Claire North- Die vielen Leben des Harry August / The First Fifteen Lives of Harry August

  • Klappentext:
    Harry kann tun oder lassen, was er will. Er wird immer wieder geboren. Am selben Tag im Jahr 1919 mit allen Erinnerungen, die er in seinen vorherigen Leben gesammelt hat.
    Elf Leben hat er bereits hinter sich, als er plötzlich von einem jungen Mädchen aufgesucht wird. Kurz bevor er sein Leben aushaucht, stürzt sie an sein Bettund ruft: „Dr. August Beinahe hätte ich Sie verpasst, ich habe eine Botschaft aus der Zukunft für Sie!“ Und diese Botschaft hat es in sich: Der Untergang der Welt, der eigentlich erst in Jahrhunderten vonstatten gehen sollte, rückt immer näher heran! Die Ursache dafür liegt vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts,wo jemand den Verlauf der Geschichte manipuliert.
    Als Harry nun im Jahr 1919 wieder geboren wird, hat er keine geringere Aufgabe, als diese Ergebnisse aufzuhalten.


    Überdie Autorin:
    Claire North wurde 1986 geboren und ist das Pseudonym der britischen Autorin Catherine Webb, die bereits mit 14 Jahren entdeckt wurde. Seitdem hat sie diverse Fantasy- Romane geschrieben und wird unter anderem mit großen Erzählern wie Philip Pullman verglichen.


    Harry August hat keine Angst vorm Sterben. Den Harry weiß, dass er nicht nur dieses eine Leben hat. Er wird nach seinem Tod immer wieder geboren, als Harry August, am gleichen Tag, im gleichen Jahr, unter gleichen Umständen. Und das Beste ist, dass Harry sich an jedes Detail seiner vorherigen Leben erinnern kann.
    Harry ist nicht der einzige Mensch, dem dieses Phänomen wiederfährt, denn es gibt einige Menschen auf der ganzen Welt verteilt, denen es genauso geht. Diese Leute treffen sich im Cronus Club. Über diesen werden immer wieder Informationen von der Zukunft in die Vergangenheit geschickt und genau das passiert kurz vor Harrys elftem Tod, wo er die Botschaft erhält, dass die Welt untergeht und er einen Weg finden soll, diese zu retten.


    Ich muss sagen, dass ich anfangs so meine Schwierigkeiten mit dem Buch hatte. Mir kam es furchtbar verwirrend und kompliziert vor, was Harry so alles über seine elf ersten Leben zu sagen hatte. Immer wieder wurde zwischen den verschiedenen Leben hin und her gesprungen, bis ich teilweise einfach nicht mehr mit kam und nicht mehr wusste von welchem Leben er gerade erzählt. Zwischenzeitlich habe ich schon mit dem Gedanken gespielt das Buch einfach abzubrechen.
    Zu meinem Glück habe ich das aber nicht getan, den nach ca. 2/5 wurde das Buch richtig gut. Ich hatte mich an den nebenbei gesagt wirklich guten Schreibstil der Autorin gewöhnt und mochte die Anekdoten und die Ironie in der Geschichte.
    Immer wieder gab es die eine oder andere Überraschende Wendung, die ich so nicht vorhergesehen habe. Zum Ende blieb bei mir leider noch die ein oder andere Logikfrage offen aber alles in allem konnte mich das Buch zu guter Letzt trotzdem überzeugen.


    Ich gebe dem Buch gute :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: Sterne, da mich das Buch nicht von Beginn an überzeugen konnte.

  • Danke für die Rezension, @engel0901. Ich bin daran vor kurzem gescheitert als ich es gelesen habe. Ich hatte schon mal überhaupt keine Ahnung wie ich die Handlung hätte beschreiben sollen.

    Immer wieder wurde zwischen den verschiedenenLeben hin und her gesprungen, bis ich teilweise einfach nicht mehr mitkam und nichtmehr wusste von welchem Leben er gerade erzählt

    Das ging mir anfangs auch so. Irgendwann hab ich es dann einfach mal als Tatsache betrachtet, dass Harry August etliche Leben hat und es nicht mehr als einzelne Leben sondern als ein Gesamtes betrachtet, dann ging es besser.
    Ich fand das Konzept und den Plot sehr interessant, auch wenn die Umsetzung nicht immer perfekt war. Zuerst hatte die Geschichte diesen Episoden- oder Anekdotencharakter als wild durcheinandergewürfelt einzelne Geschichten erzählt wurden aus seinem Leben. Da hat mir auch eindeutig der rote Faden gewählt. Später wird das dann besser und ab da hat mir das Buch ziemlich gut gefallen, so dass ich am Ende knappe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: vergeben habe.


    Edit: Ich hätte das Buch noch eher bei Science-fiction eingeordnet.

  • :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    In meinen Augen ist dieses Buch nichts weniger als ein Meisterwerk, angesiedelt zwischen den Genres Science Fiction und Fantasy – aber weit, weit ab von den jeweiligen genretypischen Klischees. Darüber hinaus ist es wunderbar geschrieben und intelligent konstruiert, die Charaktere sind auf verschiedenste Arten komplex...


    Am liebsten würde ich es dabei belassen, um auch ja nicht zu viel zu verraten (liebe/r Leser/in, vermeide Spoiler wie die Pest!), aber dann wäre diese Rezension deprimierend inhaltsleer.



    Daher nun doch ein paar Worte zu Harry August und seiner faszinierenden Existenz:


    Wie man schon nach wenigen Seiten erfährt, lebt Harry immer wieder das gleiche Leben: nach jedem Tod wird er wieder am gleichen Ort, unter den gleichen Umständen und zum exakt gleichen Zeitpunkt wiedergeboren. Während die meisten Menschen (wie du und ich) linear leben, ist er ein Wesen, das in einer ewigen Schleife zwischen Geburt und Tod existiert, ein Kalachakra – und nicht der Einzige seiner Art.


    Die Kalachakra sind keine Vampire, sie nennen keine Magie ihr eigen, und wenn ihre Fähigkeiten bisweilen übermenschlich erscheinen, dann nur, weil sie viele Leben Zeit haben, um diese zu perfektionieren. Auch wenn ihre Geburt mit den entsprechenden Grundbedingungen festgelegt ist, steht es ihnen frei, in jedem Leben neue Entscheidungen zu treffen.


    Unglaublich spannend fand ich zum Beispiel die Art und Weise, wie sie Informationen von Generation zu Generation weitergeben (in beide Richtungen) und gleichzeitig ihre Existenz geheimhalten:



    Nachrichten in die Zukunft werden mündlich weitergereicht von Alt an Jung, Alt an Jung. Ein Kalachakra wartet bis kurz vor seinem Tod und erzählt dann einem Kalachakra, der zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind ist, seine Botschaft. Dieser wartet dann ebenfalls bis kurz vor seinem Tod und hält es genauso. Nachrichten in die Vergangenheit funktionieren umgekehrt: Jung an Alt, Jung an Alt. (Auf diese Weise erhält Harry die im Klappentext erwähnte Nachricht über drohende Ende der Welt.)


    Was daraus entsteht ist eine Gesellschaft, die strenggenommen keine Zeitreise betreibt, da sich jeder nur im zeitlichen Rahmen seines eigenen Lebens bewegen kann, für die Zeit aber dennoch ein sehr dehnbares Konstrukt ist. Ihre Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt, umso wichtiger ist es, dass sie sich bemühen, nicht in den Lauf der Zeit einzugreifen...


    Über den Verlauf der Handlung möchte ich nichts Konkretes verraten.


    Nur soviel: Claire North reizt die Möglichkeiten, die sich den Kalachakra bieten, voll und ganz aus, und es gelingt ihr dennoch, die üblichen Zeitreise-Paradoxa zu vermeiden. Mehr als einmal war ich voll der Bewunderung dafür, wie unglaublich clever und komplex die Handlung ist! Fast alle der wichtigen Charaktere sind Kalachakra und existieren daher auf vielen Zeitebenen, mit ganz unterschiedlichen Lebensverläufen – und natürlich stellt sich von Generation von Generation immer deutlicher heraus, dass es ihnen nicht vollständig gelingt, den vorgesehenen Verlauf der Zeit nicht zu beeinflussen...


    Spannend fand ich die ethischen und philosophischen Fragen, die sich zwangsläufig ergeben.


    Wie schon erwähnt, sind die Charaktere meiner Meinung nach großartig geschrieben. Harry selber ist ein Mann, der einem sympathisch sein kann, obwohl im Laufe seiner vielen Leben die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr verschwimmen. Oder vielleicht sollte ich sagen: Harry ist irgendwann einfach über den Punkt hinaus, wo man ihn noch nach so normalen Maßstäben beurteilen kann.


    Seine Absichten sind lauter, sein Ziel ist die Rettung der Welt – aber er ist oft gezwungen, dafür sehr weit zu gehen.


    Aber der wahre Geniestreich des Buches ist für mich das Verhältnis zwischen Antagonist und Protagonist.


    So beginnt Harry seine Lebensbeichte:


    "Dies schreibe ich für dich. Mein Freund. Mein Feind."



    Und tatsächlich sind sie beides: enge Freunde, erbitterte Feinde, oft in ein und demselben Lebenszyklus. Sie tun sich furchtbare Dinge an, und dennoch haben sie beide nachvollziehbare Gründe für das, was sie tun. Ich wollte, dass Harry IHN aufhält, und gleichzeitig graute mir davor, weil es mir unmöglich schien, dass dies nicht für beide eine Tragödie sein würde...


    Der Schreibstil ist meines Erachtens hervorragend: intelligent und wortgewandt, genauso abseits der Klischees wie die Handlung.


    | FAZIT |


    Es würde mich sehr wundern, wenn ich dieses Buch im kommenden Dezember nicht als eines meiner Jahreshighlights betrachten würde. Die Geschichte ist zutiefst originell und lässt sich nur schwer einordnen in ein einziges Genre:


    Die Kalachakra sind Menschen, deren Leben nicht linear verlaufen. Jeder Tod bringt sie immer wieder zurück zum Zeitpunkt ihrer Geburt (im Falle von Harry August ein Tag im Jahr 1919), wobei sie einen Großteil ihrer Erinnerungen behalten. Zusammengehalten werden die Kalachakra vom Cronus Club, der durch mündliche Überlieferung zwischen den Generationen Nachrichten durch die Zeit schickt, und so erfährt Harry vom nahenden Ende der Welt, ahnt jedoch nicht, wie nahe er der Ursache dafür ist...


    Ein echtes Highlight war für mich die zwiespältige und herzzerreißende Freundschaft zwischen Antagonist und Protagonist.