Samuel R. Delany: Nova

  • Die Rezension bezieht sich auf das englische Original; Übersetzer der deutschen Fassung ist Heinz Nagel.


    Das 31. Jahrhundert: Captain Lorq Von Ray möchte sein Raumschiff durch einen explodierenden Stern fliegen, um dabei Tonnen der unfassbar wertvollen Energiequelle Illyrion zusammeln. Angetrieben wird er von Rachegelüsten. An Bord befindet sich eine zusammengewürfelte Crew: Gypsy-Junge The Mouse spielt die syrynx, ein Instrument, das alle Sinnesorgane anspricht. Katin möchte die archaische Form des Romans zu neuem Leben erwecken, hat mehr als 5.800 Notizen, aber noch kein Thema. Dann wären da noch die Zwillinge Idas und Lynceos sowie Tyy und Sebastian und ihre geflügelten Biester.


    Ein enigmatischer Kapitän mit Rachegelüsten, eine illustre Crew und natürlich eine große Quest: Delanys Nova gilt nicht umsonst als eine Art „Moby Dick in Space“. Die Ähnlichkeiten beschränken sich nicht nur aufs Personal. Auch andere berühmte Quests – Artus' Suche nach dem Heiligen Gral, Jasons Jagd nach dem Goldenen Vlies –dienen erkennbar als Vorbilder.


    Delany pflegt einen unverwechselbaren Schreibstil, eine ganz eigene Poesie.In diesem frühen Roman, den der Autor 1968 im Alter von 25 Jahren veröffentlichte, wird seine kompositorische Fähigkeit bereits deutlich – wenn auch ein wenig prätentiöser, als es sein müsste. Für einen Delany ist Nova vergleichsweise kohärent und geradeaus; vergleichsweise, da die knapp über 200 Seiten kurze Geschichte immer noch einige Abzweigungen nimmt. Immer, wenn man denkt: „jetzt muss die Story aber losgehen“, gibt es einen ausführlichen Rückblick, um die Animositäten zwischen Von Ray und seinen Widersachern Prince Red (das ist kein Titel, das ist sein Name) und Ruby Red (ja, wirklich) zu erklären; oder eine ebenso ausführliche pseudo-wissenschaftliche Abhandlung über Tarot; oder lange Unterhaltungen über die Kunst, einen Roman (nicht) zu schreiben. Dazu kommen zahlreiche Referenzen zu Kunst, damaliger Pop-Kultur und anderen Science Fiction-Autoren (ich behaupte gar nicht erst, alle entdeckt oder verstanden zu haben). Wie gesagt, die Ähnlichkeiten zu Moby Dick beschränken sich nicht aufs Personal. Anstelle des Weißen Wals (oder des Heiligen Grals, oder des Goldenen Vlies) tritt hier, als buchstäblicher Fixtern, die Nova.


    Vondiesen Abzweigungen abgesehen, ist Nova eine ziemlich klare Abenteuergeschichte, eine Space Opera mitsamt gut durchdachten futuristischen Elementen. Delany nimmt hier auch bereits einige Elemente des Cyberpunk vorweg. Inhaltlich ist Nova ein bisschen dünn, Idee und Stil gehen hier deutlich vor Story, Charakterentwicklung und nachvollziehbaren Motiven (wobei die konsequente Nicht-Charakterisierung von Ruby Red, die nur als Verlängerung ihrespsychotischen Bruders existiert, in sich schon wieder interessant ist). Ich hab Nova gerne gelesen, finde den Roman aber schwächer als andere Bücher des Autors (Stars in My Pocket Like Grains of Sand undBabel-17). Ich habe lange zwischen 3 ½ und 4 Sternen geschwankt, für den selbstreflektierenden Humor auf der letzten Seite gab es dann den letzten Halbstern.


    Wer die Science Fiction der 1960er bis 1980er Jahre mag, sollte sich Delany einmal vornehmen. Nova wäre eine gute Möglichkeit, damit anzufangen – da eben sehr geradeaus und außerdem recht kurz. Wem sich allerdings bei den Begriffen „New Wave“ und „New Age“ die Fußnägel aufrollen, der liest lieber etwas anderes.



    Über den Autor (mit Angaben von Wikipedia und aus dem Buch):
    Samuel R.Delany, geboren 1942, gilt als eine der bedeutendsten schwarzen Stimmen der US-amerikanischen Science-Fiction und zählt neben Norman Spinrad, Harlan Ellison und Roger Zelazny zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen New Wave, einer literarisch ambitionierten, experimentelle Strömung der Science Fiction-Literatur. 1962 veröffentlichte Delany seinen ersten Roman, 1985 auf Deutsch als Die Juwelen von Aptor erschienen. Immer wieder beschäftigt sich Delany in seinen Romanen mit Sprache und ihren Auswirkungen auf unser Denken, mit Sexualität und sexueller Orientierung und mit sozialen Fragen, wenn auch recht verklausuliert. Von 1975 an lehrt Delany an Universitäten, von 1988bis 2015 war er Professor an der Temple University.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • Für die englische Ausgabe gibt es dann auch ein Titelbild.
    Anmerkung: Tut Euch einen Gefallen und lest nicht die SF Masterworks Ausgabe. Die ist grässlich formatiert und lässt auch einige Formatierungs-Besonderheiten des Originals weg. Hätte ich das mal vorher gewusst...

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