Micaela Jary - Sterne über der Alster

  • Hamburg 1918. Als sich Viktor Dornhain, der Patriach und das Familienoberhaupt der Reederfamilie Dornhain in der schwierigen Nachkriegszeit das Leben nimmt, hinterlässt er seiner ältesten Tochter Ellionor neben dem Erbe, die Reederei zu leiten, einen Brief mit brisantem Inhalt. Großmutter Charlotte, die ebenfalls vom Inhalt des Briefes weiß, möchte mit allen Mitteln verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt und überredet Ellionor, Stillschweigen zu wahren. Während Ellionor sich mit den vielen Schwierigkeiten der Reederei vertraut macht, die durch die andauernden politischen Unruhen und die Regressansprüche der Siegermächte entstanden sind, erhält sie Unterstützung durch ihren alten Jugendfreund Christian, der davon überzeugt ist, sie bald zu heiraten. Aber auch ihr Schwager Konrad, der zwar mit Ellionors jüngsten Schwester Lavinia verheiratet, doch mit Schwester Nele in wilder Ehe zusammen ist, reist aus der Schweiz an und greift ihr ebenfalls unter die Arme. Nele verheimlicht ihrer Familie etwas, solange die Beziehung zwischen Konrad und ihrer Schwester Lavinia nicht geklärt ist. Als Lavinia endlich vom Kriegsdienst nach Hamburg zurückkehrt, werden die Karten auf den Tisch gelegt. Was hat Viktor verheimlicht?


    Micaela Jary hat mit ihrem Buch „Die Sterne über der Alster“ den Nachfolgeband zu ihrem Roman „Das Haus am Alsterufer“ vorgelegt und lässt die Leserschaft am weiteren Verlauf des Lebens der Reederfamilie Dornhain teilnehmen. Der Schreibstil ist herrlich flüssig zu lesen, dabei unterhaltsam und fesselnd, der Leser findet sich schon mit den ersten Seiten im Dornhainschen Haushalt wieder, sowohl in der Belle Etage als auch bei den Dienstboten im Souterrain. Der Spannungsbogen wird gut aufgebaut und zieht sich wie ein Faden durch die Familiengeschichte. Der geschichtliche Hintergrund zeigt die Unruhen nach dem ersten Weltkrieg auf mit allen Sorgen und Nöten der Menschen, deren Land zerrissen ist und nach einer neuen Richtung sucht, damit es endlich wieder aufgebaut und man zur Normalität zurückkehren kann. Die politischen Querelen und die damit verbundenen Schwierigkeiten zur damaligen Zeit wurden von der Autorin sehr schön in die Handlung mit eingeflochten und verdeutlichen einmal mehr die Schwierigkeiten der Nachkriegszeit. Die Charaktere sind sehr verschieden angelegt, dabei liebevoll, authentisch und detailliert skizziert und lassen dem Leser freien Lauf, seine Sympathien zu verteilen. Ellionor ist die Vernünftige, auf deren Schultern nun das Erbe der Reederei ruht. Sie ist eine eher nachdenkliche und pragmatische Frau, die sich für den Fortschritt interessiert und auch ihre Familienangehörigen möglichst schonend auf Veränderungen vorbereiten will. Nele sitzt in einer Zwickmühle, da sie mit dem Ehemann ihrer jüngsten Schwester in wilder Ehe lebt und kann diesen Zustand kaum mehr ertragen, ist sie doch auf das Wohlwollen von Lavinia abhängig, um endlich ein normales Leben zu führen. Lavinia ist das Nesthäkchen, sie ist egoistisch und selbstsüchtig, hängt ihr Fähnchen nach dem Wind. Doch in schwierigen Situationen zeigt sie ihre praktische und zupackende Seite, die man ihr gar nicht zutrauen mag. Großmutter Charlotte ist eine Matrone erster Güte, die nur darauf achtet, dass der Ruf der Familie keinen Schaden nimmt, dabei ist es ihr letztendlich egal, wen sie damit verletzt.


    Mit „Die Sterne über der Alster“ ist Micaela Jary ein würdiger Nachfolgeroman gelungen, der ebenso spannend wie unterhaltsam ist. Die Familiengeschichte der Dornhains lässt den Leser nicht los, und so muss man einfach hoffen, dass es noch ein drittes Buch gibt, um die Protagonisten noch einmal begleiten zu dürfen. Absolute Leseempfehlung!


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Inhaltsangabe:


    Der Erste Weltkrieg neigt sich dem Ende zu und in Hamburg bricht das Chaos aus. Die Sozialisten proben die Revolution, in Berlin wird die Republik ausgerufen und im belgischen Spa wird Kaiser Wilhelm II zur Abdankung gezwungen. Viktor Dornhain, der Patriarch der Reederfamilie im Harvestehuder Weg, kann diese Demütigung der Geschichte nicht ertragen und erschießt sich am Alsterufer.


    Zurück lässt er seine Mutter Charlotte und die drei Töchter Ellinor, Nele und Livi. Die Älteste, Ellinor, soll die Geschäfte ihres Vaters fortführen. Doch in Hamburg ist das Chaos ausgebrochen und die Sozialisten und andere politischen Gruppierungen wollen die Macht in der Stadt ansich reißen.
    Nele lebt mit ihrem Geliebten Konrad – dem Ehemann ihrer Schwester Livi – im Ausland. Gerade erfährt sie, das sie von Konrad ein Kind erwartet. Doch die Verhältnisse in Hamburg und der sich daraus erwachsende Skandal sind noch lange nicht geklärt. Nun erfährt sie vom Tod ihres Vaters und reist zusammen mit Konrad nach Hamburg.


    Livi hatte sich dem Kriegsdienst angeschlossen und fühlte sich das erste Mal frei in ihrem Leben. Die Erkenntnis, das ihre Schwester und ihr Mann sich sehr innig liebten, traf sie noch immer tief und eigentlich wäre sie zu einer Scheidung bereit. Aber sie wollte nicht allein sein. Bei der Nachricht vom Tod ihres Vaters reist sie nach Hamburg.


    Viktor Dornhain hat jedoch nicht nur seinen drei Töchtern ein kleines Vermögen hinterlassen und die politischen Ränkespiele sind in der Stadt noch lange nicht ausgestanden. Ellinor muss um die Existenz der Reederei kämpfen und dabei ihre eigene Zukunft nicht verlieren.


    Mein Fazit:


    Auch wenn es schon eine Weile her ist, wo ich den ersten Teil gelesen habe, aber beim Öffnen des Buches war ich sofort wieder im Hamburg Anfang des 20.ten Jahrhunderts. Und die Autorin hat die damalige Situation in der Hansestadt sehr gut beschrieben, so das ich es mir gut bildlich vorstellen konnte.


    Auch wenn man anfangs glaubt, die eine oder andere Tochter hätte aus dem ersten Teil was gelernt, so wird man bald eines besseren belehrt, sie sind noch genauso wie kurz vor dem Krieg, unterschiedlich und doch durch und durch hanseatisch. Dieses Mal hat mir Ellinor von allen am Besten gefallen, denn sie muss plötzlich lernen, ihren Mann zu stehen und die Geschäfte ihres Vaters übernehmen. Die politischen Umstände in der Stadt machen es ihr auch nicht leid. Lange kann das Testament nicht verlesen werden und sie wird im Büro ihres Vaters Opfer eines Mord-Anschlages. Auch wenn sie ihre Großmutter respektierte, so hat sie den Wunsch, im Haus klare Verhältnisse zu schaffen – was ich ihr sehr wohl anrechne. Livi benimmt sich wie immer etwas kindisch und unreif und Nele kämpft mit der Schwangerschaft, die eigentlich nicht sein dürfte und die sie sogar versucht abzubrechen.


    Die Geschichte ist gut geschrieben, ohne langatmige Stellen oder unnötigen Ballast. Die wechselnden Perspektiven sind sehr durchdacht platziert. Die lebendigen Beschreibungen der damaligen Zeiten haben mir das Gefühl von Echtheit und Glaubwürdigkeit gegeben, auch wenn das eine oder andere Detail der künstlerischen Freiheit der Autorin anheim wurde. Sie hat es ja im Nachwort erklärt und ich empfinde es als durchaus ok. Und das Ende ist auch hier offen, womöglich gibt es sogar irgendwann einen dritten Teil. Ich als Leserin würde es mir sehr wünschen.


    Begeisterte fünf Sterne für die Fortsetzung.