Mal eine Frage zur Grammatik ...

  • Hallo,


    ich bin gerade dabei, meine nächste Kurzgeschichte zu überarbeiten und habe sie von einer lieben Freundin Korrektur lesen lassen, die auch selbst schreibt. Die Geschichte habe ich im Präteritum geschrieben und zwischendurch wird von noch vorher Geschehenem berichtet, was ich aber größtenteils auch im Präteritum geschrieben habe. Meine Freundin merkte nun an, dass man dafür die Vorvergangenheit nutzen sollte. Wenn man diese Vorvergangenheit nun grammatikalisch richtig mit hatte bzw. war + Verb ausdrückt, habe ich dann ganz viele "hatte" und "war" recht nah beieinander und das liest sich für mich irgendwie komisch. :-k


    Wie macht ihr das? Ist es immer so wichtig, grammatikalisch richtig zu schreiben oder geht ihr da lieber nach dem Klang? Ich lese mir meine Geschichte immer abschnittsweise laut vor und dann fallen mir solche Wörter unangenehm auf, gerade wenn so viel "hatte" dabei ist.


    Für Tipps wäre ich euch sehr dankbar.


    Liebe Grüße,


    Susanne

    :study: Die verlorenen Spuren (Kate Morton)


    Wer Bücher hat und den Verstand besitzt, sie zu lesen, kann doch nie ganz unglücklich sein, hat er doch die beste Gesellschaft, die es auf Erden gibt.


    Paul Ernst (1866 - 1933), deutscher Essayist, Novellist, Dramaturg und Versepiker



    Mein Blog books2cats

  • Rein grammatikalisch gesehen hat Deine Freundin natürlich Recht. Die richtige Erzählzeit für Vergangenes in einer Erzählung im Präteritum ist das Plusquamperfekt. Bei mehreren Verben in einem Satz, die etwa bei einer Aufzählungen von Handlungen vorkommen können, können ein "hatte" oder "waren" mehrere Verben "regieren", was es ermöglicht, ein Knubbeln der Hilfsverben hier zu verhindern. Wäre das vielleicht eine Hilfe?


    Daneben wird im normalen Sprachgebrauch dies ja oft nicht so sehr beachtet und ich glaube, die meisten Autorinnen und Autoren sind dann auch mit dem Perfekt zufrieden - wobei das die Hilfsverbakkumulation natürlich nicht verhindert. Es sind einfach nur andere Hilfsverben.

  • Ja, das ist ein sehr hässliches Problem. Gerade bei längeren Passagen in der Vorvergangenheit würde ich die korrekte Grammatik grauenvoll anhören. Es gibt drei Auswege: 1.) Auf solche Rückblicke verzichten. Ganz häufig ist es auch für den Erzählfluss ohnehin besser, chronologisch zu bleiben. 2.) Man lässt jemanden die Passage Erzählen oder gibt direkt seine Gedanken dazu wieder. 3.) Man beginnt korrekt in der Vorvergangenheit und taucht dann in diese Zeit ab, kehrt also zur "normalen" Erzählzeit zurück. Das ist dramaturgisch manchmal ganz nett. Man muss dann nur darauf achten, den tatsächlichen Punkt der "Rückkehr in die richtige Zeit" sprachlich und durch Absätze (bzw. Leerzeilen) hervorzuheben.

  • Ich hab es bei meinem ersten Buch so gehalten, dass ich durchgehend im Präterritum oder Perfekt erzählt habe und in der Überschrift des jeweiligen Abschnitts kenntlich gemacht habe, wo die Handlung zeitlich zu verorten ist. Der erste Abschnitt ist mit Gegenwart, erste Septemberwoche überschrieben, im zweiten beginne ich dann unter Knapp zehn Monate früher, Montag der zweiten Adventswoche mit der Rückblende, die aber eben nicht in der Vorvergangenheit erzählt wird. Nach mehreren Stufen der Rückblende (das Geschehen zieht sich insgesamt über fast ein Jahr) habe ich dann wieder einen Abschnitt Gegenwart und beende die Geschichte mit den aktuellsten Ereignissen. Das bot sich in diesem Fall auch deshalb an, weil die Vorgeschichte einen großen Teil der Handlung einnimmt.

  • Bei kurzen Passagen ist es kein Problem, wenn mehrere Hilfsverben auftauchen. Wenn es aber gehäuft auftritt, hilft in vielen Fällen eine kurze Einleitung und zur Abgrenzung dann ein in Kursiv geschriebener Text, der deutlich macht, dass es sich um Erinnerungen aus der Vergangenheit handelt. Diesen kann man ebenfalls Präteritum schreiben, ohne dass es dann noch stört. Wenn es schließlich in der normalen Zeit weitergeht, wird auch nicht mehr kursiv geschrieben.
    Oder um mal ein Beispiel zu bringen:


    Sie erinnerte sich daran, als wäre es erst gestern gewesen:
    Der Nebel sank schneller herab, als sie gedacht hatte. Ein mulmiges Gefühl bemächtigte sich ihrer und die unheimlichen Geräusche, deren Herkunft sie nicht ausmachen konnte, machten es nicht besser. Kies knirschte unter ihren Schuhen und Wasser drang hinein. Sie fror. ...
    Heute wusste sie es besser, heute war sie vorsichtiger. ...

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Hallo,


    vielen lieben Dank für eure hilfreichen Tipps.


    Ich werde noch mal in mich gehen und schauen, wie ich das alles umsetzen kann. Es ist halt "nur" eine Kurzgeschichte, daher gibt es innerhalb der Geschichte keine Kapitel, die ich dann mit der konkreten Zeit betiteln könnte. Der Tipp, mit dem Plusquamperfekt zu beginnen, im Präteritum weiter zu schreiben und dann wieder "aufzutauchen", hat mir auch gut gefallen. Einen Abschnitt könnte ich auch so umgestalten, dass die Person ihre Geschichte in wörtlicher Rede erzählt.


    Ihr habt mir auf jeden Fall sehr weitergeholfen. :pray:


    Liebe Grüße,


    Susanne

    :study: Die verlorenen Spuren (Kate Morton)


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    Paul Ernst (1866 - 1933), deutscher Essayist, Novellist, Dramaturg und Versepiker



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  • Der Tipp, mit dem Plusquamperfekt zu beginnen, im Präteritum weiter zu schreiben und dann wieder "aufzutauchen", hat mir auch gut gefallen.

    Was den Übergang für den Leser einfacher macht: Den ersten Satz der anderen Zeit jeweils mit einem Wort beginnen lassen, das den Wechsel klar macht, z.B. "damals" oder "vor x Jahren / Wochen / Tagen". Bei der Rückkehr ebenso.


    Es ist letztlich eine Entscheidung zwischen Grammatik und Leserfreundlichkeit.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Liebe Marie,


    vielen Dank, ich werde das so berücksichtigen. Genau diese Entscheidung fällt mir ja schwer, aber dafür schreibt man ja immer weiter ... Da lernt man nie aus. Bei zu viel "hatte" hintereinander sträubt sich bei mir alles, bei meiner Freundin ist das genau anders herum. :uups:


    Liebe Grüße,


    Susanne

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  • Kleiner Tipp von mir:
    Wenn mir etwas grammatikalisch schwer fällt, versuche ich erst sehr kurze Sätze zu bilden, um sie dann nach und nach sinngemäß in einen größeren Satz zu überführen.
    Mir hilft das oft, zuerst meine Gedanken zu ordnen und danach erst "die Poetik" einzufügen.

  • Lieber Soulprayer,


    lieben Dank für deinen Tipp. Gleich heute Abend werde ich mich wieder an meine Geschichte stürzen und daran arbeiten.


    Liebe Grüße,


    Susanne

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  • Bei kurzen Passagen ist es kein Problem, wenn mehrere Hilfsverben auftauchen. Wenn es aber gehäuft auftritt, hilft in vielen Fällen eine kurze Einleitung und zur Abgrenzung dann ein in Kursiv geschriebener Text, der deutlich macht, dass es sich um Erinnerungen aus der Vergangenheit handelt. Diesen kann man ebenfalls Präteritum schreiben, ohne dass es dann noch stört. Wenn es schließlich in der normalen Zeit weitergeht, wird auch nicht mehr kursiv geschrieben.
    Oder um mal ein Beispiel zu bringen:


    Sie erinnerte sich daran, als wäre es erst gestern gewesen:
    Der Nebel sank schneller herab, als sie gedacht hatte. Ein mulmiges Gefühl bemächtigte sich ihrer und die unheimlichen Geräusche, deren Herkunft sie nicht ausmachen konnte, machten es nicht besser. Kies knirschte unter ihren Schuhen und Wasser drang hinein. Sie fror. ...
    Heute wusste sie es besser, heute war sie vorsichtiger. ...

    Ich stimme Dir zwar zu, kann mich aber dunkel an eine lange und kontroverse Diskussion über längere Passagen in kursiver Schrift erinnern. Ich weiß nicht mehr, in welchem der Bücherforen, in denen ich unterwegs bin, das war, entsinne mich aber, dass da mehrere Teilnehmer strikt dagegen waren, kursive Schrift für mehr als Hervorhebungen einzelner Wörter zu verwenden. Scheint also nicht jedermanns Sache zu sein.

  • Andererseits kann man es auch nicht jedem recht machen. 8)

    Das war auch mein Gedanke. Immerhin finde ich kursive Textblöcke angenehmer zu lesen, als wenn ich mit "hatte" und "war" erschlagen werden. Das stört mich in vielen Texten.
    Ansonsten könnte man noch versuchen, ob sich diverse Hilfsverben durch das Umstellen des Satzes vermeiden lassen.

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Das war auch mein Gedanke. Immerhin finde ich kursive Textblöcke angenehmer zu lesen, als wenn ich mit "hatte" und "war" erschlagen werden. Das stört mich in vielen Texten.Ansonsten könnte man noch versuchen, ob sich diverse Hilfsverben durch das Umstellen des Satzes vermeiden lassen.

    Das war auch mein Gedanke. Immerhin finde ich kursive Textblöcke angenehmer zu lesen, als wenn ich mit "hatte" und "war" erschlagen werden. Das stört mich in vielen Texten.Ansonsten könnte man noch versuchen, ob sich diverse Hilfsverben durch das Umstellen des Satzes vermeiden lassen.

    Darüber, dass man es nicht jedem recht machen kann, bin ich froh. Und ein Autor darf auch seine eigenen Entscheidungen in solchen Angelegenheiten treffen. Sollte besagter Autor allerdings selbst nicht so begeistert von der Kursivschreibungslösung sein, bleiben ihm dank der gleichen künstlerischen Freiheit zahlreiche andere Möglichkeiten, so eine Rückblende in der "falsche" Zeitform zu kennzeichnen und somit zu legitimieren. Beispiele, die ich sofort nachvollziehen könnte wären:
    - Ganz auf besondere Formen Verzichten (sofern dem Inhalt nach mühelos erkenntlich ist, was der Autor da tut)
    - Leerzeile und drei Punkte, dann normal weiter schreiben
    - Nur die ersten Sätze (in Vorvergangenheit) auch kursiv schreiben, dann Leerzeile und normal weiterschreiben
    - eine andere Schriftart verwenden


    Das grammatisch korrekte Verwenden der Vorvergangenheit in längeren Passagen liest man in professionellen Unterhaltungstexten dagegen praktisch niemals. Dazu bedingt es zu viele Wortwiederholungen und führt zu zu sperrigen Sätzen.

  • Ihr Lieben,


    ich danke euch nochmal ganz herzlich für eure Ratschläge. Ihr habt mir sehr weitergeholfen. :applause: Die Rückblende habe ich jetzt in einen extra Absatz gepackt und es ist auch ersichtlich, dass es sich um eine Rückblende handelt. Da sollte keine Verwirrung aufkommen.


    Liebe Grüße,


    Susanne

    :study: Die verlorenen Spuren (Kate Morton)


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  • dito Martin Hühn: ein, zwei Sätze im Plusquamperfekt (wegen der sprachlichen Korrektheit und als Signal, dass jetzt Vorvergangenheit herrscht), dann flugs zurück ins Imperfekt (der besseren Lesbarkeit wegen).


    Wer`s ganz "ausgebufft" angehen will, greift am Ende der Vorvergangenheit nochmal abschließend aufs Plusquamperfekt zurück ("Das ganze hatte sich vor zwei Jahren ereignet, als Frank noch in Vietnam gewesen war. Nun lebte er wieder in seinem früheren Haus und ging einer geregelten Arbeit nach... )