Peter Richter - 89/90

  • Beschreibung: (laut amazon)
    Das Lebensgefühl einer rebellischen Generation am Ende der DDR
    Sie sind der letzte Jahrgang, der noch alles mitmachen darf – damals in Dresden vom Sommer vor der Wende bis zur Wiedervereinigung: die lauen Freibadnächte und die Ausweiskontrollen durch die »Flics« auf der »Rue«, die Konzerte im FDJ-Jugendklub »X. Weltfestspiele« oder in der Kirche vom Plattenbaugebiet, wo ein Hippie, den sie »Kiste« nennen, weil er so dick ist, mit wachsamem Blick Suppe kocht für die Punks und ihrePfarrerstöchter.
    Sie sind die Letzten, die noch »vormilitärischen Unterricht« haben. Und sie sind die Ersten, die das dort Erlernte dann im Herbst 89 erst gegen die Staatsmacht anwenden. Und schließlich gegeneinander. Denn was bleibt dir denn, wenn du zum Fall der Mauer beiträgst, aber am nächsten Tag trotzdem eine Mathe-Arbeit schreiben musst, wenn deine Freundin eine gläubige Kommunistin ist und die Kumpels aus dem Freibad zu Neonazis werden?
    Von der Unschuld des letzten Sommers im »Tal der Ahnungslosen« bis zu den Straßenschlachten rund um die deutsche Einheit: Peter Richter beschreibt in seinem autobiografischen Roman das chaotische Ende der DDR aus der Sicht eines damals Sechzehnjährigen – pointiert, authentisch und sprachlich brillant. Coming of Age im Schatten von Weltgeschichte.


    Autor: (laut amazon)
    Peter Richter wurde 1973 in Dresden geboren und ist dort aufgewachsen. 1992 machte er an der Kreuzschule das Abitur. Er begann zunächst mit einer Druckerlehre und studierte dann in Hamburg und Madrid Kunstgeschichte. Danach arbeitete er beim Deutschlandfunk in Köln, beim Deutschlandradio Berlin und als Redakteur und Kolumnist im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seit Sommer 2012 ist Peter Richter Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in New York. Als Buchautor wurde er mit Titeln wie „Blühende Landschaften“, „Deutsches Haus“ und "89/90" bekannt.


    Meine Meinung:
    Peter Richter beschreibt eine geschichtlich sehr ereignisreiche und wichtige Zeit aus den Augen eines damls 16jährigen: in seiner Sprache, mit seinen Gedanken und Gefühlen, mit seinem Interesse für die politischen und sozialen Gegebenheiten und Folgen, mit seinen Prioritäten und Beweggründen. Mich persönlich hat dieses Buch besonders angesprochen und interessiert, weil ich fast gleichaltrig aus einer vollkommen anderen Perspektive (nämlich aus Westdeutschland) das damalige Zeitgeschehen mehr oder weniger verfolgt habe und somit den direkten Vergleich zum Erzähler aus eigenetr Erfahrung hatte. Während es natürlich auch bei uns politische Jugendströme bzw. -szenen gab, fühlte ich mich, damals politisch völlig uninteressiert zu keiner der genannten wirklich zugehörig. Wo ich mich allerdings während der Lektüre gelegentlich wiederfand waren die typisch pubertären generellen Zweifel "am System" (egal ob Ost oder West), die typische Einstellung "Hier komme ich, Welt du hast auf mich gewartet" eines Heranwachsenden gepaart mit Selbstzweifel und Liebesirrungen und -wirrungen, kurz: die typischen Baustellen eines Erwachsen-werdenden, egal was die politische Welt um einen herum veranstaltet.
    Dabei ist der Protagonist deutlich politischer unterwegs, als ich es damals war, er dengelt zwischen verschiedenen Weltanschauungen hin und her, ohne dass er seinen grundsätzlichen Charakter verändert oder sich selbst untreu wird. Auf sehr interessante Weise erklärt er die Entstehung der extremen Rechtsbewegungen, die mit der Wende an einigen Orten kamen, die weitestgehend Orientierungslose und ohne wirklichen Unterbau, oft aus Mitläufertum, Angst und Langeweile entstandene Organisation rechter Gruppierungen. Aktueller als in diesen Tagen von pegida und Flüchtlingsdebatten kann ein solches Buch daher nicht sein.
    Alles in allem schildert Richter offenbar autobiografisch die Zeit, in einer authentischen und absolut zeitgemäßen Sprache, greift Themen wie Rechtsextrmismus, Orientierungslosigkeit durch und Angst vor Veränderung, Kapitalismus, Kommunismus und Anarchismus durch die Augen eines damaligen, schwer pubertierenden 16/17 jährigen auf - ungeschönt, brutal ehrlich und nicht frei von Humor.
    Einzig die am Ende des jeweiligen Kapitels stehende Fußnoten und die Wahl, seine handelnden Figuren mit abgekürzten Großbuchstaben zu benennen stören ein wenig den Lesefluss, ansonsten ist ihm ein spannendes und etwas anderes Zeitdkoment gelungen, für das ich eine absolute Leseempfehlung ausspreche. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5: