Umberto Eco - Das Foucaultsche Pendel

  • Geburah 36


    Erlaubt mir einstweilen, meinem gegenwärtigen oder künftigen Leser einen Rat zu geben, so er tatsächlich Melancholiker ist: er sollte die Symptome oder Prognosen im folgenden Teil lieber nicht lesen, damit er sich nicht beunruhigt und am Ende mehr Schaden als Nutzen daraus zieht, indem er das Gelesene auf sich selber bezieht, wie es die meisten Melancholiker tun.
    Robert Burton, Anatomy of Melancholy, Oxford 1621, Einführung


    Ich muss mit der Einführung beginnen, denn obwohl ich dieses Kapitel zweimal :scratch: gelesen habe bin ich in tiefste Melancholie verfallen. Meine Güte Herr Eco was fällt ihnen ein mir einen solchen „Mist“ (Entschuldigung) vor die Nase zu setzen, keinen blassen Schimmer was ich davon zu halten habe. Ich kann mir gut vorstellen dass es einige Leser gab (in Zukunft geben wird) welche ihnen treu bis hierhin gefolgt sind, und versucht haben diesen Roman zu verstehen, jedoch nach diesem Kapitel „ am Boden zerstört“ sich sagten „Aus Ende Schluss“ und das Werk in die dunkelste Ecke der Bibliothek verbannten.


    Das folgende ist ein Versuch dieses Kapitel/File zu verstehen, es werden jedoch viele Fragen zurück bleiben.
    Der Herr Doktor Wagner ist präsent mit einem File.

    Zitat von Umberto Eco

    Der diabolische Doktor Wagner Sechsundzwanzigste Folge

    Ein Hinweis auf Richard Wagner von dem geschrieben wird „ war „diabolisch, arrogant, rücksichtslos - aber auch weichherzig, fair, verletzlich“?
    Belbo scheint durch eine unpassende Äusserung Doktor Wagner verärgert zu haben? Dieser jedoch…liess sich nichts anmerken ,

    Zitat von Umberto Eco

    Im Gegenteil, er antwortete, als wollte er mich verfuhren.Wie Charlus mit Jupien, Biene und Blüte.

    Die Anspielung auf „Wie Charlus mit Jupien, Biene und Blüte.“ ist entlehnt aus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Band 4 Sodom und Gomorrah“ von Marcel Proust wobei man in Kapitel eins erfährt was für eine Bewandtnis es damit hat.
    (Im Internet habe ich diesbezüglich nichts in Deutsch gefunden)


    Belbo vergleicht Doktor Wagner mit dem Marquis de Lantenac in Victor Hugos Dreiundneunzig.
    Wer es gerne ausführlich nachlesen möchte hier, übrigens mit interessanten Abbildungen


    Mir scheint Belbo hat sich etwas verrannt, sich blenden lassen, von einem Doktor aus Wien, praktizierend in Paris, ein Mann von Welt, eine Berühmtheit in gewissen Kreisen, welcher Seminare und Vorträge in Mailand geruht zu halten, geschmeichelt gefühlt wie dieser ihm die Freundschaft anbot.


    Bei einem Abendessen man spricht über Beziehungen - Doktor Wagner mischt sich ein - spricht über Scheidung – deren Folgen – nicht nur für die Beteiligten – auch Andere. Belbo fühlt sich angesprochen – reagiert entsprechend. Doktor Wagner relativiert das Gesagte. Belbo ist tief verletzt – es war die Wahrheit welche er geäussert hat.
    Hat sich der Herr Doktor Wagner mehr erwartet von der Freundschaft mit Belbo?
    Das scheint mir etwas eigenartig, denn eigentlich kennt er doch Belbo gut.


    Wieso erwähnt Belbo ausgerechnet in diesem File Bars, Bekanntschaften, Liaisons ohne tiefere Bedeutung?
    Muss ich mir darüber Gedanken machen?
    Sandra?
    Cäcilia die Freundin des Saxophonspielers?


    Dann ruft Belbo an, wer ist Sie? Spricht er vielleicht von Lorenza Pellegrini
    Wer ist der Andere? Ist der Andere wichtig, oder nur eine Nebenfigur?
    Man könnte tatsächlich denken er spricht von Lorenza Pellegrini
    Denn wie es scheint ist Belbo mit ihr liiert, jedoch ist sie noch gebunden.
    Zurück blickend auf den letzten Abschnitt in Kapitel 35 kann es nur so sein.
    (Freie Interpretation meinerseits)


    Schlussendlich weiss ich nun weder was der Herr Doktor Wagner in dieser Geschichte zu suchen hat, noch wird er eine Rolle spielen in den weiteren Geschehnissen, oder hat sich Herr Eco hier einen Scherz erlaubt, um den Leser aus dem Konzept zu bringen.
    Aber auch die erwähnten Frauen lassen mich ratlos zurück.
    Ich hoffe auf eure Hilfe @Marie, @Nungesser, @taliesin :flower:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Religiöse Trance - das ist so eine Sache, von der ich nicht weiß, was ich halten soll, und auch Eco hat mir keine befriedigende Antwort gegeben. Amparo wird als gescheite, intellektuelle und kritische Frau dargestellt. Was also ist mit ihr passiert?

    Vor allem kann ich mir vorstellen dass Herr Eco Amparo gehen lassen musste denn es war Zeit das Casaubon wieder nach Italien zurückkehrte. Und das war nur möglich ohne Amparo.
    Zugleich bot es ihm doch eine hervorragende Gelegenheit das Thema Trance anschaulich zu erklären. Dazu diente ihm wiederum Amparo wunderbar, denn damit wollte er ausdrücken dass auch Personen welche dem Element der Mystik kritisch gegen überstehen und sich von ihrem kühlen Verstand leiten lassen, verführbar sind.

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    Horst Lichter

  • Dazu diente ihm wiederum Amparo wunderbar, denn damit wollte er ausdrücken dass auch Personen welche dem Element der Mystik kritisch gegen überstehen und sich von ihrem kühlen Verstand leiten lassen, verführbar sind.

    Vor allem hört der kritische Verstand genau bei diesen Riten auf, denn da geht es um die Veränderung unserer gewohnten Wahrnehmung um die Einstellung bzw. Verlangsamung
    des inneren Dialogs mit dem wir unsere gewohnte Welt jeden Tag neu bestätigen. Trance ist der Eintritt in eine Welt in der Intellekt, Logik und kritischer Verstand an ihre natürlichen
    Grenzen stoßen. Trance ist nur mit dem Gefühl, mit dem Bauch wahrnehmbar, nicht mit dem Verstand. Amparo ist, so intellektuell sie sich auch gibt, durch ihr brasilianisches
    Blut sehr aufnahmefähig für diese alten, archaischen Riten und das hat Eco ganz hervorragend benutzt, um wie @serjena schon schrieb, Amparo aus dem Spiel zu nehmen. .


    So, jetzt nehme ich mir einmal Kapitel 36 vor. Ich glaube, dass Belbo ein extrem manipulierbarer Charakter ist, der sofort seine ganze Leidenschaft in alles eingibt, was ihm
    interessant oder auch liebenswert erscheint. Ein unsicherer Mensch, der in allem Halt sucht und so auch auf diesen ominösen Charakter Dr. Wagner hereinfällt, ohne kühl
    berechnend die Aussagen des Herrn Doktor zu hinterfragen. Später aber mehr...............

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Geburah 34


    (Wundert mich grad ein wenig, jetzt wo ich darüber nachdenke, den Islam lässt Herr Eco komplett aus. Oder habe ich was überlesen?

    Nein, ich glaube, du hast nichts überlesen (und wenn, dann müsste ich es auch überlesen haben). Das Buch erschien 1988 in Italien, damals galt der Islam zwar als eine der drei großen monotheistischen Weltreligionen, hatte aber für unser westliches Europa noch nicht die Bedeutung wie heute, d.h.: Man wusste, dass es ihn gab, aber er gehörte damals noch allein in den Orient.


    Ich muss schon wieder zugeben, dass ich sehr verwirrt bin. Die Schöpfungsmythen des Alten Testaments kenne ich ziemlich gut (konnte sie sogar vor zig Jahren im Original lesen :uups: ), aber diese zerbrochenen Gefäße, dieses Restlicht, diese abstrakten Begriffe aus der Kabbala, die ich nicht mit Leben oder konkreten Bildern füllen kann, fahren Karussell in meinem Kopf. :compress:


    Wir erhalten den ersten Hinweis, wo Casaubon sich derzeit befindet: 48 Stunden nach der Nacht im Pendel auf einem ruhigen Hügel.


    Dass das Mailand, in das er zurück kommt, so ganz anders ist als die Stadt, die er damals verlassen hat, dass er dadurch ziemlich konfus und haltlos ist, ist eigentlich klar und sehr menschlich. Wem ging es nicht schon so, wenn er nach einiger Zeit und vielen neuen Erfahrungen an den Ort alter Taten - das Elternhaus, den Geburtsort, die Schule oder Universität - zurückkam und alles völlig verändert wiederfand? Ist es nicht so, dass man zwar selbst Veränderungen mitmacht, wenn man "weg" ist, aber nicht glaubt, dass sich alles andere, das Gewohnte und Vertraute auch verändert? Man will sich selbst entwickeln, aber Mama, Papa und Zuhause sollen bitte immer und ewig die gleichen bleiben. :-s


    Der "Beruf", in dem sich Casaubon eingerichtet hat, würde mir auch gefallen. Es geht nichts über gesundes Halbwissen, das man zwecks Beratertätigkeit zu Spezialistenwissen aufbläht. Er wäre allerdings im Zeitalter von Google schnell arbeitslos. :(

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    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich hoffe auf eure Hilfe @Marie, @Nungesser, @taliesin

    Ich würde ja liebend gerne helfen, aber ich werde aus dem Buch nicht schlau. Geheimbünde, Verschwörungstheorien etc waren nie mein Thema. Die unzähligen Verweise auf historische Personen, von denen ich in den meisten Fällen noch nie gehört habe... echt mühsam. Jetzt weiss ich wieder, weshalb ich den Roman vor gut 20 Jahren abgebrochen hatte (Dabei fand ich den Namen der Rose hervorragend). Diesmal möchte ich tapfer durchhalten und Eure Kommentare helfen mir beim Verständnis, aber ich fürchte, ich kann hier derzeit nichts Erhellendes beitragen :-?

  • ich werde aus dem Buch nicht schlau

    Geht mir in etwa genauso. Ich lese es einfach assoziativ, d.h. ich lasse meine Gedanken abdriften und schreibe dann hier später darüber, wo sie hingelaufen sind. Ist nicht nach den Regeln der akademischen Literaturwissenschaft, aber mir hilfts. :lol:


    Geburah 35


    bietet weder für Verschwörungen noch für assoziative Gedanken viel Neues. Endlich hält Eco sich zurück und erzählt nur ein bisschen vom Beginn einer Liebesgeschichte, die wohl zu der Zeit, in der Casaubon die Geschichte erzählt, noch andauert. Ob er wohl der Vater des erwähnten Kindes ist? :scratch:

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  • Geburah 36

    Ich kann mir gut vorstellen dass es einige Leser gab (in Zukunft geben wird) welche ihnen treu bis hierhin gefolgt sind, und versucht haben diesen Roman zu verstehen, jedoch nach diesem Kapitel „ am Boden zerstört“ sich sagten „Aus Ende Schluss“ und das Werk in die dunkelste Ecke der Bibliothek verbannten.

    Stimmt. Wenn es hier nicht einige Mitstreiter gäbe und wenn ich nicht einen gewissen Ehrgeiz spüren würde, gehörte ich sicher zu ihnen. :wuetend:

    Ich hoffe auf eure Hilfe

    Entschuldige bitte, aber auf meine Hilfe wartest Du vergeblich. Ich bin genauso ratlos wie Du. :cry:


    Wer ist dieser Wagner überhaupt? Kam er schon einmal vor? Er platzt einfach so in die Handlung und übernimmt eine Hauptrolle in Belbos File.


    Ich habe Belbos Liebeschaos so verstanden (keine Garantie auf Richtigkeit): Er ist mit einer Frau namens Sandra zusammen, aber er liebt eine andere. Die allerdings anderweitig gebunden ist (Lorenza?). Nachdem sie sich von ihrem Freund? Ehemann? getrennt hat, nimmt sie zwar Belbos Geld, aber von ihm will sie nichts wissen, sondern hat einen dritten Mann kennengelernt. Trotzdem liebt sie Belbo, braucht aber einen anderen Mann, um Erfahrungen zu machen. :shock: Oder so? Oder wie?


    Den letzten Satz "Ich verdanke ihm alles, dem Doktor Wagner." kann man, glaube ich, nur ironisch verstehen. ?(

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  • Wer ist dieser Wagner überhaupt? Kam er schon einmal vor? Er platzt einfach so in die Handlung und übernimmt eine Hauptrolle in Belbos File.

    Dieser Wagner wurde erwähnt in Binah 15

    Zitat von Umberto Eco

    Unversehens fand ich mich neben Belbo. Er war in Begleitung einer Frau, mit der ich ihn öfter in der Bar gesehen hatte, so daß ich annahm, sie wäre seine Freundin (sie verschwand später- heute weiss ich warum, nachdem ich die Geschichte in dem file über Doktor Wagner gelesen habe).

    Die Begleiterin

    Zitat von Umberto Eco

    Wir waren vollständig untergetaucht in der samstäglichen Menge, Belbo und ich in Jackett und Krawatte, seine Begleiterin in der Uniform der gepflegten Mailänderin, grauer Rollkragenpullover mit Perlenkette, ob echt oder nicht. Belbo stellte sie mir vor: "Das ist Sandra, kennt ihr euch?""Vom Sehen. Hallo."

    Zitat von Umberto Eco

    "Was sind konkrete Anhaltspunkte bei diesen Dingen? Ach, übrigens, apropos Neurosen, heute abend muss ich zu einem Essen mit Doktor Wagner. Höchste Zeit, mich auf den Weg zu machen, ich werde einTaxi an der Scala nehmen. Gehen wir, Sandra?"""Doktor Wagner?" fragte ich, während wir uns verabschiedeten."*Er persönlich?""Ja, er ist für ein paar Tage in Mailand, und vielleicht kann ich ihn überreden, uns etwas von seinen unveröffentlichten Schriften zu geben, für ein Aufsatzbändchen. Wäre ein schöner Coup." Demnach stand Belbo schon damals in Kontakt mit Doktor Wagner. Ich frage mich, ob es wohl jener Abend gewesen war, an dem Wagner (französisch auszusprechen: Wagnère) Belbo gratis analysierte, ohne dass einer der beiden es wusste. Aber vielleicht war das auch später gewesen.

    Das heisst jedoch nicht dass ich nun "schlauer" bin wie vorher, allerdings klingt es wie wenn Casaubon weiss wer Doktor Wagner ist, so wie er die Frage stellt. Jetzt warten wir mal was uns @taliesin zu berichten hat.

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    Horst Lichter

  • Ich habe Belbos Liebeschaos so verstanden (keine Garantie auf Richtigkeit): Er ist mit einer Frau namens Sandra zusammen, aber er liebt eine andere. Die allerdings anderweitig gebunden ist (Lorenza?). Nachdem sie sich von ihrem Freund? Ehemann? getrennt hat, nimmt sie zwar Belbos Geld, aber von ihm will sie nichts wissen, sondern hat einen dritten Mann kennengelernt. Trotzdem liebt sie Belbo, braucht aber einen anderen Mann, um Erfahrungen zu machen. Oder so? Oder wie?

    So habe ich es auch verstanden. Und die Freundin des Saxophonspielers Cecilia war nur eine Barbekanntschaft Belbos. Nicht gerade eine Frau fürs Leben, sondern eine Frau, die man sich von einem anderen (eben vom Saxophonspieler) leiht. Inwieweit dieses Liebeschaos den Grossen Plan beeinflusst oder sonstwie Auswirkungen auf den weiteren Verlauf haben wird? Sicherlich werden wir Dr. Wagnère nochmals begegnen.
    Übrigens vielen Dank @serjena für das Auffrischen der Dr. Wagner-Passagen!


    Geburah 37
    Hier kommt dann (endlich) das Foucaultsche Pendel ins Spiel. Wie ganz nebenbei, aber wohl doch von Belbo geplant, erwähnt er den Triumph der Maschine in einer gotischen Kirche. Dieser Nullpol bringt Ungläubigen den Glauben an Gott wieder zurück... Aber kaum wird es interessant, wechselt das Thema und Belbo streitet sich mit Casaubon darüber, welche Generation nun mehr Enttäuschungen hinnehmen musste. :-k Diese 68er, Studentenrevolten, Demonstrationen, Schulterschluss mit der Arbeiterklasse, etc - vielleicht weil ich deutlich später zur Welt gekommen bin, aber dieses Themengebiet ist mir auch ziemlich fremd. Klar, davon gehört schon hundert Mal, aber es hatte mich nie interessiert. Im Pendel scheint es aber auch ein wesentlicher Handlungsstrang zu sein, denn ständig gibt es einen Verweis auf die "Bar im Wandel der Zeit" mit den unterschiedlichen Gruppierungen, das veränderte Italien nach dem Brasilienaufenthalt, etc.
    Was heisst bspw

    Und auf einmal waren die Arbeiter noch da, aber die Klasse nicht mehr. Muss wohl in Ungarn umgebracht worden sein.

    Spielt er da auf die ungarische Revolution von 1956 an? Das war aber doch weit vorher?
    Egal. Das Pendel jedenfalls verspricht dem Betrachter das Unendliche. Allerdings kann man es ja aufhängen, wo immer man möchte. Aber für Belbo gibt es dann doch Orte mit einer ganz bestimmten Atmosphäre, privilegierte Punkte sozusagen. Und so ein privilegierter Punkt ist wohl im Pariser Conservatoire, jedenfalls muss man glauben, um den richtigen Punkt zu erkennen...

  • Übrigens vielen Dank @serjena für das Auffrischen der Dr. Wagner-Passagen!

    Ebenso. :friends:


    Ich habe immer noch das Gefühl, als würden wir uns noch in der Einleitung befinden. Bisher haben wir zwar schwere und vielfältige Bildung bekommen (falls man sich die Einzelheiten merken könnte), aber so richtig voran kommt nichts.


    (Ich lese Eure Kommentare übrigens nur so weit, wie ich gerade bin, weil ich lieber ohne Erklärungen oder Gedanken von Euch lese; dennoch brauche ich sie im Nachhinein zum Verständnis dringend.)

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  • Ich muss schon wieder zugeben, dass ich sehr verwirrt bin. Die Schöpfungsmythen des Alten Testaments kenne ich ziemlich gut (konnte sie sogar vor zig Jahren im Original lesen ), aber diese zerbrochenen Gefäße, dieses Restlicht, diese abstrakten Begriffe aus der Kabbala, die ich nicht mit Leben oder konkreten Bildern füllen kann, fahren Karussell in meinem Kopf.

    Lies einmal in Ruhe folgende Seite Sephiroth, es klingt zwar im ersten Moment es verwirrend, dennoch es lohnt sich

    Spielt er da auf die ungarische Revolution von 1956 an? Das war aber doch weit vorher?

    Ich denke Herr Eco verbindet dabei dieses Erlebnis. 1968 beteiligte sich Ungarn am militärischen Eingreifen der Warschauer Pakt-Staaten in der für den Ostblock gefährlich liberal gewordenen Tschechoslowakei.
    Er war mit seiner Frau Renate 1968 in Prag im Urlaub und erlebte wie sowjetische Panzer den Prager Frühling niederwalzten. (Biografie Umberto Eco/ Autor Michael Nerlich)

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  • zu Geburah 36


    Meine erste Idee war, dass Eco dem Leser hier eine satte Satire auf übliche Liebesschmonzetten präsentiert. Das klingt ja streckenweise wie ein Skript für eine
    Folge von Gute Zeiten - Schlechte Zeiten. Aber wo sollte der Sinn einer solchen Aktion sein, außer der Verwirrung des Lesers und das halte ich in diesem Fall für unwahrscheinlich Theorie verworfen und dann fällt mir nur noch eine Möglichkeit ein. Eco will hier noch einmal verdeutlichen, dass Belbo ein unsicherer, wenig gefestigter Charakter ist, dessen Verführbarkeit in allen Bereichen dann letztendlich dazu führt, dass er das Spiel des großen Plans von Fiktion zu Realität werden lässt.

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  • Geburah 38
    In Binah 20 erklärt Casaubon …..

    Zitat von Umberto Eco

    Wie ich später begriff, versuchte Belbo, den Oberst der Hydra Manuzio in den Rachen zu werfen.

    Nun erfahren wir dass diese Verlage zusammen gehören.
    Auch in diesem Kapitel bleibt sich Herr Eco treu und geniesst es durch verschiedene Hinweise den Roman zu ergänzen.

    Zitat

    Wobei er in einem Gespräch sagte, dass dies nur Spielereien seien, nicht wichtig und zentral für die Geschichte.

    Gespräche mit Umberto Eco aus drei Jahrzehntenvon Thomas Stauder


    Zu Manuzio (In Wikipedia wird Umberto Eco diesbezüglich erwähnt)
    Man spricht über das Buch für das Casaubon zuständig sein wird, Herr Garamond empfangt einen „angehenden Autor“
    Erwähnt nebenbei berühmte Schriftsteller
    Mich interessierte dieses Kapitel nicht besonders, auch die Show welche Herr Garamond mit Commendator De Gubernatis abzog ganz und gar nicht.


    Geburah 39
    Wer sich für das Verlagswesen interessiert kommt voll auf seine Kosten. Denn das ist eine Kapitel der Fachsimpelei und für mich schnell abgehakt.

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    Horst Lichter

  • zu Geburah 38 / 39


    diese sich wiederholenden Umwege, diese Spielereien, die Eco so gerne einstreut machen für mich nicht viel Sinn, weil sie den ohnehin etwas schleppenden Handlungsverlauf noch mehr aufbrechen und bei mir schon manchmal ein Gefühl der Ungeduld bewirken. Ich wünsche mir immer mehr, dass Eco jetzt so langsam mal zum Punkt kommt ( da hängt schließlich auch das viel besungene Pendel dran :wink: ) Einzig interessant fand ich Casaubons Rückblick, der ja sehr dramatisch ausfällt.


    Zitat

    ...Oder vielleicht, weil ich seit vorgestern abend mit einem Schalg um Jahrzehnte gealtert bin, oder weil die Furcht, von denen gefasst zu werden, mich reden lässt,
    als berichte ich von einem zerfallenen Reich, im Bade liegend, die Pulsadern aufgeschnitten, wartend, dass ich im eigenen Blut ertrinke.

    Wir warten auch Herr Eco, dass das Spiel nun endlich beginnt....................

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  • Geburah 40



    Belbos Datei gibt ein paar Eindrücke seiner Beziehung zu Lorenza wieder und offensichtlich ist er einmal wieder von Leidenschaft erfasst. Lorenza spielt ihre Spielchen mit ihm und er ergibt sich in Fantasien über maskierte Rächer. Andere verkaufen nur eine Ilusion von Leidenschaft, er, Belbo, lebt sie aus. :roll:


    Der Mann wirkt immer mehr wie ein Blatt im Wind.


    Das macht nun den Unterschied aus, denn die anderen Beiden haben nicht solch tiefschürfende Gründe das Spiel zu beginnen. Diotallevi erwartet neue Eingebungen zur Entzifferung
    der Torah und Casaubon beginnt nach eigenen Aussagen nur aus Neugier und Spaß am Spiel.
    Ich frage mich allerdings, ob Casubon diesbezüglich ein zuverlässiger Erzähler ist. Das bleibt wohl noch abzuwarten.

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  • Zwischenstand: Ich bin bei Geburah 40, habe aber eine vollgestopfte Woche, und zu allem Überfluss noch Enkel zu hüten. Wenn ich abends fertig bin, dann bin ich fertig. Mit dem Tag, mit der Arbeit, mit Herrn Eco. Mir dann noch kluge Gedanken aus dem Hirn zu quetschen geht nicht mehr.


    Aber ich habe Hoffnung. Nächste Woche ist nicht mehr ganz so schlimm (aber immer noch schlimmer als normale Wochen), dann will ich mich wieder regelmäßig beteiligen, ich versuche es wenigstens. Einstweilen kann ich nur sagen, dass mich die Seiten, in denen es um die Autoren und den Druckkostenzuschussverlag geht, amüsiert haben.

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  • Geburah 42


    In den letzten Kapiteln ging es vorwiegend um den Verlag, um die Machenschaften, wie selbstverliebten Autoren das Geld aus der Tasche gezogen wird: Schmeichelei ins Gesicht und Auslachen hinter dem Rücken. Keiner schämt sich. Hauptsache, die Geschäfte gehen gut, und für den Verlag springt ein hübsches Sümmchen heraus ohne das ein Leser gebraucht wird.


    Aber mit Bramanti, den wir ja schon als Spinner kennen, will sich nicht einmal dieser Verlag einlassen. Dennoch ist er als Ideengeber gut: Der Verlag wird mit ihm zwar keinen Vertrag schließen, doch das Sammelsurium seiner Vorstellungswelt eignet sich als Material.


    Es scheinen sich die ersten Vorboten des Plans, von dem anfangs die Rede war, zu zeigen. (Wird nach 300 Seiten auch Zeit, dass es losgeht. :roll: ) Eine Buchreihe soll erscheinen, in der Kabbala, Gnosis, Templer, "Lotto und Kaffeesatz" gleichermaßen zum Thema gemacht werden. Weil anscheinend ein Markt da ist. Noch ein paar Dämonen dazu gemischt, und das Ganze verkauft sich wie frisches Brot. (Na, wenn ich mit den derzeitigen Buchmarkt betrachte, war Eco mit einer prophetischen Gabe gesegnet. :wink: )


    Hinterlistig wird das Vorhaben, weil beide Verlage, der windige Manuzio und der etablierte Garamond, die sowieso in einer Hand sind, sich gegenseitig unterstützen: Garamond wird wissenschaftliche Beweise für die in den Manizio-Büchern dargestellten Inhalte liefern.



    Alles Märchen? Alles Ecos Phantasie? Ich kenne mich im Verlagswesen und dessen Möglichkeiten nicht aus, aber grundsätzliche traue ich fast jedem Menschen alles Schlechte zu, vor allem, wenn er damit Geld machen kann. Ab und zu wundere ich mich, dass meine Vorstellungen von der Realität noch übertroffen werden. :shock:

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  • Ich beschäftige mich im Moment mit Geburah 41 bis 43 da diese Kapitel, meiner Meinung nach, einen tieferen Zusammenhang bilden.
    Geburah 41
    Casaubon reist von Bibliothek zu Bibliothek um Reproduktionen, Illustrationen und Originale für das Buch der Metalle zusammen zu tragen. Er fährt mit Lia nach Paris verpasst jedoch die Gelegenheit das Conservatoire des Arts er Métiers zu besuchen wie ihm von Belbo geraten wurde, um das Pendel zu sehen.
    Wie er zurück im Verlag Garamond seine „Ausbeute“ präsentiert, ist dieser im ersten Moment nicht begeistert, lässt sich dennoch von Casaubon überzeugen. Gekonnt referiert dieser über die Zusammenhänge von Wissenschaft und Magie und was diese mit den Metallen zu tun haben.
    Auch wenn Garamond sagt:

    Zitat von Umberto Eco

    ...Philosophia Moysaica. Was hat Moses
    damit zu tun, ist der nicht ein bisschen zu frühzeitlich?

    hat Moses nichts damit zu tun sondern Robert Fludd
    Langsam kommen wir nun tatsächlich näher an das was die Herren "den grossen Plan" nennen werden, denn im Verlag wird einige Tage später Herr Professor Bramanti vorstellig dem eine Buchreihe zum Thema okkulte Wissenschaften vorschwebt.
    Nun wird es bunt denn der Herr Professor präsentiert ein unglaubliches Repertoire von wissenschaftlichem Okkultismus, Physiognosis, Kosmognosis, Anthropognosis und vieles mehr.
    Er wirft alles in den „Topf“ was sich zu diesem Thema eignet, erwähnt zu werden, von der Hexerei bis zum Veitstanz, nichts wird ausgelassen.
    Jedoch mit seinen letzten Worten verscherzt er sich das Wohlwollen von Garamond und wird hinaus komplementiert.

    Aber mit Bramanti, den wir ja schon als Spinner kennen, will sich nicht einmal dieser Verlag einlassen. Dennoch ist er als Ideengeber gut: Der Verlag wird mit ihm zwar keinen Vertrag schließen, doch das Sammelsurium seiner Vorstellungswelt eignet sich als Material.

    Das darf man als sehr raffinierten Zug von Garamond betrachten, denn wie sagt er doch so treffend, wie Casaubon von einem eigenartigen Besuch eines Geschäftes in Paris erzählt, äussert er sich zwar vage aber man spürt wohin die Reise führt.

    Zitat von Umberto Eco

    "Meine Herren, alles, was Sie heute gesagt haben, bestätigt mich in einem Gedanken, den ich seit ein paar Tagen...

    Hinterlistig wird das Vorhaben, weil beide Verlage, der windige Manuzio und der etablierte Garamond, die sowieso in einer Hand sind, sich gegenseitig unterstützen: Garamond wird wissenschaftliche Beweise für die in den Manizio-Büchern dargestellten Inhalte liefern.

    Wie man schon in den vorhergehenden Kapiteln lesen konnte ist Herr Garamond persönlich ein "echtes Schlitzohr" , jedoch mit dem "seriösen" Verlag Garamond darauf bedacht seinen guten Ruf zu wahren.

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    Horst Lichter

  • zu Geburah 41

    Nun wird es bunt denn der Herr Professor präsentiert ein unglaubliches Repertoire von wissenschaftlichem Okkultismus, Physiognosis, Kosmognosis, Anthropognosis und vieles mehr.

    Ich habe mich mit diesem Kapitel wunderbar amüsiert. Die Figur des Professor Bramanti ist sehr gelungen dargestellt. Ein überaus eloquenter Mann dem es gelingt,
    eine ganze Litanei von obskuren Wissensgebieten sehr leidenschaftlich zu vermitteln. Aber dieser Riesenblödsinn führt letztendlich dazu, dass Garamond seine Idee
    mit okkulten Wissenschaften Geld zu verdienen endgültig verfwirklichen will. Und so lässt Eco auf, wie ich finde, sehr geschickte Art und Weise den Großen Plan der
    drei Lektoren Wirklichkeit werden.


    Wie man schon in den vorhergehenden Kapiteln lesen konnte ist Herr Garamond persönlich ein "echtes Schlitzohr"

    Oh Ja, über seinen Charakter und seine Vorgehensweise könnte man diskutieren, aber seine Qualitäten als Verleger und Geschäftsmann sind unbestritten hervorragend.
    Er ist wirklich ein Riesenschltzohr.

    "Und tun Sie, tun Sie mir viel Kaballa und Computer rein". "Spielen wir nicht die Revolutionäre, die Zeiten sind vorbei. Tun sie Kaballa rein."
    :lol:

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  • Geburah 42




    Zitat

    Dieser Herr hatte kaum fünf Worte gesagt, da wusste ich schon, dass er für uns kein Kunde ist. Er. Wohl aber die, von denen er gesprochen hat,
    Autoren und Leser.

    Garamond hat es erkannt, es geht um das zahlende Publikum und die Zeit der 68er Rebellion, die Zeit der politischen Unruhen und ihre Auswirkungen auf die literarische Welt
    hat sich totgelaufen. Die Menschen beginnen sich eher auf eine Innenschau zu fixieren und da kommt Esoterik und okkulte Wissenschaft gerade recht.
    Als Verleger will Garamond diese beginnende Vorliebe nun benutzen und sein eigenes Projekt zu beginnen. Hinzu kommt, dass er in der glücklichen Lage sein wird beide Verlage
    dafür einzusetzen. Das Hermes-Projekt kann begonnen werden.



    Zitat

    Es handelt sich um eine Goldader. Mir ist klargeworden, dass diese Leute alles fressen, solange es nur hermetisch ist, wie sie sagten, solange es nur das Gegenteil
    dessen besagt, was in den Schulbüchern steht.

    Das klingt schon etwas zynisch, aber es ist wohl leider die Wahrheit. Garamond geht sogar soweit, dies als seine "kulturelle Pflicht" zu bezeichnen. Na ja, hier handelt es sich
    schon um handfeste finanzielle Interessen, wie auch immer er das verkaufen will. Schlitzohr ist wirklich die passende Bezeichnung für den Herrn.


    Nun geht es also los mit der Reihe Hermetik und dem Hermes-Projekt. Garamonds Mannschaft schwärmt aus.........

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