Liz Balfour - Das Haus bei den fünf Weiden

  • Klappentext lt. amazon:
    Ein verwunschenes Haus am Rande von Cork gestapelt voll mit Büchern und Briefen: Die Anwältin Hanna soll im Auftrag ihrer Mutter, einer Antiquitätenhändlerin, den Nachlass des alten Mr. Oliver sichten. Noch ahnt die junge Frau nicht, wie tief sie hineingezogen werden wird in ein Leben von Liebe und Verrat. Es ist so schicksalhaft mit der irischen Vergangenheit verbunden, dass es auch heute noch jemanden gibt, der das Geheimnis des Hauses bei den fünf Weiden um jeden Preis wahren will.


    Über die Autorin:
    Liz Balfour, geboren 1968, studierte Theaterwissenschaften und ist als Dramaturgin in Deutschland sowie im englischsprachigen Raum tätig. Schon von früher Jugend an war sie fasziniert von Irland, der grünen Insel, und verbringt ihre freie Zeit am liebsten im County Cork. (Quelle: amazon)


    Über das Buch:
    Wieder mal ein Roman über ein Familiengeheimnis!
    Ich muss vorab sagen, dass ich mit einer gewissen Skepsis an dieses Buch heranging. Ich hatte von Liz Balfour bis jetzt nur "Ich schreib dir sieben Jahre" gelesen, das mir leider gar nicht gefallen hatte.
    Trotzdem habe ich Liz Balfour nochmal eine Chance mit diesem Buch gegeben. Und mit Recht, denn es hat mir gut gefallen!


    Wie so oft, wird die Geschichte in zwei Zeitebenen geschildert:
    Zum einen in der Gegenwart. Hannah, eine Anwältin, wird von ihrer Mutter (einer Antiquitätenhändlerin, die auch als Gutachterin arbeitet) beauftragt, das Inventar im Haus des kürzlich im Alter von 99 Jahren verstorbenen Dr. Thomas Oliver ("Tom") zu sichten - und ist erstmal schockiert, denn dieser hat



    Zitat von Liz Balfour

    aus all diesen Zimmern etwas gemacht, das sich am besten als eine Art Archiv beschreiben ließ. Regale mit Büchern und Ordnern, alten Zeitungen und Magazinen, Alben und Notizheften, stapelweise Kisten...

    Hannah ist mehr oder weniger aus London geflohen, denn sie wurde erst vor kurzem von der Kanzlei, bei der sie als Anwältin gearbeitet hat, entlassen. Und dann hat sich ihr Verlobter von ihr getrennt.
    Hannah mietet sich ein Zimmer in einer kleinen Pension vor Ort, um den Nachlass zu sichten. Und während sie die Papiere durchstöbert, um Stück für Stück die Wahrheit und Toms Geschichte herauszufinden, wird sie von zwei unterschiedlichen Männern umworben.


    Die Kapitel, die aus Hannahs Sicht geschildert werden, wechseln sich mit den Kapiteln ab, die Tom in Ich-Form erzählt. Die "Tom-Kapitel" beginnen im Jahr 1939 und erzählen von seiner Liebe zu Sara, einer verheirateten, einige Jahre älteren Frau, die bei seinen Eltern als Haushälterin beschäftigt ist. Nach einigen Kapiteln merkt man, dass die "Tom-Kapitel" offenbar ein an eine bestimmte Person gerichteter Brief sind - aber an wen?


    Die Erzählung ist eng verwoben mit der irischen Geschichte ab 1918, insbesondere dem Irischen Unabhängigkeitskrieg. Ein Hintergrundwissen hierzu wird nicht vorausgesetzt, sondern die Informationen werden "häppchenweise" in den Roman mit eingebaut. Ich empfand es als sehr schockierend, dass die irischen Freiheitskämpfer so fanatisch in ihrem Hass auf die Engländer waren, dass sie alle, die sich meldeten, um im 2. Weltkrieg für die Engländer kämpften, als "Verräter" und "Deserteure" beschimpften. Als Hauptthema kristallisiert sich die Frage heraus, wer für den Tod des irischen Freiheitskämpfers Michael Collins verantwortlich ist.


    Es werden viele Fragen beantwortet, aber es bleiben noch einige Fragen offen. Allerdings nicht so, dass es störend ist.


    Insgesamt ein Roman über Irland mit wenig irischer Landschaft, aber viel irischer neuerer Geschichte. Den Umfang von 305 Seiten fand ich genau passend.
    Was mich ein wenig störte, war, dass die Gefühle kaum geschildert wurden. Es wurde von Tom immer wieder gesagt, wie sehr er Sara liebt und wie sehr er sich nach ihr sehnt, aber es kam bei mir nicht an. Auch habe ich Hannah den Gefühlskonflikt zwischen den beiden Männern nicht unbedingt abgenommen. In einem reinen Liebesroman hätte ich es als sehr störend empfunden, aber als "Gesamtpaket" war es durchaus stimmig.
    "Das Haus bei den fünf Weiden" hat von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: erhalten. Außerdem ist Liz Balfour bei mir als Autorin "rehabilitiert" :wink: .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Ich tu mich ja grade mit Geschichten die im 2. Weltkrieg spielen etwas schwer muss ich sagen... Würdest du mir das Buch trotzdem empfehlen @Castor ?

    Ja, auf alle Fälle!
    Man ist niemals "direkt auf dem Schlachtfeld", sondern erfährt nur Einzelheiten insoweit, als sie für die Geschichte interessant sind, z.B., dass der Ehemann von Sara Soldat ist. Und ansonsten nur, wie der 2. Weltkrieg die irische Unabhängigkeitsbewegung beeinflusst hat - nämlich gar nicht, weil ja alle, die dort für die Engländer kämpften, Deserteure und Verräter waren. Das "Gewicht" liegt auf dem irischen Unabhängigkeitskrieg, der 2. Weltkrieg ist lediglich eine Randerscheinung. Im gesamten Buch ist keine einzige Kriegsszene beschrieben, auch keine "hinter den Kulissen".
    War das einigermaßen verständlich? Wenn nicht - einfach nochmal fragen :wink: .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Meine Meinung:
    Wie bisher in allen Büchern von Liz Balfour geht es nach Irland. Neu ist, dass sie historische Begebenheiten verarbeitet - die Geschichte der Irischen Republik.
    Die wird in den Briefen von Thomas Oliver erzählt: Mister Oliver ist ein Mediziner, der vor zwei Wochen hochbetagt, aber geistlich fit, starb. Er hinterlässt neben einer spannenden Lebensgeschichte ein Haus voller genau notierten Akten. Ihm war wichtig, dass jemand Unabhängiges seine Sachen ordnet. Deshalb wird Engländerin Hanna beauftragt, nicht nur die Akten und Patientendaten, sondern das gesamte Erbe zu ordnen und zu schätzen. Viel Arbeit liegt vor ihr, doch da sie ihre eigentliche Stelle in einer Anwaltskanzlei wie auch ihren Freund verloren hat, kommt ihr die viele Arbeit gerade recht. Kaum angekommen, treten auch schon zwei neue Männer in ihr Leben. Der eine könnte ihr beruflich helfen. Doch möchte sie das?


    Die beiden Erzählstränge werden jeweils sehr schnell vom anderen unterbrochen. Ich musste mich anfangs daran gewöhnen, da ich mich aufgrund der jähen Wechsel kaum mit all den verschiedenen Personen, von denen man anfangs noch nicht weiss, wer davon für die Geschichte wichtig ist, vertraut machen konnte.


    Obwohl auch in Hannas Leben (bzw. in der gegenwärtigen Erzählung) viel passiert, war die historische Verknüpfung in Thomas Briefen für mich spannender, wenngleich Thomas selbst sehr reserviert wirkte.
    Aber am Ende schliesst sich der Kreis - es kommt aus, an wen Thomas Brief gerichtet ist. Und wie auch bei einigen Protagonisten aus dem Vergangenheitsteil muss Hanna sich entscheiden, auf was es ihr im Leben ankommt. Wo passt man sich an, wann verschweigt man gewisse Dinge lieber? Genau diese Fragen verbinden die beiden Buchteile.
    Gut mit eingebunden im historischen Teil sind auch typische "irische" Themen wie schwangere Frauen und homosexuelle Männer - alles wird kurz angesprochen.


    Hanna machte sich ihre Entscheidung nicht leicht und legt sich erst kurz vor dem Ende fest. Sehr gerne hätte ich direkt nach der Lektüre eine Nachfolgegeschichte zur Hand genommen, in dem wir Leser erfahren würden wie es weitergeht.


    "Das Haus bei den fünf Weiden" empfand ich im Vergleich zu Liz Balfours anderen Romanen eher nachdenklich und gefasst - kühler und emotionsloser als sonst bei der Autorin üblich. Doch genauso stelle ich mir Thomas vor: akribisch und genau, doch seine Gefühle durften nicht sichtbar sein.


    Fazit:
    Kurzweiliger Zeitebenen-Roman, in dem die Geschichte der Republikgründung Irlands skizziert wird. Geschichte wird spannend und interessant erzählt, dadurch bleiben zwar die Gefühle ein wenig auf der Strecke, es passt aber zu der vorsichtigen Haltung der Protagonisten.
    4 Punkte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: