ist auf diesem unwirtlichen Kontinent so weit vorgedrungen, wie noch kein Mensch zuvor. Bei seiner Rückkehr 1904 wird Scott mit Ehrungen überhäuft und als Held gefeiert. Doch weder seine Heirat mit der Künstlerin Kathleen Bruce 1908, noch die Geburt seines Sohnes, oder die Aussicht auf eine vielversprechende Karriere bei der Marine können ihn in der Heimat halten. Längst hat eine ganz andere Liebe sein Herz erobert, deren eisiger Schönheit er nicht zu widerstehen vermag.
    Richtig spannend wird es dann im zweiten Teil, als die Expedition zum Pol beginnt. Diana Preston gelingt es hervorragend, ihren Lesern die ganze Dramatik dieses Unternehmens vor Augen zu führen. Extrem schlechte Wetterbedingungen sind der Auftakt zu einem Reigen unglücklich verketteter Umstände, die dem harten Kern der Expedition letztlich das Leben kosten sollte. Obwohl mir der Ausgang bereits bekannt war, habe ich besonders auf dem Rückweg mit den fünf tapferen Männern gelitten, gebangt und gehofft, als ließe sich ihr Schicksal dadurch doch noch zum Guten wenden. Ihrem ehrenhaften, von Kameradschaftsgeist geprägtem Verhalten kann man nur höchste Anerkennung zollen.
    Unverständlich muss dem auf seinem sicheren Sessel platzierten Leser allerdings erscheinen, dass sich die geschwächte Truppe, deren Mitglieder mit Höhenkrankheit, Erfrierungen, Schneeblindheit, Hunger und allgemeiner Erschöpfung zu kämpfen hatten, noch für Gesteine "mit Abdrücken dicker Pflanzenstengel" interessierte, und sich mit den Proben eine zusätzliche Last von 16 kg Gewicht aufbürdete.
    Besonders gut gefallen hat mir, dass die Autorin Robert Scott nicht zum Helden stilisiert (der er zweifellos war), sondern ihn gerade mit allen seinen Fehlern, Schwächen, Ängsten und Zweifeln sehr menschlich und sympathisch charakterisiert. Ausführlich befasst sie sich nicht nur mit seinen oft kritisierten Führungsqualitäten und Expeditionsvorbereitungen, sondern arbeitet auch die unterschiedliche Auffassung von Scott und Amundsen bezüglich der Verwendung von Schlittenhunden als Hilfsmittel heraus. Immer wieder verweist sie in ihrem bemerkenswerten Buch auf Scotts große Tierliebe und sein Verantwortungsgefühl, das er auch den mitgeführten Ponys und Hunden gegenüber bewies. Von seinen Männern wurde er als "feiner Charakter" gemocht und respektiert.
    Trotz aller Bewunderung für Scott bleiben aber auch die Fehler nicht ungenannt, die ihm bei der Planung unterliefen. Als äußerst verhängnisvoll sollte sich die viel zu geringe Berechnung der Nahrungsmittel- und Brennstoffvorräte erweisen. Dass Skorbut auf einen Mangel an Ascorbinsäure zurückzuführen ist, wurde zwar erst Anfang der 1930-er Jahre erkannt, doch Scotts vorbereitete Rationen enthielten überhaupt kein Vitamin C.
    Sehr berührt haben mich auch die Auszüge aus dem Tagebuch des Kapitäns, das er mit unheimlicher Disziplin fast bis zum bitteren Ende führte. Der historische Bildteil im Anhang ist ebenfalls eine genauere Betrachtung wert, da vor allem die Landschaftsbilder den grimmigen Reiz dieses Erdteils erahnen lassen.
    Diana Preston berichtet zudem von ihren eigenen Recherchearbeiten auf Scotts Spuren, bei denen sie in einen schrecklichen Hurrikan geriet, und einen kleinen Eindruck von dem bekam, was ihr Protagonist und seine Begleiter durchgemacht haben müssen.
    Bestehen bleibt die Tatsache, dass Kapitän Scott und seine Männer eine beachtliche Leistung vollbrachten, und dabei Mut, Loyalität und ein außergewöhnliches physisches und psychisches Durchhaltevermögen bewiesen.
    Der Ruhm, den Südpol als erste Menschen erreicht zu haben, ohne die Dienste von Schlittenhunden in Anspruch zu nehmen, bleibt ihnen trotz ihres Scheiterns unbenommen.