Original : Französisch, 2016
INHALT :
« Was sind denn nun die Lebenden ? Auf erstem Blick scheint das so klar. Mit den Lebenden sein. Im Leben stecken. Aber was bedeutet das zutiefst : lebendig sein ? Wenn ich atme und gehe, wenn ich esse, wenn ich träume – bin ich da zur Fülle lebendig ? Wenn ich die sanfte Wärme Elenas verspüre, bin ich da noch lebendiger ? Was ist das höchste Maß an Lebendigkeit ? »
Ein Regisseur in der Mitte des Lebens verliert seinen besten Freund und denkt über den Anteil des Todes nach, den dieser in unserem Leben einnimmt : Zwischen zwei wunderbaren Frauen, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, in der Erinnerung an geliebte Gesichter und dem Licht unerwarteter Begegnungen...
(Quelle : Verlagsbeschreibung von Stock, Behelfsübersetzung von mir)
BEMERKUNGEN :
Der angeschlagene Ton deckt wohl manches auf, was man vom Leben Claudels erahnt, dass man anfangs etwas verwirrt sein kann : Handelt es sich jetzt um eine autobiographische Schilderung oder Fiktion, oder halt um einen Roman ? Nun das Buch wird als Roman bezeichnet und gewisse Parallelen zum Leben Claudels erweisen sich schnell als fiktiv, bzw verändert.
Hier entsteht eine Spannung von Anfang an durch die stetige Gegenwart des Todes einerseits und des Lebens andererseits (Miteinander oder Gegeneinander?). Dieser « Baum des Landes Toraja » steht auf der 2012 vom Ich-Erzähler besuchten Insel Indonesiens, Sulawesi: Die kleinen verstorbenen Kinder des Volkes der Toraja werden den Höhlungen eines noch wachsenden Baumes anvertraut und mit dem Baum, dem Leben eins. Fasziniert ist der Erzähler von einer Kultur, in der der Tod so selbstverständlich seinen Platz im Leben hat (siehe auch : https://de.wikipedia.org/wiki/Toraja ) Dahingegen empfindet er unseren westlichen Umgang mit dem Tod als Flucht und Versteckspiel. Soll man den Tod aber nun integrieren ins Leben oder auf Distanz halten ? Und ist nicht jedes Altern Vorwegnahme eines Abschiedes von Möglichkeiten ?
Bei seiner Rückkehr wird der circa 50 jährige Filmemacher von seinem Produzenten mit der Ankündigung einer Krebserkrankung empfangen. Ein Jahr später ist er tot. Es war sein bester Freund, sein einziger Freund. Und wer das vorletzte Werk Philippe Claudels gelesen hat, das ich hier besprach Philippe Claudel – Jean-Bark , weiß, dass hier eine schmerzhafte Erfahrung des lothringischen Schriftstellers erneut, wenn auch fiktiver, verarbeitet wird. Sein Herausgeber Jean-Marc Roberts war solch ein kreatives Gegenüber gewesen, sein bester und einziger Freund wie es hier sein Freund Eugène ist. Und der Tod eines Nächsten ähnelt dem Tod gewisser eigener Ausdrucksmöglichkeiten.
Und da sind auch seine beiden Frauen im Leben : Florence, mit der er lange verheiratet war, und mit der eine vertrauensvolle Beziehung weitergeht. Und dann, langsam wachsend, ein Verhältnis zu einer um Jahrzehnte jüngeren Wissenschaftlerin, die seine Nachbarin und gleichzeitig eine Fachfrau ist in Fragen, die den Ich-Erzähler umtreiben.
Eigentlich sind alle Kapitel des Buches auf die ein oder andere Weise verschiedene Perspektiven auf das In-, Mit-, Nebeneinander von Tod und Leben. Manche Gedankengänge sind wunderbar, geben Stoff zum Nachdenken, und man findet – um eine persönliche Note noch erhöht – den sensiblen Schriftsteller wieder, der vielen « Eingeweihten » so lieb geworden ist. Mal sehen, ob dieses sehr persönliche Buch übersetzt werden wird ? Es hat mir mehr als gut gefallen. Und ich bin gespannt, ob ich an einer für bald angesetzten Autorenlesung werde teilnehmen können…
ZUM AUTOR:
Philippe Claudel (* 2. Februar 1962 in Dombasle-sur-Meurthe, Lothringen) ist ein französischer Schriftsteller, Dramatiker und Filmregisseur. Philippe Claudel hat Literatur studiert und ist ausgebildeter Pädagoge mit staatlicher Lehrbefugnis. Vor seiner literarischen Karriere war er einige Zeit als Lehrer in einem Gefängnis in Nancy tätig. Dort unterrichtet er noch heute an der Universität. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Mehrere seiner Bücher wurden hier schon vorgestellt.
Broché: 216 pages
Editeur : Stock (1 janvier 2016)
Collection : La Bleue
Langue : Français
ISBN-10: 2234081106
ISBN-13: 978-2234081109