Kristine Bilkau - Die Glücklichen

  • Klappentext (Quelle: Amazon):
    Isabell und Georg sind ein Paar. Ein glückliches. Wenn die Cellistin
    Isabell spätabends von ihren Auftritten mit dem Orchester nach Hause
    geht oder der Journalist Georg von seinem Dienst in der Redaktion auf
    dem Heimweg ist, schauen sie oft in die Fenster fremder Wohnungen,
    dringen mit ihren Blicken in die hellen Räume ein. Bei abendlichen
    Spaziergängen werden sie zu Voyeuren. Regalwände voller Bücher,
    stilvolle Deckenlampen, die bunten Vorhänge der Kinderzimmer. Signale
    gesicherter Existenzen, die ihnen ein wohliges Gefühl geben. Das eigene
    Leben in den fremden Wohnungen erkennen. Doch das Gefühl verliert sich.

    Mit der Geburt ihres Sohnes wächst nicht nur ihr Glück, sondern auch der
    Druck und die Verunsicherung. Für Isabell erweist sich die Rückkehr in
    ihren Beruf als schwierig: Während des Solos zittern ihre Hände, nicht
    nur am ersten Abend, sondern auch an den folgenden. Gleichzeitig
    verdichten sich in Georgs Redaktion die Gerüchte, der Verlag würde die
    Zeitung verkaufen. Währenddessen wird ihr Haus saniert. Im Treppenhaus
    hängt jetzt ein Kronleuchter, im Briefkasten liegt eine Mieterhöhung.
    Für die jungen Eltern beginnt damit ein leiser sozialer Abstieg. Isabell
    und Georg beginnen mit einem Mal zu zweifeln, zu rechnen, zu
    vergleichen. Jeder für sich. Je schwieriger ihr Alltag wird, desto mehr
    verunsichert sie, was sie sehen. Die gesicherten Existenzen mit ihren
    geschmackvollen Wandfarben sagen jetzt: Wir können, ihr nicht. Was
    vertraut und selbstverständlich schien – die Cafés, Läden, der Park, die
    Spielplätze mit jungen Eltern –, wirkt auf einmal unzugänglich.
    Gegenseitig treiben sich Isabell und Georg immer mehr in die Enge, bis
    das Gefüge ihrer kleinen Familie zu zerbrechen droht.


    „Die Glücklichen“ führt uns hinter die Kulisse der In-Viertel einer jeden Großstadt. Zwischen chicen Bistros, Blumenläden und Modeboutiquen und hinter sanierten Jugendstil-Fassaden – da lauern die Sorgen. Da ist die Angst vor dem sozialen Abstieg. Isabell und Georg leben seit Kindertagen in dem Stadtteil – zu einer Zeit, in der es noch eine normale Wohngegend war und kein unbezahlbares Viertel. Doch die Aufwertung des Stadtteils bereitet ihnen Probleme. Isabell ist Cellistin und kann wegen eine zitternden Hand nicht mehr auftreten, Georg ist Journalist und wird entlassen. Auf einmal können sie sich ihr eigenes Leben nicht mehr leisten. Georg möchte aussteigen, auf dem Land leben, träumt von einem Cottage in Irland und sieht sich Reihenhäuser in einer Vorstadt an – Isabell geht trotzdem in den Bistros Mittagsessen und kauft überteuerte Marmelade im Bio-Feinkostladen und Designer-Ware. Die Beziehung steuert auf ihr Scheitern zu.


    Trotz der teils verschachtelten Sätze bedient sich Bilkau in ihrem Debüt-Roman einer klaren Sprache, die der Melancholie der ganzen Situation einen passenden Raum verleiht. Während die beiden Protagonisten durch die Straßen spazieren und in die beleuchteten Fenster blicken, zeichnet Bilkau ein Gesellschaftsbild. Wie möchten wir leben? Was macht ein gelungenes Leben aus? Wie sehr orientieren wir uns dabei an anderen? Und was können wir uns eigentlich leisten? Das sind die zentralen Fragen des Romans. Dabei wird die Autorin nie von außen wertend, sondern beschreibt empathisch die Gefühle Isabells und Georgs.


    „Die Glücklichen“ ist ein wichtiger Roman für unsere heutige Zeit. Eines meiner Lesehighlights des Jahres 2015.
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    gelesene Bücher 2023: 35 (+20 Hörbücher)

    SUB: 30 (Jahresanfang: 76)

  • Autorin: Kristine Bilkau
    Titel: Die Glücklichen
    Seiten: 301
    ISBN: 978-3-630-87453-1
    Verlag: Luchterhand


    Autorin:
    Kristine Bilkau wurde 1974 in Hamburg geboren und ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Nach der Schule studierte sie an der Universität Hamburg und arbeitete als Journalistin für Frauen- und Wirtschaftsmagazine. Im Jahr 2008 nahm sie an einem Literaturwettbewerb teil und war im darauffolgenden Stipendiatin der Autorenwerkstatt des Literarischen Collquiums Berlin. Nach mehreren schriftstellerisch-schulischen Stationen veröffentlichte Bilkau ihren ersten Roman im Jahr 2015. Auch eine Theateradaption ihres Romans "Die Glücklichen" gibt es inzwischen. Kristine Bilkau lebt mit ihrer Familie in Hamburg.


    Inhalt:
    Isabell und Georg sind ein Paar, dessen Glück durch die Geburt ihres Sohnes vervollkommnet wird. Das Leben in der gut situierten Wohngegend könnte nicht schöner sein, doch mit der Gründung einer Familie wächst der gesellschaftliche Druck. Um so mehr, als dass die berufliche Existenz plötzlich auf der Kippe steht. Plötzlich zittert die Bogenhand der Cellistin Isabell und der Zeitungsverlag, in dem Georg arbeitet, muss Stellen abbauen. Die gutbürgerliche existenz ist plötzlich gefährdet. Der soziale Abstieg beginnt erst schleichend, dann immer schneller. Beide versuchen nun auf unterschiedliche Art und Weise mit der neuen Situation umzugehen. (eigener Text)


    Rezension:

    Eigentlich könnte es nicht besser laufen. Isabell und Georg sind ein glückliches Paar. Der Sohn gerade geboren, leben sie in einem gut situierten Stadtteil einer deutschen Großstadt. Die Straßen sind gesäumt von Cafes, man kauft Bio, die Läden sind exklusiv. Sie arbeitet als Cellistin und er bei einem Zeitungsverlag als Journalist. Doch, die Existenzen beider sind bedroht. Isabell will nach der Geburt ihres Sohnes der Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht gelingen. Die Bogenhand zittert. Georgs Zeitungsverlag geht Pleite und entlässt seine Angestellten.


    Die neue Situation ist für beide ungewohnt. Die Cellistin ohne rechte Aussicht auf ein erneutes Engagement, der Journalist muss entdecken, dass die Zeitungen nur noch Nachricht von Gestern sind. Isabell und Georg müssen sich neu orientieren, die Fassade nach außen aufrecht zu erhalten, fällt aber schwer. Als dann noch Georgs Mutter stirbt und vorher eine Mieterhöhung ins Haus flattert, scheint der soziale Abstieg nicht mehr aufhaltbar.


    Die Grundidee der Gesellschaftskritik, die Bilkau hier aufführt. ist richtig und durchaus zu diskutieren. Der Druck, was wir sein und wie wir auf andere wirken wollen, wächst mit dem Gehalt, genau so wie der Willen, den einmal geschaffenen Standard auch zu halten. Doch, wenn es einmal nicht mehr gelingt, wie nötig ist es, eine Fassade aufrecht zu erhalten, von der man weiß, dass man diesem Druck nicht standhalten wird können? Probleme, wie sie bezeichnend sind für unser Leben, hier in Form einer gutbürgerlichen Künstlerfamilie, die von den beruflichen Veränderungen vor vollendeten Tatsachen gestellt wird.


    Doch, Bilkau lässt ihre Protagonisten zunächst einmal in Selbstmitleid und Ignoranz ob der Probleme versinken. Fast über die gesamte Seitenanzahl kommen dem Leser die Figuren arrogant und blind gegenüber ihrer Situation vor. Von der Negativität, dem Pessimismus, in dem man beim Lesen versinkt, einmal ganz abgesehen. So etwas möchte man nicht lesen, auch wenn Bilkau einen Erzählstil an den Tag legt, der ihrer Figuren würdig ist. Das Buch kommt genau so bürgerlich rüber, wie Isabell und Georg selbst wirken wollen. Die Sprache schön, alleine sie erreicht den Leser nicht. Ein klassischer Fall, von: "Was nützt die schönste Formulierung, wenn sie die Leser nicht erreicht." Ein Mantra, welches über die gesamte Handlung wie ein Damoklesschwert hängt und leider nicht aufgelöst wird.


    In der Realität würde man in der Situation der beiden wahrscheinlich darüber nachdenken, sich umzuorientieren und nach neuen Ansätzen und Ideen suchen, oder zur Überbrückung einen Job annehmen, den man sonst nicht machen würde. Derartige Passivität und Blindheit lässt einem jedoch nur kopfschüttelnd zurück und so ist der Ansatz zwar lobend, ein tiefgreifend gesellschaftliches Problem aufzugreifen, triftet aber hier wie seine Protagonisten in trostlose Mittelmäßigkeit. Dagegen helfen dann auch die wenigen positiven Punkte nicht mehr, die sich finden lassen.